München (pte029/11.05.2012/13:59) -
Unsere Lebensstil und die innere Uhr passen immer weniger zusammen.
Folgen sind nicht nur die
Tagesmüdigkeit, sondern auch erhöhtes Risiko für Adipositas,
berichten Chronobiologen der Universität München
http://www.uni-muenchen.de
in der Online-Zeitschrift "Current Biology". "Unser 'sozialer Jetlag'
ist ein völlig übersehenes Syndrom der modernen Gesellschaft. Schlaf ist
keine Zeitverschwendung, sondern wesentliche Säule unserer Gesundheit",
betont Studienleiter Till Roenneberg im pressetext-Interview.
Dicker durch verstellte Uhr
80 Prozent der Bevölkerung westlicher Länder
sind vom "sozialen Jetlag" betroffen. Bei zwei Drittel beträgt diese
Zeitdifferenz mindestens eine Stunde an Werktagen, bei jedem Dritten
sogar zwei Stunden oder mehr, haben die Forscher erhoben. Sie
werteten dazu Daten zu Schlafmustern und Körpermaßen von 65.000 Personen
aus. Dabei zeigte sich auch: Je
stärker der "soziale Jetlag" ausfiel, desto eher waren die Menschen
übergewichtig. Dass die Schlaf und der Energiehaushalt des
Körpers zusammenhängen, weiß man aus früheren Studien.
Problem ist also nicht nur zu wenig Schlaf,
sondern auch zu frühes Aufstehen. so die Behauptung der Forscher. Denn immer mehr entwickeln sich
Menschen biologisch zum "Eulentyp", der morgens erst später in Schwung
kommt. Laut Roenneberg könnte das damit zusammenhängen, dass die
Zeit unter dem freien Himmel immer knapper wird. "Die innere Uhr verstellt sich,
da das schwache Innenraumlicht im Vergleich zur Sonne ein nur schwacher
Zeitgeber ist."
Wecker weckt zu früh
Das Ergebnis ist ein Effekt, der jenem des
Jetlags bei Zeitverschiebung gleicht. Als dessen Symptom bezeichnet der
Schlafexperte den Wecker, der eine relativ neue Facette des Menschseins
darstellt. "Der Wecker ist wie
der Kellner eines Restaurants, in dem man täglich exakt die
Nahrungsmenge vorgesetzt bekommt, die der Körper braucht. Man beginnt zu
essen, doch an jedem Werktag kommt der Kellner und serviert bereits dann ab, wenn
man noch gar nicht fertig gegessen hat", veranschaulicht der
Chronobiologe.
Auf diesem Teller verbleibt von Jahr zu Jahr
mehr zurück: Seit 2000 sank die
durchschnittliche Schlafenszeit an Wochentagen um 35 bis 40 Minuten, zeigte die Münchner Untersuchung. "Jährlich verlieren wir somit
bis zu vier Schlafminuten pro Nacht.
Im Vergleich zur Jugend von 1913 haben wir zwei Schlafstunden verloren.
Daran kann sich der Körper nicht anpassen - nicht einmal in 500 Jahren",
sagt Roenneberg. Am drastischsten ist der fehlende Schlaf sowie der
Jetlag heute im Jugendalter.
Alle sind Schichtarbeiter
Eine neue Denke über den Schlaf ist nötig,
fordert der Schlafforscher. "Die
verbreitete Meinung, dass man durch kürzeren Schlaf mehr Freizeit hat,
ist völlig falsch. Wer zehn Prozent länger schläft, gewinnt deutlich
über zehn Prozent an Lebensqualität sowie Freude in der Arbeit und
Freizeit. Denn Schlaf wirkt auf Körper, Geist und Seele des
Menschen, er hilft den vergangenen Tag zu verdauen und bereitet den
nächsten vor." Verkürzt man den Prozess, gelingt das nicht mehr
ausreichend - mit entsprechenden negativen Folgen.
Die Studienlage zu den Folgen von
chronischem Schlafentzug ist immer erdrückender: Der Alkohol-, Nikotin-
und Koffeinkonsum steigt ebenso wie das Gewicht, der allgemeine
Gesundheitszustand verschlechtert sich, zudem kennt man aus
Untersuchungen von Schichtarbeitern auch deutliche Einbußen bei
Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und Kommunikation, berichtet
Roenneberg. "Heute ist es ein allgemeines Phänomen: Wir sind längst alle
Dauerfrühschichtarbeiter."
Link zum Artikel unter
http://bit.ly/IMVERG
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