fzm, Stuttgart, November 2013 – Sport ist manchmal die beste Medizin.
Bei einigen Krankheiten ist körperliche Aktivität sogar wirksamer als
Medikamente, so schreibt ein renommierter Sportmediziner in der
Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart. 2013). Er regt an, bewegungsunwilligen Patienten
gegebenenfalls Sport per Rezept zu verordnen.
Für Professor Herbert Löllgen, niedergelassener Sportkardiologe aus
Remscheid, kann Sport wie ein Medikament verordnet werden: Wie bei einer
Arznei gebe es bestimmte Anwendungsgebiete, eine mit der Dosis steigende
Wirkung, aber auch Risiken und Nebenwirkungen. Für einige Patienten sei
Sport auch kontraindiziert, also nicht geeignet. Jeder Arzt, gleich
welcher Fachrichtung, sollte bei jedem Patientenkontakt auch nach
regelmäßiger körperlicher Aktivität fragen, fordert Professor Löllgen.
„Bewegungsmuffel“ sollten hierbei zu mehr Bewegung im Alltag motiviert
werden. Auch ein individuelles Rezept für Bewegung zur Therapie oder
Prävention einer Erkrankung sei möglich, setze aber eine eingehende
sportärztliche Untersuchung voraus, erklärt Professor Löllgen. Gefolgt
von einer individuellen Trainingsberatung erhielten die Patienten damit
eine gute Basis ihren Gesundheitszustand zu verbessern.
Nach Auskunft des Experten reichen schon zwei bis zweieinhalb Stunden
Sport in der Woche, um eine nachhaltige vorbeugende Wirkung zu erzielen.
Dies entspreche einer Walking- oder Jogging-Strecke von etwa 19
Kilometern. Wer mehr trainiert, verbessere zwar seine
Leistungsfähigkeit, die präventive Wirkung werde jedoch nicht
gleichermaßen gesteigert. Wichtig sei die Umstellung von Inaktivität auf
eine mäßige Aktivität. Sie bringt bei vielen Krankheiten die relativ
größte Verbesserung oder Risikominderung.
Für Sport gibt es viele Anwendungsgebiete, angefangen beim hohen
Blutdruck. In Studien hat körperliche Aktivität den oberen systolischen
Wert um fast vier mm Hg und den unteren diastolischen um etwa
zweieinhalb mm Hg gesenkt, berichtet der Sportkardiologe. Viele
Medikamente seien hier auch nicht besser wirksam. Durch die
Blutdrucksenkung beugt Sport langfristig Herzkreislauferkrankungen vor.
Doch auch Menschen, die bereits an Herzinfarkt oder Schlaganfall
erkrankt sind, können und sollten Sport treiben. Professor Löllgen
erwähnt eine Studie, in der durch sehr intensives tägliches Training
über ein Jahr eine bessere Wirkung erzielt wurde als mit einer
Herzkatheterbehandlung und Einlage eines Stents in eine verengte
Herzkranzarterie. Langzeitergebnisse stünden allerdings noch aus.
Selbst Patienten mit Herzschwäche können durch Sport ihre Fitness
stärken und die Herzfunktion häufig verbessern. Und nach einem
Schlaganfall ist körperliches Training heute ein wichtiger Bestandteil
der Rehabilitation. Für Menschen mit arterieller Verschlusskrankheit
gibt es für Professor Löllgen kein besseres Mittel als regelmäßiges
Gehen, um die Durchblutung in den Beinarterien zu verbessern.
Auch bei Diabetes mellitus, ist regelmäßige Bewegung neben einer
Gewichtsabnahme schon lange ein unabdingbarer Bestandteil der Therapie.
Schon 15 min täglich waren in einer Studie mit einer Verminderung der
Gesamtsterblichkeit um 14 Prozent verbunden, berichtet der Experte. Aber
auch Patienten mit Nierenerkrankungen, Menschen mit Asthma und
chronischer obstruktiver Lungenkrankheit sowie Krebspatienten
profitieren von einem gewissen Sporttraining. Für den Mediziner ist
Sport nicht zuletzt ein „psychoaktives“ Medikament gegen Depressionen
und zur Steigerung der kognitiven Funktionen.
Neben einem Ausdauertraining – etwa 30 Minuten täglich an fünf Tagen in
der Woche - verordnen Sportmediziner wie Professor Löllgen ihren
Patienten heute auch ein Krafttraining. Es kann vor allem im Alter den
Abbau von Muskelmasse verhindern. Zweimal in der Woche sollten Senioren
Übungen zum Erhalt oder zur Verbesserung ihrer Muskelkraft durchführen-,
rät der Experte. Selbst wenn der Besuch im Fitnessstudio in der Regel
nicht kostenlos ist, gehört körperliche Bewegung zu den preiswerten
Mitteln, die anders als Tabletten auch eine Motivationskomponente haben.
Professor Löllgen: „Der Patient kann hier eigenverantwortlich etwas für
die eigene Gesundheit und Gesunderhaltung tun.“
H. Löllgen:
Bedeutung und Evidenz der körperlichen Aktivität zur Prävention und
Therapie von Erkrankungen
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2013; 138 (44); S. 2253–2259 |