So können neue Informationen und
Eindrücke verarbeitet werden. Bisher war zwar bekannt, dass das
Durchdenken einer neuen Situation auch die zeitweilige Unterdrückung
unwichtiger Informationen erfordert, wie die dafür notwendigen
Synapsen jedoch entstehen, was bisher vollkommen unklar. Diese Frage
konnten die Martinsrieder Forscher nun beantworten. „Hemmende Synapsen
regeln den Informationsfluss im Gehirn ähnlich wie rote Ampeln in
einem Verkehrsleitsystem. Nun wurde geklärt, wie und wo diese Ampel
entstehen“, erläutert Stefanie Merker, Sprecherin des
Max-Planck-Instituts für Neurobiologie Martinsried, auf
pressetext-Nachfrage.
Wie in einem riesigen Kabelnetz fließen Informationen im Gehirn von
einer Nervenzelle zur nächsten. Um die ständig eintreffenden neuen
Informationen verarbeiten zu können, sind die Verbindungen sehr
anpassungsfähig: Sobald wir etwas Neues sehen, erleben oder tun,
wachsen neue Querverbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen aus.
Über diese neuen Verbindungen kann eine Information dann an die
richtigen Zellen weitergegeben und somit verarbeitet werden.
Der Blick durchs Mikroskop zeigte den Forschern, dass der Aufbau neuer
Kontakte über winzige Fortsätze (Spines) geschieht. Soll etwas Neues
verarbeitet werden, wachsen auf den Verästelungen einer Nervenzelle,
den sogenannten Dendriten, feine Fortsätze aus. Doch wie in einem
Kabelknäuel reicht das reine Überkreuzen von Kabeln nicht aus, um
Informationen auszutauschen. Trifft ein Fortsatz daher auf eine
Nachbarzelle, die sich zur Verarbeitung der neuen Information eignet,
so reift am Ende des Fortsatzes eine Synapse. Erst diese Kontaktstelle
ermöglicht die Weitergabe der Informationen von einer Zelle zur
nächsten. Ist die kontaktierte Zelle für den Austausch dagegen
ungeeignet, zieht sich der Fortsatz wieder zurück.
Doch wie in jedem Kabelnetz käme es auch in den Nervenleitungen
schnell zu Überlastungen, wenn die Datenübertragung nicht an manchen
Stellen oder zu manchen Zeiten eingeschränkt würde. So gibt es neben
den flexiblen Fortsatz-Kontakten, die den Datenaustausch fördern,
andere Kontakte, die den Informationsfluss hemmen. "Wie diese
hemmenden Kontakte entstehen, war bislang jedoch völlig unklar", so
Merker
Während sich die informationsfördernden Synapsen an den Enden der
auswachsenden Fortsätze befinden, sitzen hemmende Synapsen direkt auf
dem "Schaft" der Dendriten. Solch eine Schaft-Synapse kann entstehen,
wenn sich ein Dendrit und das Axon einer anderen Nervenzelle berühren.
Bisher nahmen die Wissenschaftler an, dass Nervenzellen auch bei
diesen hemmenden Verbindungen erst suchende Fortsätze ausschicken, um
die beste Stelle für eine Schaft-Synapse zu finden. Doch diese Annahme
wurde nun von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für
Neurobiologie widerlegt. Bei ihren Beobachtungen entstanden hemmende
Synapsen nur dort, wo bereits ein physischer Kontakt zwischen einem
Dendriten und dem Axon einer anderen Nervenzelle bestand.
Diese Beschränkung auf bereits vorhandene Kontaktstellen könnte jedoch
problematisch sein: Im Gegensatz zu den beweglichen Fortsätzen können
weder die Dendriten noch das Axon einer Nervenzelle ihre Position nach
vollendeter Gehirnentwicklung ändern. Somit sind die möglichen Stellen
für hemmende Schaft-Synapsen im erwachsenen Gehirn auf bereits
vorhandene Überkreuzungen von Dendriten und Axone begrenzt.
Das Gehirn beweist auch hier Anpassungsfähigkeit. Denn nur an ungefähr
40 Prozent der Überkreuzungen von Dendriten und Axonen gab es auch
eine Synapse: "Je nach Bedarf können hemmende Synapsen an noch freien
Überkreuzungen aufgebaut und auch wieder entfernt werden", erklärt das
Forscherteam. Schaft-Synapsen können dabei genauso schnell wie
Fortsatz-Synapsen auf- und auch wieder abgebaut werden, also im
Zeitraum von wenigen Minuten bis Stunden - so ein weiteres Ergebnis
der Max-Planck-Forscher. So kann das Gehirn schnell reagieren, wenn es
nötig wird, den Informationsfluss von einem bestimmten Dendriten zu
hemmen. Als nächstes wollen die Wissenschaftler klären, inwieweit der
Auf- und Abbau der hemmenden Synapsen durch die Aktivität des Gehirns
beeinflusst wird. (Ende)
Quelle: Pressetext.de