Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

E-Mail: kontakt@dr-mueck.de (Keine Beratungen per Telefon oder E-Mail!) - Gerne können Sie diese Seite verlinken!

 

Web www.dr-mueck.de

Home
Nach oben
Impressum/Vorwort
Stichwortverzeichnis
Neues auf dieser Website
Angst / Phobie
Depression + Trauer
Scham / Sozialphobie
Essstörungen
Stress + Entspannung
Beziehung / Partnerschaft
Kommunikationshilfen
Emotionskompetenz
Selbstregulation
Sucht / Abhängigkeit
Fähigkeiten / Stärken
Denkhilfen
Gesundheitskompetenzen
Selbsthilfe+Gesundheitstipps
Krisenintervention
Therapeuten-Suche
Über die Praxis Dr. Mück
Konzept+Methoden
Erfahrungsberichte
Lexikon/Häufige Fragen
Innovationen / Praxisforschung
Wissenschaftsinformationen
Gesundheitspolitik
Infos auf Russisch
English Version
 

 

"Internetgestützte Psychotherapie" Beispiel 17

57-jährige Patientin mit anhaltender depressiver Verstimmung ("Dysthymie")

Sie schreibt: Da ich in mündlichen Gesprächen oft nicht auf der Höhe meiner Möglichkeiten bin, fand ich es segensreich, mich zusätzlich schriftlich, per E-Mail, ausdrücken zu dürfen. Hinzu kam, dass ich in manchem langsamer bin, ich Zeit brauche, um überhaupt in die Therapiestunde hineinzufinden und zu mir zu kommen. Diese knappe Stunde ist eigentlich zu kurz für mich, ich fühle mich unter Zeitdruck, was wiederum der Konzentration abträglich ist.

   Nach den Sitzungen, auch mithilfe Ihrer konkreten, schriftlichen Rückmeldungen in den „Trainings- und Entwicklungstipps“, habe ich mir noch einmal die Therapiestunde und das, was sie in mir an Fragen, Erkenntnissen und Gefühlen ausgelöst hat, nun aus der Distanz heraus, vergegenwärtigen können. Durch die eigene schriftliche Fixierung war ich imstande, Versäumtes, Unausgesprochenes auszusprechen, Missverständliches aufzulösen, einiges zu ergänzen, das Ganze zu strukturieren und damit Klarheit zu gewinnen.

   Dass ich nicht nur für mich geschrieben habe, sondern an einen Adressaten, erwies sich in dreierlei Hinsicht als sehr hilfreich: Ich hatte mich a) möglichst kurz zu halten, mich auf das Wesentliche zu beschränken, um Sie nicht mit einem endlosen, unausgegorenen Text zu überfordern, den Sie schließlich in Ihrer Freizeit lesen und beantworten mussten. Das schützte mich davor, mich wie früher ausufernd mit dem jeweiligen Thema zu befassen, mich zu verzetteln und im „Chaos“ zu ertrinken. b) Ich wollte mich klar und präzise ausdrücken, damit Sie als Außenstehender mich verstehen konnten, was wiederum mein eigenes Verstehen positiv beeinflusste. c) Für Sie als Therapeut sind solche Rückmeldungen ebenfalls nützlich, nicht nur, was zusätzliche Informationen betrifft. Auch Sie machen sich Notizen während der Sitzung, um später ggf. darüber nachdenken, darauf zurückkommen zu können. Klienten haben diese Möglichkeit während der Therapiesitzung nicht, sie wären ohnehin nicht fähig dazu, sind sie doch gerade zu nah dran an ihren Problemen und Gefühlen, was ja auch erwünscht ist. Schriftliches von Klienten kann aber zusätzlich erhellend sein. Besonders Rückmeldungen aus der Distanz heraus, denn die sind noch einmal anders als die während der Therapiestunde: Sie vervollständigen das Bild, den Eindruck. Und: Ihre schriftliche Antwort an mich hatte ein besonderes Gewicht, prägte sich mir stärker ein als manches Mündliche. Zudem hatte ich durch die schriftliche Kommunikation per E-Mail bei Bedarf auch außerhalb der Therapiestunden einen kompetenten Ansprechpartner, fühlte mich dadurch in permanentem Kontakt und nicht allein gelassen.

In einer früheren Therapie tauchten meine fruchtbarsten Gedanken, Erkenntnisse, Gefühle oft in der Zeit zwischen den Therapiesitzungen auf. Ich notierte sie mir direkt, damit sie nicht teilweise wieder untergingen, denn ich hätte sie bei der nächsten Sitzung – mündlich – nicht mehr so vollständig, zutreffend und klar artikulieren können. Also schickte ich sie ab und zu meinem Therapeuten: Mit schlechtem Gewissen, weil so etwas nicht üblich war und ich nicht mehr Raum beanspruchen wollte als andere Klienten. Gleichzeitig jedoch fand ich es für den weiteren Hergang der Therapie wichtig, ihm diese Informationen und Rückmeldungen zukommen zu lassen. Jede dieser Mitteilungen sollte die letzte sein, dementsprechend ausführlich und elend lang wurde dann die jeweils „letzte“ unter dem Druck dieses Anspruchs an mich selbst, was mein schlechtes Gewissen verstärkte. Deshalb schickte ich später die meisten nicht mehr ab.

   Hätte auch schriftliche Kommunikation zur Therapie gehört, wäre das eine positive Ergänzung zur mündlichen Sitzung gewesen. Ich hätte mich auf das Wesentliche beschränken können: Es wäre nicht das „letzte Mal“ gewesen, wo ich dem Therapeuten hätte schreiben dürfen, nein, es wäre sogar erwünscht gewesen, dass ich mich bei Bedarf äußere, – was den Druck von mir genommen hätte.

Der Mensch ist nicht nur der, der einem gegenübersitzt und sich mehr oder weniger zeigt. Der Mensch ist auch der, der er mit sich alleine ist: Gerade wenn er mit sich allein ist, unverkrampft, ohne ein Gesicht für andere, ganz bei sich, ist er am meisten er selbst. Diesen Menschen lernt ein Therapeut nicht kennen.

   Schriftliches ist ein Fenster in diesen Menschen hinein. Besonders in Menschen, deren Schwäche das Mündliche, deren Stärke das Schriftliche ist.

   Zudem versuchen gerade viele Leute mit psychischen Problemen sich das, was sie belastet, von der Seele zu schreiben, sofort im akuten Stadium. Diese Seite ihrer Klientel bekommen Therapeuten nur selten zu sehen: Nur wenn sie es sich zeitlich leisten können und wollen, sich dafür zu öffnen und darauf einzugehen – und das in ihrer Freizeit! Niemand kann dies von ihnen erwarten. Und wer sich das als Therapeut selber auferlegt, um gezielter helfen zu können, beutet sich aus, wird sich bald ausgebrannt fühlen und es wieder aufgeben müssen aus Selbstschutz heraus.

   Eine Vergütung für diese zusätzliche Hilfe durch die Krankenkassen bietet sich also an, denn sie hat in der Arbeitszeit zu erfolgen, nicht in der Freizeit. Hier geht es nicht nur um eine gerechte Bezahlung für Arbeit. Ich bin davon überzeugt, dass die Ergänzung durch die schriftliche Kommunikation den Heilungsprozess beschleunigen kann, bleiben die Klienten dann doch auch zwischen den Therapiestunden aktiv, was vielen durch die Ablenkungen des Alltags vermutlich schwer fällt.