Jetzt sitze ich hier also und soll meine
persönliche Zwischenbilanz ziehen. Vor mir ein weißes Blatt Papier. Die
Gedanken wirbeln durcheinander und ich versuche sie mal zu fixieren.
Früher wäre das jetzt ein echtes Problem gewesen, da ich es gewohnt bin,
anderer Leute Gedanken zu übersetzen, ich selbst aber in dem Sinne keine
Gedanken übersetzen bzw. in passende Worte packen musste.
Bei diesem Stichwort fallen mir die
automatischen Gedanken ein, die bei mir in meinen tiefen Phasen dominant
negativ waren. Gelernt habe ich positive Alternativen zu formulieren, die
mittlerweile genauso wie früher die negativen nun auch automatisch kommen
bzw. meistens halte ich mir schon direkt das gedankliche
Stopp-Schild vor Augen, so dass negative (lärmende Gedanken) erst gar
nicht aufkommen können.
Dabei hilft mir auch das Schlüpfen in die
Rolle meines persönlichen
Coaches, der so viele alternative Ansichten und Betrachtungsweisen
aufzählt (Ich bin tatsächlich viele!) wie ich sie vorher durch meine
eingeengte Betrachtung und Fixierung auf mich selbst nicht sehen konnte
und damit einhergehend auch andere Gefühle erzeugt, u. a. Verständnis für
Andere, deren Bedürfnisse, aber auch die eigenen zu erkennen hilft.
Ich horche viel öfter in mich hinein, da
es in der Vergangenheit meist die Nichterfüllung oder gar Nichtbeachtung
meiner Bedürfnisse war, die mich unzufrieden, selbstunsicher gemacht hat.
Früher hätte ich mir eine Zufriedenheit aus übertriebenem Ehrgeiz aber
auch nicht gegönnt. Jetzt, wo ich erkannt habe, wie essenziell es für mich
ist, versuche ich alles zu machen, von dem ich mir verspreche, dass es
Spaß macht und mir Befriedigung verschafft (Sport, Schlagzeug spielen, mal
wieder lesen, mich mit Freunden treffen).
Ich erfahre immer wieder die
Interdependenz der Gedanken, dass die Art der Gedanken mein Gefühlsleben,
aber auch der mit mir lebenden Menschen massiv beeinflusst, was mir hier
und da Verantwortung aufbürdet, die ich aber gerne übernehme.
Als ich meinen tiefsten Punkt hatte, an
dem ich mich völlig zurückzog und nur noch auf dem Sofa saß, habe ich mich
über das von Ihnen „verordnete“
Aktivitätsprogramm herausgezogen und bin dieser Depression davon
gelaufen. Eine Erfahrung, die mich motiviert, mit meinem
Sportprogramm weiter zu machen und die mir gezeigt hat, wie ich selbst
meinen Gemütszustand positiv stimmen kann. ICH hab's in der Hand, wie ich
mich fühlen möchte. Das ist ein unglaubliches gutes Gefühl der Kontrolle
und positiven Macht über sich selbst. Ich bin meines eigenes Glückes
Schmied. Andere sind nicht für meine schlechten Gefühle verantwortlich,
weil ich selbst dafür zuständig bin.
Besonders beruhigend fand ich Ihre
Aussage, dass ich selbst die Herrin über die Zeit bin, die ich meinem
Haus, das mir so viele Probleme bereitet(e), verbringe.
Eines meiner Hauptprobleme in der
Vergangenheit war die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung und
die mangelnde Deutungskompetenz. Dass ich viel zu oft negative Dinge in
Gesagtes hinein interpretiert habe, die von meinem Gesprächspartner gar
nicht so gemeint waren. Hier hat mir sehr geholfen, Feedbacks einzuholen,
was meine "Gesprächskultur" sehr verbessert hat. Aber eben auch meine
Empfindungen und auch die meines Gesprächspartners. Zurzeit habe ich oft
den Eindruck, dass man mich bewusst als Gesprächspartner sucht, weil ich
laut Feedback anderer als „gesprächs-kompetent“ gelte, was mir wiederum
ein Gefühl der Anerkennung verschafft, die ich mir früher immer gewünscht
habe. Ich muss also mit meinem „Tanklastwagen“ z. B. nicht mehr bei meinen
Schwiegereltern vorfahren, um
Anerkennung zu "tanken".
Überhaupt hat sich die Bandbreite der
Gesprächsthemen, vor allem mit meinem Mann, sehr erweitert. Wir reden viel
offener über unsere Gefühle und Bedürfnisse. Wir haben wieder Respekt für
einander und Achtung voreinander. Ich brauche kein
Symptom mehr als Freund und Helfer, da ich mein Bedürfnis klar
formuliere und keiner mehr Rätsel raten braucht. Mit der Erkenntnis, dass
hinter Kritik ein unerfülltes Bedürfnis steckt, kann ich auch viel besser
mit Kritik umgehen. Die Anzahl der Streits mit meinem Mann hat sich auf
ein Minimum reduziert, weil wir beide uns bemühen, die Grundregeln der
gewaltfreien Kommunikation zu beachten. Anders als früher werfen wir uns
nicht "olle Kamellen" vor, um den anderen aus einem Rachgefühl heraus zu
verletzen, weil man sich selbst durch den anderen verletzt, gekränkt
gefühlt hat, sondern wir versuchen, für beide Parteien eine Lösung für die
Zukunft zu finden, indem wir unsere Bedürfnisse und unseren Wunsch zur
Erfüllung klar äußern.
Besonders beeindruckend fand ich, welche starke Wirkung authentische
Wertschätzung, die ich anderen gegenüber offen ausdrücke, hat. Alle
Gespräche, die ich so eröffnete, sei es mit Familienmitgliedern, Freunden
oder Kunden, verliefen für beide Seiten äußerst positiv.
Ich bin mir heute der Magie der Worte
bewusst, vor allem im Umgang mit meiner Tochter. Teilweise erschrocken
musste ich feststellen, wie oft ich früher einfach etwas dahingeplappert
habe und was es wohl in dem einen oder anderen angerichtet haben muss.
Ich selbst musste mal die Erfahrung
machen, dass eine Ferndiagnose mit den Worten "wenn Du einmal erst über
Monate Tinnitus hast, ist er chronisch und Du wirst ihn nie wieder los",
mich in lange Verzweiflung und Angst stürzte.
Besonders faszinierend finde ich nach wie
vor das Thema „Authentisch leben“. Seitdem ich immer mehr versuche, zu mir
selbst zu stehen, meine Gefühle und Bedürfnisse nicht mehr verstecke,
sondern entsprechend handele, geht es mir besser. Dadurch, dass ich die
Dinge direkt und klar ausdrücke, muss sich nichts mehr aufstauen, was
irgendwann, wenn das Fass übergelaufen ist, zur Explosion kommt. Ich bin
nicht mehr so oft die tickende Zeitbombe.
Früher hatte ich oft Probleme mich für
oder gegen etwas zu entscheiden. Ich sehe jetzt klarer, weil ich viel eher
auch auf meinen Bauch höre und mein Bedürfnis klarer ausdrücken kann.
Auch im Zusammensein mit meinen Eltern
fühle ich mich heute viel wohler. Ich spüre keinen Druck mehr, mich für
etwas rechtfertigen zu müssen und wirke laut Feedback meiner ......
dadurch souveräner. Dieses Gefühl, sich nicht mehr rechtfertigen zu
müssen, hat sich auch auf meinen Mann übertragen, der immer das Gefühl
hatte, von ihnen nicht akzeptiert bzw. anerkannt zu sein.
Ich falle zwar hin und wieder immer mal in
alte Muster zurück, aber wichtig fand ich die Erkenntnis, dass ich
überhaupt gewisse Verhaltensmuster habe. Sobald ich erkannt habe, dass ich
mal wieder einem alten Muster folge, kann ich es nun hinterfragen und
entsprechend reagieren und handeln.
Aus
diesen Mustern auszusteigen, empfinde ich als sehr spannend und das
Leben bereichernd. Allerdings wurde ich dadurch für einige Mitmenschen,
die mich schon länger kennen, unberechenbarer, was mir hier und da
allerdings ein leichtes Schmunzeln verursachte, da ich wohl offensichtlich
nicht mehr in die Schublade passte, in die sie mich schon hineingesteckt
hatten.
Insgesamt habe ich dank der therapeutischen
Sitzungen, die mir immer neue Erkenntnisse gebracht haben, viel öfter ein
positives Lebensgefühl, versuche viel öfter, die Gegenwart und den Moment
dankbar zu genießen und positiv zu gestalten, habe Pläne für die Zukunft
und schaue viel weniger mit Wehmut in die Vergangenheit, die ich ja doch
nicht mehr ändern kann. |