Viele Patienten erwarten von einer
Psychotherapie "Patentlösungen", ähnlich wie man einem defekten Auto meist
eindeutige Lösungen parat hat. Leider oder Gott sei dank ist die
menschliche Psyche aber nicht wie ein mechanisches Gerät konstruiert, das
relativ eindeutigen Funktionsprinzipien folgt. Da Menschen lebendig und
komplex sind (selbst eineiige Zwillinge unterscheiden sich!), gibt es
selten eindeutige Lösungen. Es kommt hinzu, dass der Therapeut auch ein
"lebendiges System" ist, das seinerseits vom Patienten beeinflusst wird.
"Therapie" ähnelt daher eher einem Team-Prozess, von dem alle Beteiligten
profitieren und bei dem es darum geht, die vereinbarten Ziele gemeinsam
anzustreben.
Wer von Geburt an oder aufgrund eines
Unfalls behindert ist (etwa weil ihm eine Gliedmaße fehlt oder er
dauerhaft gelähmt ist), akzeptiert oft schneller ein solches "Schicksal"
als Menschen, die unter seelischen Problemen leiden. Bei letzterem
begegnet man oft einem "Machbarkeitswahn". Vermutlich liegt diesem
manchmal die Vorstellung zugrunde "Mit genügend Anstrengung" lässt sich
jedes seelische Problem lösen. Eine solche Einstellung verkennt, dass es
auch im Gehirn relativ "feste Verdrahtungen" gibt, die sich eben nicht
ohne weiteres lösen oder "umprogrammieren" lassen. Dies gilt besonders für
solche Denk-, Verhaltens- und Erlebensmuster, deren Prägung sehr früh im
Leben erfolgte und/oder mit starken emotionalen Erfahrungen einherging
("Temperament", "Persönlichkeit"). |