Potsdam (pte/15.07.2009/06:00)
- Die Herzen von Schwangeren und ihren ungeborenen Kindern schlagen
zeitweise synchron. Dieses Verhalten wird maßgeblich vom Atemrhythmus
der Mutter beeinflusst. Zu diesem Schluss kommt ein internationales
Forscherteam im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of
Sciences" PNAS. Das mathematische Verfahren zum Auffinden solcher so
genannter Synchronisationsepochen könnte etwa dazu eingesetzt werden,
Komplikationen während der Schwangerschaft frühzeitig zu erkennen. Das
Verfahren eigne sich aber auch zur Analyse weiterer komplexer Muster,
wie etwa im globalen Klimasystem.
Das häufiger beschriebene Gefühl einer Mutter für den Zustand ihres
ungeborenen Kinds könnte zum Teil auf der Synchronisation des
Herzschlags beruhen", so Studien-Co-Autor Jürgen Kurths vom
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
http://www.pik-potsdam.de
gegenüber pressetext. Gemeinsam mit Peter van Leeuwen und Dietrich
Grönemeyer vom Lehrstuhl für Radiologie und Mikrotherapie der
Universität Witten/Herdecke hat Kurths einen Algorithmus entwickelt,
um das synchrone Verhalten in den Messdaten identifizieren zu können.
"Wir haben damit einen mathematischen Ansatz gefunden, mit dem man die
bislang wenig erforschte Wechselwirkung zwischen teils eng
verbundenen, teils aber unabhängigen physiologischen Systemen
untersuchen kann", erklärt der theoretische Physiker. Erste Hinweise
auf eine solche Synchronisation habe man bereits vor zehn Jahren im
menschlichen Organismus zwischen dem Herzen und der Atmung gefunden.
"Der besondere Clou an der Geschichte ist, dass solche
Synchronisationsepochen des Herzschlags von Mutter und Ungeborenem
deutlich häufiger feststellbar sind, wenn die Mutter einen schnelleren
Atemrhythmus hat", so Kurths. Das synchrone Verhalten bestehe in
vielen Fällen nicht in einem gleichen Herzrhythmus, sondern einem
festen Verhältnis der Herzfrequenz des Kindes zur Herzfrequenz der
Mutter von beispielsweise vier zu drei oder drei zu zwei. "Damit
konnten wir zeigen, dass sich die Herz-Kreislaufysteme von Mutter und
Kind gegenseitig beeinflussen." Für die Untersuchung wurden sechs in
der 34. bis 40. Woche Schwangere mit einem Magnetokardiographen
untersucht. "Dieses spannende Ergebnis zeigt die Bedeutung von
interdisziplinären Teams in der Medizin", meint Grönemeyer, der seit
Jahren die fachübergreifende Zusammenarbeit von Ärzten, Ingenieuren,
Mathematikern sowie Natur- und Geisteswissenschaftlern in seinem
Lehrstuhl praktiziert. Das Verfahren könnte Aufschluss über die
vorgeburtliche Entwicklung des Herz-Kreislauf- und möglicherweise auch
des Nervensystems des Ungeborenen geben und damit Hinweise auf etwaige
Erkrankungen geben.
"Die Anwendungsbereiche für diese Analyse sind vielfältig", betont
Kurths. So könne man etwa nach diesem Ansatz Teleconnections im
Klimasystem untersuchen. Dabei handelt es sich um schwache, aber
räumlich und zeitlich weit reichende Wechselwirkungen wie sie zum
Beispiel zwischen dem Klimaphänomen El Niño im östlichen Pazifik und
dem Monsun in Indien auftreten. "Die Suche nach Synchronisation
zwischen diesen Phänomenen liefert Aufschluss über die Art ihrer
Kopplung", so der Forscher, der davon überzeugt ist, dass es sehr viel
mehr Beispiele für Synchronisation gebe. "Synchronisation kann überall
auftreten, wo zwei komplexe Systeme miteinander verbunden sind", sagt
Kurths. Das Phänomen könne als "Gefühl" eines dynamischen Systems für
die Anwesenheit eines anderen beschrieben werden. Synchronisation
bestimme, wie die Systeme aufeinander und auf äußere Einflüsse
reagieren. "Ein weiteres Anwendungsfeld ist zum Beispiel der
Biodiversitätsverlust durch Landnutzung", sagt Kurths. Möglicherweise
könne man mit der Analyse-Methode auch aufzeigen, warum oder ab wann
die Fragmentierung natürlicher Lebensräume etwa durch Straßen oder
Plantagen sich so negativ auf den Artenreichtum eines Ökosystems
auswirkt. (Ende)
Quelle: Pressetext.de