Oxford (pte023/01.08.2011/13:30) -
Facebook und Twitter haben eine Generation von Selbst-Besessenen
geschaffen, die nur zu kurzen Momenten der Aufmerksamkeit fähig sind
und wie Kleinkinder ständig Rückmeldung einfordern. Davor warnt die
Hirnforscherin Susan Greenfield von der Oxford University
http://www.pharm.ox.ac.uk . "Unser
Gehirn passt sich evolutionär an Veränderungen der Umgebung an - auch
an Social Networks. Was derzeit die exzessiver Internet-Nutzung
bringt, gibt Anlass zur Sorge", so die britische Expertin im
pressetext-Interview.
Leben für das Posting
Einige der Blüten, die Social Networks
hervorgebracht haben, sind in den Augen der Forscherin gefährlich
statt nur seltsam. Darunter etwa die vielen Twitter-Banalitäten.
"Niemand interessiert es, was man gerade gefrühstückt hat. Derartige
Tweets erinnern stark an ein kleines Kind, das von der Mutter die
Rückversicherung verlangt: Schau Mama, was ich gerade mache!"
Grundlage dieser Infantilisierung seien existenzielle Probleme der
Nutzer, ist Greenfield überzeugt.
Ebenso geben manche Facebook-Nutzer den
Anschein, sie wollten Mini-Celebritys werden, deren Alltag ständig von
anderen beobachtet und bewundert wird. Sorgen bereitet Greenfield
hier, dass sich viele Jugendliche zunehmend nur darüber definieren,
was andere über sie wissen und denken. "Die Fähigkeit zur
Selbstreflexion geht dabei teilweise völlig verloren. Besondere
Momente lösen statt Emotionen den Gedanken aus, dass sie
Facebook-würdig sind, und teils tun Menschen nur mehr Dinge, die gute
Postings werden."
Änderungen im Gehirn
Bedenklich sei die Situation deshalb, da
das auf Klicks und Kontakte ausgerichtete Leben ebenso wie exzessives
Computerspielen das Gehirn neu "verkabeln". "Speziell Jugendliche
haben immer häufiger ein Problem damit, beim Gespräch den Blickkontakt
zu halten oder die Stimme und Körpersprache des Gegenübers richtig zu
deuten. Autisten fühlen sich in der Bildschirmwelt viel glücklicher,
da hier Empathie kaum gefordert wird. Doch auch insgesamt sinkt das
Mitgefühl für andere."
Greenfield verweist dabei auf zwei
aktuelle Studien. So haben etwa chinesische Forscher um Kai Yuank bei
18 Jugendlichen gezeigt, dass infolge einer Internet-Sucht das Volumen
der grauen Zellen in fünf Gehirnregionen abnimmt. Wie sie in der
Zeitschrift "PLOS One" berichten, hängt das Ausmaß der Veränderungen
mit der Dauer der Sucht zusammen. Eine weitere Untersuchung beweist
den radikalen Rückgang von Empathie unter Studenten seit der
Jahrtausendwende (pressetext berichtete:
http://pressetext.com/news/20100531023/
).
Dosis bestimmt Wirkung
Das Social Web per se ist nicht das
Problem, sondern dessen Nutzung, betont Greenfield. "Twitter leistet
wundervolle Dienste wie etwa rasche Mobilisierung, und vielleicht
können Social Networks auch den IQ steigern und beim Lernen helfen.
Doch Information ist nicht Wissen und schneller Zugang nicht
Verstehen. Fakten allein bringen nichts, sondern müssen richtig
zugeordnet und verbunden werden." Mäßigung sei somit das Gebot der
Stunde. "Facebook und Co sind im 21. Jahrhundert eindeutig Teil des
Kommunikations-Portfolios. Leben und Beziehungen in der realen
Erfahrungswelt sind aber weiterhin unverzichtbar."
Studie zu Internetsucht und
Gehirnveränderung:
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0020708
Quelle: Pressetext.de