Aberdeen
(pte010/20.03.2012/10:30) - Eine
Elektrokrampftherapie (EKT) kann bei schweren Depressionen durch das
Drosseln überaktiver Verbindungen zwischen verschiedenen Bereichen des
Gehirns helfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der
University of Aberdeen http://abdn.ac.uk . Bei einer EKT werden
Elektroden an den Schläfen angebracht und eine geringe Menge
elektrischen Stroms verabreicht. Dieses Verfahren wird von Psychiatern
seit den 1930er-Jahren eingesetzt.
Chemische Balance
als Ziel
Ziel der
Wissenschaftler ist es, dem Gehirn einen Schock zu versetzen und sein
natürliches chemisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Das Team
um Ian Reid hofft, dass diese Forschungsergebnisse bei der Behandlung
von Depressionen nützlich sein können. Die Forscher schreiben in PNAS
http://pnas.org , dass die
Behandlung eine überaktive Verbindung zwischen den Bereichen des Gehirns
zu dämpfen scheint, die Stimmungen kontrollieren. Auch werden Areale
angesprochen, die für das Denken und die Konzentration verantwortlich
sind.
Auf diese
Weise, so die Forscher, werden die Auswirkungen von Depressionen auf die
Fähigkeit, das Leben zu genießen, gestoppt. Reid räumt jedoch ein, dass
die EKT umstritten ist.
Hauptkritikpunkt ist das mangelnde Wissen um die genaue Funktionsweise
der EKT und was dabei im Gehirn passiert. "Wir glauben aber
trotzdem, dass wir ein 70 Jahre altes Rätsel gelöst haben. Unsere Studie
zeigt, dass sich EKT auf jene Bereiche des Gehirns auswirkt, die bei
Depressionen mit einander in Verbindung stehen."
Hyperverbindung
entscheidend
Trotz aller
Diskussionen handelt es sich um
einen der wirksamsten Behandlungsansätze. Das gilt den Experten
nach jedoch nicht nur für die Psychiatrie, sondern für die gesamte
Medizin. 75 bis 85 Prozent der
Patienten erholen sich in der Folge von den Symptomen. Laut Reid
hat es in den vergangenen Jahren viele neue Erkenntnisse darüber
gegeben, wie sich Depressionen auf das Gehirn auswirkten.
Die Theorie geht von einer
"Hyperverbindung" zwischen den Bereichen des Gehirns aus, die bei der
Verarbeitung von Emotionen und Stimmungsänderungen beteiligt sind und
jenen, die für das Denken und die Konzentration zuständig sind.
Das wichtigste Ergebnis der Studie ist Reid zufolge, dass der Vergleich
der Verbindungen im Gehirn vor und nach der EKT zeigt, dass die
Verbindungsstärke zwischen diesen Bereichen verringert wurde. Damit wird
diese Hyperverbindung reduziert.
Wirkungsvollere
Medikamente
"Wir können
erstmals eine Auswirkung von EKT im Gehirn nachweisen, die im Kontext
unserer Vorstellungen von den Auswirkungen von Depressionen Sinn macht."
Die Wissenschaftler planen Patienten über einen längeren Zeitraum zu
begleiten, berichtet die BBC. Beobachtet werden soll, ob die
Depressionen wiederkehren und ob die Hyperverbindung erneut entsteht.
"Wenn wir mehr über die EKT wissen, wird es leichter sein, sie durch
etwas weniger Invasives und Annehmbareres zu ersetzen."
Derzeit ginge
es rund 40 Prozent der Patienten
mit Depressionen nach einer Behandlung besser. "Unsere
Forschungsergebnisse könnten zu neuen Zielen für Medikamente führen, die
der Wirksamkeit von EKT entsprechen und keine Auswirkungen auf das
Gedächtnis haben." David Nutt vom Imperial College London http://imperial.ac.uk
hält die Unterbrechung der Verbindung zwischen verschiedenen Bereichen
des Gehirns für einen sinnvollen Ansatz, der auch durch die bereits
publizierte Fachliteratur zu erwarten war. "Wir forschen derzeit mit
Psilocybin, einer Substanz, die dieses Netzwerk ebenfalls unterbricht."
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