Wiesbaden (pte/27.08.2009/15:30)
- Je mehr sich Amputierte mit ihrer Prothese verschmolzen fühlen,
desto weniger leiden sie an Phantomschmerzen. Das ist das Ergebnis der
bisher größten europäischen Studie zum Thema, die Wiesbadner Forscher
in der Fachzeitschrift "Der Schmerz" publizierten. Sie befragten 500
Patienten mit Amputation und untersuchten, welche Faktoren zur
Ausprägung der Schmerzen im nicht mehr vorhandenen, amputierten
Körperteil führen. Die Wahrnehmung der Prothese scheint dabei allein
eine Rolle zu spielen, während man bei Geschlecht, Alter,
Medikamenteneinnahme und Gewicht keine Zusammenhänge feststellen
konnte. "Betroffene brauchen sich laut den Ergebnissen keinen Vorwurf
machen, dass sie aufgrund dieser Faktoren den Schmerz verspüren", erk
Der Phantomschmerz drückt sich in der
Regel durch Messerstich-artige, elektrisierende Schmerzen oder
Kribbeln im amputierten Körperglied aus. Drei von vier Arm- oder
Beinamputierten verspüren diesen Schmerz. Mehr als die Hälfte davon
leidet bis zu fünf Stunden täglich daran, 28 Prozent sogar Tag und
Nacht. Ein Leben ohne diesem Leiden gelingt am ehesten den Patienten,
die ihre Prothese als mit ihrem Körper verschmolzen wahrnehmen. Was
dazu nötig ist, wird derzeit in Folgestudien erforscht. "Eine
Hypothese besagt, dass die Plastizität des Gehirns eine Rolle spielt.
Demnach können junge Menschen Fehlfunktionen eher ausgleichen als
alte. Eine andere Annahme geht davon aus, dass die Verschmelzung umso
besser gelingt, je häufiger die Betroffenen die Prothese tragen",
erklärt Kern. Die bisherige Empfehlung, die Prothese häufig zu nützen
und bei Hemmungen psychische Unterstützung zu bieten, habe sich durch
die Ergebnisse jedoch bestätigt.
Außerdem sind viele Amputierte - 62 Prozent - auch von Schlafstörungen
geplagt, wobei dies besonders bei Menschen mit Phantomschmerzen der
Fall ist. "Schlechter Schlaf ist bei Schmerzpatienten allgemein ein
Thema, wobei sich ebenso die Schlafqualität auf das Schmerzempfinden
auswirkt. Überraschenderweise werden Patienten auch aufgrund von
Phantomschmerzen aus dem Schlaf geweckt. Das steht im Gegensatz zur
Annahme, dass dieser Schmerz allein im Kopf entsteht, da die Psyche
nachts ja ausgeschaltet ist", berichtet Kern. Wie dieses Phänomen
trotzdem zustande kommen kann, könne erst durch Forschungen im
Schlaflabor ermittelt werden. Bisher unerklärt ist auch die
Beobachtung der Studie, dass Patienten ihr Phantomglied ganz
unterschiedlich wahrnehmen, wobei die Empfindung warm und kalt ebenso
wie nackt und bekleidet vorkommt.
Wenngleich die Forschung rund um den Phantomschmerz noch wenig
fortgeschritten ist, betrifft das Thema eine immer größer werdende
Patientengruppe. "Allein in Deutschland leben derzeit rund 250.000
Amputierte und über 25.000 kommen pro Jahr hinzu. Dieser immer
stärkere Anstieg geht vor allem auf die höhere Lebenserwartung und auf
die Zunahme von Menschen mit Diabetes zurück", so der
Schmerzspezialist. (Ende)
Quelle: Pressetext.de