Bitte nutzen Sie das Angebot der "Kennenlern-Sitzungen"
dazu, sich in Ruhe darüber klar zu werden, ob Sie in mir einen geeigneten
Therapeuten gefunden haben. Manchmal ist es hilfreicher, eine Frau
anstelle eines Mannes als Behandler aufzusuchen. Es ist also in Ordnung,
wenn Sie einen oder sogar mehrere weitere Therapeuten vor Ihrer endgültigen
Entscheidung kennen lernen möchten. Auch bei einer einmal begonnenen
Therapie werden wir in regelmäßigen Abständen immer wieder überprüfen,
ob die Psychotherapie weiterhin für Sie von Nutzen ist und welche Erfolge
Sie bereits erzielt haben („Qualitätskontrolle“).
Die in der Überschrift enthaltende Frage wird mir insbesondere immer wieder in E-Mails von solchen Interessenten
gestellt, die weiter weg wohnen oder keine Aussicht auf einen freien
Therapieplatz in meiner Praxis haben. Hier antworte ich in der Regel mit
dem Grundsatz: Für den Erfolg einer Therapie ist nicht nur die angewandte
Methode wichtig, sondern vor allem auch das Verhältnis zwischen dem
Patienten und seinem Therapeuten. Ob dieses von dem erforderlichen
Vertrauen geprägt sein wird, lässt sich immer nur durch Ausprobieren
beurteilen. Dafür sieht unser Gesundheitswesen „probatorische Sitzungen“
vor. Dieses Vorgehen bleibt keinem Interessenten erspart. Hier sollte man
es sich auch nicht bequem machen: Wer sich einer komplizierten
Gehirnoperation unterziehen will, macht sich in der Regel auch die Mühe,
möglichst viele Informationen über den Operateur zu ermitteln. Die
Arbeit an der eigenen Persönlichkeit ist eine nicht weniger gravierende
Behandlung, bei der man sorgfältig prüfen sollte, wem man sich anvertraut.
Meinen Patienten räume ich in Erstgesprächen
IMMER die ausdrückliche Möglichkeit ein, auch mich zu befragen. Machen
auch Sie von dieser Möglichkeit unbedingt Gebrauch! Wenn ein Therapeut auf Ihre
Fragen abweisend, verstört oder verärgert reagieren sollte, hat sich Ihr
Fragen auf jeden Fall gelohnt: Diesen Therapeuten würde ich an Ihrer
Stelle von der Liste geeigneter Behandler streichen.
Erfahrene Therapeuten weisen darauf hin, dass
nicht immer derjenige Therapeut am besten geeignet ist, bei dem man sich
"rundum zu Hause fühlt". Aufgabe eines Therapeuten ist es nämlich, Sie
auch zu neuem Verhalten herauszufordern. Wenn Sie beim Erstkontakt spüren,
dass der Therapeut in dieser Hinsicht durchaus "unbequem" werden kann, und
Sie selbst dadurch etwas aufgeregt sind, ist dies ein möglicher Hinweis
darauf, dass Sie gute Aussichten haben, sich mit seiner Hilfe
weiterzuentwickeln.
Ein Therapeut kann ein brillianter Methodiker
sein, wenn Sie mit ihm menschlich nicht gut zurechtkommen, wird die
Qualität Ihrer Zusammenarbeit immer darunter leiden. Auch für den Verlauf
einer Therapie gilt der bewährte Grundsatz: Wenn es in der Beziehung
zwischen Patient und Therapeut zu "Unstimmigkeiten" kommt, haben diese
grundsätzlich Vorrang. Sie sollten also baldmöglichst geklärt werden, "bevor zur
Tagesordnung übergegangen wird". Letzteres ist deswegen besonders
bedeutsam, weil ein großer Teil (wenn nicht sogar der überwiegende Teil!)
seelischer Probleme insbesondere auch auf "Beziehungsstörungen" beruht.
Das gilt insbesondere für sog. Persönlichkeitsstörungen. Fast immer
lohnt sich daher die Frage an den Therapeuten, ob er denn auch "an
und mit der
Beziehung arbeitet".
Bislang werden die Kosten für eine
Psychotherapie nur für drei seit längerem anerkannte Verfahren übernommen:
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie und
Psychoanalyse. Für einige Problemstellungen gibt es Empfehlungen für ein
bestimmtes Verfahren, weil dazu oft schon viele wissenschaftliche Studien
vorliegen, die den besonderen Nutzen dieses Verfahrens bestätigen (z.B.
Verhaltenstherapie bei Phobien). Bei anderen Angststörungen (etwa wenn sie
in einer "selbstunsicheren Persönlichkeit" begründet sind) können wiederum
andere Verfahren hilfreicher sein, sofern sich der Therapeut damit
ausreichend auskennt. Auf eine klare Trennung zwischen den Verfahren legen
in aller Regel nur die Versicherungen und junge
Psychotherapie-Berufsanfänger Wert . Erfahrene Therapeuten nutzen im
Interesse ihres Klienten meist Elemente aus allen verfügbaren Methoden,
wenn diese dem Patienten schnell und nachhaltig helfen. Schon seit
geraumer Zeit geht daher der Trend zu einer "einheitlichen
Psychotherapie", deren Anerkennung allerdings noch lange auf sich warten
lassen wird. Immerhin gibt es schon anerkannte psychotherapeutische
Lehrbücher, die sich insbesondere um eine Verbindung von
tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie bemühen (z. B. "Praxis der
Psychotherapie. Ein integratives Lehrbuch. Herausgeber: Wolfgang Senf &
Michael Broda. 3. Auflage Thieme 2005). In ihren Anträgen an gesetzliche
und private Krankenversicherungen müssen sich alle Therapeuten nach wie
vor auf ein Verfahren festlegen und ihre Begründung immer
"verfahrenskonform" formulieren. Geschieht dies nicht, werden die Anträge
abgelehnt.
Da Ihre Probleme nicht immer von Anfang an
"glasklar" sein werden, lässt sich auch unter diesem Gesichtspunkt im
Vorfeld nicht immer eine klare Empfehlung aussprechen. Probieren geht über
Studieren, sagt schon der Volksmund, wozu ja die erwähnten probatorischen
Sitzungen dienen. Schöpfen Sie diese unbedingt aus. Sie können auch bei
mehreren Therapeuten bis zu 5 Probestunden buchen. Versicherungen,
insbesondere Beihilfestellen machen hier gelegentlich Schwierigkeiten,
weil z.B. in den Beihilfevorschriften meist nur die Rede von "5
probatorischen Sitzungen" ist. Die betreffenden Kostenträger stellen sich
dann auf den Standpunkt, dass es sich um eine Gesamtzahl handelt und nicht
darum, dass man pro "ausprobiertem" Therapeuten bis zu 5 finanzierte
Sitzungen beanspruchen darf. Diese Auslegung widerspricht jedoch dem Sinn
der Vorschriften. Denn wenn ein Patient (oder der Therapeut, er hat auch
das Recht "nein" zu sagen) erst nach 5 probatorischen Sitzungen zu dem
Ergebnis kommt, dass beide Partner doch nicht zueinander passen, hätte der
Patient keinerlei weitere Chancen mehr, einen neuen Therapeuten kennen zu
lernen.
Auch wenn eine Therapie beantragt und begonnen
wurde, kann sie unterbrochen und bei einem anderen Therapeuten fortgeführt
werden. Das muss nicht unbedingt an einer unbefriedigenden Zusammenarbeit
liegen, auch ein Umzug kann einen Therapeutenwechsel erforderlich
machen. Gelegentlich übertragen Versicherungen die nicht verbrauchten
Stunden auf den neuen Therapeuten, ohne dass eine erneute Prüfung des
Falles vorgenommen wird - doch dürfte dies eher die Ausnahme sein. In der
Regel muss bei einem Therapeutenwechsel meist ein komplett neuer Antrag
erstellt werden, der dann zusätzlich von einem Gutachter überprüft wird.
Ein Therapeutenwechsel kann auch dann sinnvoll sein, wenn sich
herausstellt, dass sich das gewählte Verfahren doch nicht eignet (z.B.
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) und ein anderes mehr
Aussicht auf Erfolg verspricht (z. B. Verhaltenstherapie). Man spricht
dann von einem "Verfahrenswechsel", der ebenfalls von einem Gutachter
genehmigt werden muss. Fazit: Sie bleiben nicht dauerhaft auf einen Therapeuten festgelegt,
allerdings ist ein Wechsel des Therapeuten während einer laufenden
Behandlung mit einem größeren formalen Aufwand verbunden.
Bei manchen Privatversicherungen sehen die
Verträge vor, dass pro Kalenderjahr lediglich eine bestimmte Zahl von
Psychotherapiesitzungen bezahlt wird (z.B. 20 oder 30 Sitzungen). Zwischen
probatorischen und regulären Sitzungen wird dann meist kein Unterschied
gemacht. Wer also in einem solchen Fall mehrere Therapeuten mit jeweils 5
probatorischen Sitzungen "ausprobiert", verbraucht allein dadurch
möglicherweise schon sein gesamtes "Jahreskontingent" und muss mit der
eigentlichen Therapie dann bis zum nächsten Jahr warten oder die Behandlung
selbst bezahlen.
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