Amsterdam/Hünenberg
(pte143/12.08.2011/12:20) -
Narzissten führen Arbeitsteams zu objektiv schlechten Ergebnissen.
Das beweisen holländische Forscher in der Zeitschrift "Psychological
Science". "Menschen glauben, dass Narzissten aufgrund ihres
Selbstwertes, Selbstvertrauens und Dominanz gute Führungskräfte sind.
Doch genau das Gegenteil ist der Fall", so Studienleiterin Barbora
Nevicka von der Universität Amsterdam
http://www.uva.nl
.
Gutes Feedback, miese Ergebnisse
Die Forscher stellten 150 Versuchspersonen
die Aufgabe, jeweils in Dreiergruppen über die Anstellung fiktiver
Bewerber zu entscheiden. Jeder sollte mitbestimmen, wobei einer nach dem
Zufallsprinzip zum Gruppenleiter ernannt wurde und die Verantwortung für
den Entscheidungsprozess trug. Einige der insgesamt 45 Informationen zu
jedem Kandidaten wurden teils allen in der Gruppe mitgeteilt, einige nur
jeweils einem Mitglied. Um den optimalen Kandidaten zu finden, war die
gesamte Information nötig.
Nachdem man den Gruppenleiter per Fragebogen
hinsichtlich seiner narzisstischen Veranlagung getestet und auch die
anderen Gruppenmitglieder über ihn befragt hatte, zeigte sich ein
interessantes Bild:
Narzisstische Gruppenleiter wurden als besonders erfolgreich bewertet,
lieferten aber gleichzeitig die schlechtesten Lösungen der
Bewerbungs-Aufgabe. "Narzissten wirken sich schlecht auf die Leistung
eines Teams aus. Durch ihre Ego-Zentriertheit und Dominanz verhindern
sie die Kommunikation", so die Forscher.
Geblendete Entscheider
Eine Erkenntnis, die bei Personaltrainern
kaum für Verwunderung sorgt.
"Typische Narzissten sprechen lange, predigen gerne und meiden es,
Fragen zu stellen oder gar anderen zuzuhören. Sie reagieren allergisch
auf Kritik und Vorbehalte und gehen kaum auf alternative Vorschläge ein.
Lässt man ihrem Größenwahn freien Lauf, kann das zu Katastrophen führen,
wie das Beispiel der Hypo Real Estate zeigt", berichtet der Therapeut
und Unternehmenscoach Werner Berschneider, Autor des Buches "Wenn Macht
krank macht", gegenüber pressetext.
Viele Führungsetagen sind von Narzissten
besetzt, betont der Experte. Und das, obwohl sich Personaler in der
Regel vor grandiosen, skrupellosen Narzissten hüten. Weit häufiger sei
jedoch der Typ des sozial gut angepassten Narzissten, der anfangs sehr
angenehm wirkt, später aber - Studien zufolge bei der siebten Begegnung
- seine rein egoistische Veranlagung durchgehen lässt. "Er punktet oft,
da er mit Eloquenz und Perfektionismus überzeugt und sich gut verkauft.
Insgesamt schadet seine Haltung jedoch dem Unternehmen", so Berschneider.
Rechtzeitig Bremse ziehen
Ist es nicht gelungen, präventiv bei der
Personaleinstellung auf die Persönlichkeit zu achten, sind
Schutzmechanismen nötig. "In großen Unternehmen ist es
Aufgabe des Aufsichtsrates, Narzissten in Top-Positionen zu zügeln und
notfalls abzusetzen. Ein Warnhinweis kann sein, dass die Kommunikation
der Vorstandsmitglieder miteinander oder mit der nächsten Ebene falsch
läuft", so der Experte. Der Einsatz von Mediatoren oder
Moderatoren, die Konferenzen begleiten und das Kommunikationsverhalten
strukturieren, sei ein gängiges Mittel.
"Manche Psychotherapeuten bezeichnen
Narzissmus als die schwierigste Störung. Aufgeben sollte man Betroffene
jedoch nie", betont Berschneider. Die beste Chance für Narzissten zur
eigenen Kehrtwende bringe oft der Leidensdruck bei Problemen mit Partner
oder Kindern. Auch die eigene Alterung ist ihnen unerträglich, da die
Grandiosität am Spiel steht, wenn Potenz und Schönheit ihren Zenit
überschritten haben. "Narzissten sollten vorbeugen, damit das Leben
nicht mit totalem Rückzug, Realitätsverlust oder Selbstmord endet.
Wichtig ist dabei es rechtzeitig zu sehen, wenn nur noch Claqueure und
beruflicher Erfolg Selbstwert einbringen." |