Wien (pte012/20.02.2012/11:20) - Die
Therapie mit einem Spiegel hilft Bein- oder Armamputierten dabei,
chronische Phantomschmerzen zu verringern. Im Gehirn stimuliert diese
Behandlungsform neue Regionen, die ursprüngliche Zentren für Motorik
ersetzen, berichten Neurologen der Meduni Wien
http://meduniwien.ac.at/neurologie
im Fachmagazin "Fortschritt Röntgenstrahlen".
Illusions-Therapie
250.000 Amputierte leben derzeit alleine in
Deutschland, und die Zahl nimmt parallel zum Anstieg der Lebenserwartung
und der Diabetes-Fälle ständig zu. Drei von vier Arm- oder
Beinamputierten spüren im fehlenden Körperglied Kribbeln oder
elektrisierende Schmerzen, so genannte "Phantomschmerzen". "Die erste
Wahl sind hier Medikamente im Reha-Zentrum oder Spital, doch bei einem
beträchtlichen Anteil der Patienten gehen die Schmerzen nicht völlig
weg", berichtet Studienleiter Stefan Seidel im pressetext-Interview.
Die Wirkung einer zusätzlichen
Spiegeltherapie untersuchte Seidel bei acht Beinamputierten. In zwölf
Sitzungen innerhalb von drei Wochen bewegten die Probanden im Langsitz
das gesunde Bein, während ein Spiegel zwischen den Beinen vorgaukelte, auch das andere,
amputierte Bein sei noch vorhanden und bewege sich mit. "Ein Faktor des
Phantomschmerzes geht auf das Missverhältnis zurück, dass man das
verlorene Bein noch spürt, es aber nicht sieht. Hier setzt die
Spiegeltherapie an", erklärt der Forscher.
Heilung durch Umlernen
Erwartungsgemäß verringerte sich der
mittlere Schmerz im Verlauf der Therapie in der klinischen Messung
deutlich. Neue Ergebnisse lieferte zusätzlich die Messung der
Gehirntätigkeit per funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) vor
und nach der Behandlung.
Deutlich erhöht war nun die Aktivität im Stirn- und Schläfenlappen. Die
beiden Areale sind ursprünglich nicht primär für die Motorik zuständig,
sondern für Planung und Kontrolle von Bewegungen und Abläufen",
so Seidel.
Das lernfähige, plastische Gehirn erlaubt
somit, Schmerzwahrnehmung durch
Verschiebung der Aufgaben zwischen einzelnen Arealen zu verändern.
Das Alter des Patienten dürfte dabei keine wichtige Rolle spielen, wurde
der Effekt doch bei 30- und 70-jährigen Probanden gleichermaßen
beobachtet. "Allerdings verlief die veränderte Gehirnaktivität nicht bei
allen gleich. Wenn man das
Motor-Netzwerk durch Spiegeltherapie oder andere 'Mind-Body-Interventionen'
ganz individuell aktiviert und trainiert, treten deutlich weniger
Phantomschmerzen auf."
Prothese bringt Vorteile
Ein wichtiges Kriterium für die
Heilung von Phantomschmerzen ist auch der Gebrauch der Prothese.
Wiesbadener Forscher konnten 2009 erheben, dass der Schmerz umso eher
besiegt werden kann, je verschmolzener sich ein Patient mit der Prothese
fühlt (pressetext berichtete:
http://pressetext.com/news/20090827042
). Je öfter die Prothese getragen wird, desto eher verschwindet der
Schmerz, so auch der Eindruck des Wiener Neurologen. |