Rom/Berlin (pte/06.06.2008/13:55) - Die meisten Menschen glauben, dass
Lebensmittelsendungen eine gute Idee zur Bekämpfung von Hunger und
Armut sind. Experten des World Food Programme WFP
http://www.wfp.org
haben nun aufgezeigt, dass Nahrungsmittelspenden oft ein Schritt in
die falsche Richtung sind. "Wenn es viel Mehl gratis am Markt gibt,
bleiben lokale Bauern nämlich auf ihrem eigenen Mehl sitzen und
verdienen damit kein Geld", berichtet das Wissenschaftsmagazin New
Scientist.
"Wir bekommen derzeit 80 Prozent unserer Lebensmittelhilfen aus
Entwicklungsländern", erklärt Josette Sheeran, Chefin des WFP. Gaben
vor knapp zehn Jahren Industrieländer überschüssiges Getreide als
Spenden, gibt es heute Geld für den WFP, um Nahrung zu kaufen. Mit
Ausnahme der USA, die immer noch darauf bestehen, dass mit dem Geld
ausschließlich US-Getreide gekauft wird, kauft das WFP Nahrungsmittel
von lokalen Bauern, um das Wirtschaftssystem auch in
krisengeschüttelten Regionen aufrecht zu erhalten. "Neu ist dieses
Problem ja nicht", meint Ute Sprenger, Publizistin und Beraterin für
politische Ökologie und internationale Entwicklung, im
pressetext-Interview. Das seien Dinge, die uns seit Jahren
beschäftigen und die einfach deutlich machen, dass es eben keinen
einheitlichen Lösungsansatz für Nahrungsprobleme und Hunger gibt. "Wir
müssen uns von dieser Idee des Silver Bullet ein für alle mal
verabschieden."
Sheeran erklärt, dass das WFP beim Kauf von Nahrungsmitteln mehr
Geduld und Aufwand auf sich nimmt als herkömmliche Einkäufer und zudem
direkt vom Hersteller und nicht über Mittelsmänner beziehe. "Wir
kaufen beispielsweise Salz von 7.000 Produzenten in senegalesischen
Dörfern und von Kleinbauern in Lesotho und der Demokratischen Republik
Kongo, die sonst keine Möglichkeit hätten, ihre Waren auf den Markt zu
bringen." Wenn die Ursache des Hungers Marktversagen und nicht äußere
Einflüsse wie Fehlernten ist, sei es klüger Menschen Geld zum
Nahrungskauf zu geben, da sonst die bäuerliche Struktur völlig aus dem
Gleichgewicht gerate. Das gelte auch für die derzeitige Situation in
Burma.
Der WFP setzt stark auf die Unterstützung der Bill Gates Foundation.
"Wir gehen zu Bauern hin und sagen, wenn du 10.000 Tonnen von diesem
Produkt liefern kannst, zahlen wir dir diesen Preis. Dann können sie
sich die Bauern selbst organisieren. Sie erhalten dann Kredite zum
Kauf von Dünger und anderen notwendigen Gütern", erklärt Sheeran. Für
Sprenger ist dieser Denkansatz allerdings nicht nachvollziehbar.
Aktivitäten der Gates-Stiftung knüpfen nicht daran an, die lokale
Landwirtschaft zu stärken, sondern bedeuten eine neue Falle. "Das
ebnet erneut den Weg in die Abhängigkeit, weil es sich um keine an die
Gegebenheiten vor Ort angepasste Lösung handelt, sondern um einen
Lösungsansatz, der einmal mehr von außen kommt", kritisiert Sprenger.
Um die Welt satt zu machen bedürfe es einer Vielzahl von verschiedenen
und an lokale Gegebenheiten angepasste Lösungen, betont Sprenger. Der
Weltagrarrat (IAASTD)
http://www.agassessment.org,
dem mehr als 400 Forscher aus verschiedenen Disziplinen angehören,
habe sich mit Problemlösungen dieser Art beschäftigt und sei im April
2008 mit einem Bericht an die Öffentlichkeit getreten, der zum Schluss
kommt, dass das alte Paradigma einer industriellen Landwirtschaft mit
hohem Energie- und Chemikalieneinsatz nicht mehr zeitgemäß sei. "Die
volle Einbeziehung lokalen und indigenen Wissens, die Stärkung von
Frauen, die die Hauptlast landwirtschaftlicher Arbeit in den
Entwicklungsländern tragen, und ein Forschungsschwerpunkt auf
kleinbäuerlichen und agro-ökologische Anbaumethoden sind wesentliche
Elemente einer Landwirtschaft, die den Weg aus der derzeitigen Krise
weisen." Der Bericht betont auch, dass die Landwirtschaft kein
Produktionssystem wie jedes andere sei, sondern seine Funktionen für
Natur und Gesellschaft ebenso wichtig sind. "Staaten und Gemeinden
müssen demokratisch und souverän ihre Ernährungs- und
Landwirtschaftspolitik selbst bestimmen." Der Bericht komme auch zum
Schluss, dass die kleinsten Landwirte die größten Verlierer des
Weltmarktes sind. (Ende)
Quelle: Pressetext.de