Freiburg
(pte015/08.07.2011/12:05) - Zwangserkrankungen kommen häufiger vor als
landläufig angenommen. Zwei bis
drei Prozent der Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an zwanghaften
Störungen. Die Erkrankung ist in den letzten Jahren verstärkt in
den Aufmerksamkeitsfokus gerückt. Sie kann sich ganz unterschiedlich
äußern, etwa in Form von
Reinigungs- oder Waschzwängen, Kontrollzwängen, Wiederholungszwängen
sowie Zwangsgedanken mit aggressiven oder sexuellen Inhalten.
"Gemeinsame Kennzeichen einer Zwangserkrankung sind: aufdringliche, sich
wiederholende und unangenehme Gedanken, meist gefolgt von ritualisiertem
Verhalten", erklärt Nirmal Herbst, Psychologe am
Universitätsklinikum Freiburg im Gespräch mit pressetext.
Durch die
Zwangsgedanken werden bei den Betroffenen negative Gefühle
hervorgerufen. Die darauf folgenden Zwangshandlungen zielen darauf
ab, die Zwangsgedanken zu neutralisieren. "Man spricht dann von einer
Zwangserkrankung, wenn diese Gedanken oder Handlungen Leiden
verursachen", sagt Herbst. Eine Zwangserkrankung könne aber auch
entweder nur aus Zwangsgedanken oder nur aus Zwangshandlungen bestehen.
"Die Häufigkeit der Erkrankung unterscheidet sich nicht wesentlich
über verschiedene Kulturen, was als Hinweis einer genetischen Komponente
der Erkrankung gesehen wird", erklärt der Psychologe. Jedoch
variierten die Inhalte der Gedanken und Befürchtungen abhängig von der
äußeren Umgebung.
Schuld-
und Unzulänglichkeitsgefühle
Betroffene
leiden häufig an Schuld- und Unzulänglichkeitsgefühlen, deswegen wird
die Krankheit häufig vor anderen Personen verheimlicht. Dementsprechend
werden Zwangserkrankungen gerne auch als "verheimlichte Krankheit"
bezeichnet. "Zwangserkrankungen können erfolgreich therapiert werden",
sagt Herbst. Eine
psychotherapeutische Behandlung nach dem Konzept der Verhaltenstherapie
ist die Heilungsart der ersten Wahl. "Wenngleich eine
erfolgreiche Therapie existiert, ist diese häufig nicht verfügbar. Vor
einer Psychotherapie stehen oft sehr lange Wartezeiten. Aufgrund
regionaler Unterversorgungen müssen lange Entfernungen überwunden werden
oder die Hemmschwelle ist aufgrund starker Schamgefühle eingeschränkt",
erklärt der Experte.
Am
Universitätsklinikum Freiburg wird derzeit eine Internettherapie für
Zwangserkrankungen auf ihre Wirksamkeit untersucht. Studienteilnehmer
wurden aktiv gesucht. Das Programm "Zwänge Aktiv Konfrontieren" hat
insgesamt 40 Therapieplätze für Betroffene zur Verfügung. Interessierte
konnten sich über die Projekthomepage
http://www.zwaenge.uniklinik-freiburg.de
anmelden.
"Mit der
Internettherapie begeben wir uns in Freiburg auf Neuland", sagt Herbst.
Das Programm wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie überprüft,
die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Menschen
mit Zwangserkrankungen erhalten daher eine freiwillige und kostenlose
psychotherapeutische Behandlung. Therapeutische "Gespräche" erfolgen
hierbei ausschließlich in schriftlicher Form über das Internet. "Das
neue Angebot soll auch eine Lücke in der Versorgung von Zwangserkrankten
schließen", erklärt Herbst. |