fzm - Eine Krebsdiagnose löst bei den meisten Betroffenen Trauer, Sorge
und das Gefühl von Ohnmacht oder Hilflosigkeit aus. Dies ist normal.
Einige Menschen wirft die Diagnose Krebs jedoch völlig aus der Bahn. Sie
reagieren mit Depressionen und panischer Angst. Andere sondern sich von
ihren Mitmenschen ab oder fallen in eine Sinnkrise. Diesen Patienten
wollen psycho-onkologische Teams beistehen, die sich zumeist an
Universitätskliniken gebildet haben und in denen Psychotherapeuten,
Sozialpädagogen und auch Theologen sich gemeinsam mit den Krebsärzten um
den Patienten kümmern.
Dr. med. Pia Heußner leitet ein solches
Team am Klinikum Großhadern der Universität München. In der DMW
Deutschen Medizinischen Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
2005) beschreibt sie ihre Arbeit. Der "psycho-soziale Distress" ist für
Dr. Heußner das "6. Vitalzeichen" neben Puls, Blutdruck, Temperatur,
Atmung und Schmerz und muss ebenso wie diese regelmäßig gemessen werden.
Zu diesem Zweck haben US-Psycho-Onkologen ein "Distress-Thermometer"
entwickelt. Dort schätzt der Krebskranke sein Befinden auf einem
aufgezeichneten Thermometer selbst ein. Die Skala reicht von 0 ("gar
nicht belastet") bis 10 ("extrem belastet").
Eine erhöhte "Stress-Temperatur" ist für
die Psycho-Onkologen ein Anhaltspunkt für ein Distress-Syndoms und
Anlass für spezielle Behandlungsangebote. Dies können Einzelgespräche
oder Gruppensitzungen sein, in denen eine allgemeine Unterstützung
angeboten wird. Aber auch verschiedene Formen der Psychotherapie
Krisenintervention gehören dazu.
Die Psycho-Teams beziehen auch Ehepartner
und Familienmitglieder ein, da diese häufig unter der Veränderung der
Kranken zu leiden haben. Eine Krebserkrankung kann ganze Familien in
finanzielle Not stürzen, etwa wenn Familienangehörige, insbesondere
Kinder plötzlich ohne Versorgung dastehen, berichtet Dr. Heußner. Die
Psycho-Onkologen versuchen auch hier zu helfen. Die meisten Angebote
sind jedoch an den Krebskranken selbst gerichtet, der durch
Leseangebote, Musik- und Kunsttherapie Abstand von seiner Krankheit
gewinnen kann. Wichtig sind auch alternative Verfahren wie die
Muskelentspannung nach Jakobson, eine Atemtherapie, Qi-Gong, Yoga,
Meditation und natürlich auch die Seelsorge.
Dr. Heußner beklagt, dass Lebensqualität
und psychosoziale Belastungen der Patienten von vielen Ärzten zwar als
Wert erkannt würden, dass dieses Wissen aber zu selten in die Praxis
umgesetzt wird. Häufig würden die Ärzte erst reagieren, wenn die
Patienten in eine schwere Depression gefallen sind. Dann würden häufig
Medikamente verordnet. Besser wären frühzeitige Angebote, um zu
verhindern, dass es überhaupt zur Krise kommt, fordert Dr. Heußner.
P. Heußner, C. Riedner:
Pycho-sozialer Stress als Begleitsymptom der Krebserkrankung
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (38): 2155-2157 |