Wien (pte017/02.03.2012/12:00) - Unser Umgang mit digitalen Medien
bringt uns um den Verstand und den Arbeitgeber um viel Geld. Mit
scharfer Würze sagt die Autorin Anitra Eggler
http://anitra-eggler.com im Buch "E-Mail macht dumm, krank und arm"
Verhaltensweisen wie "E-Mail-Wahnsinn" oder "Sinnlos-Surf-Syndrom" den
Kampf. Ihre "Blitztherapien" liefert die Kommunikationsexpertin, die
sich selbst als "Digital-Therapeutin" bezeichnet, mit einem
Augenzwinkern. Im pressetext-Interview beweist sie, dass die Ratschläge
dennoch ebenso ernst gemeint sind wie das behandelte Problem.
Zeitdieb Internet
"30 bis 50 Prozent aller E-Mails sind sinnlos und ein ebensolcher Anteil
der Surfzeit am Arbeitsplatz fördert nicht das Ergebnis, sondern stiehlt
bloß Zeit. Zudem beträgt die durchschnittliche Verweildauer pro
Facebook-Besuch oder auch die Ablenkung durch das Abrufen einer E-Mail
im Schnitt 25 Minuten", skizziert Eggler den Sachverhalt. Wahrgenommen
werde dies nicht, denn das Gefühl für verrinnende Zeit sei ebenso wie
die Selbstkontrolle im Netz völlig abhanden gekommen.
Entgleiste Nutzung
Als Symptome für bedenkliche E-Mail-Nutzung führt Eggler im Buch etwa
an, dass sich private und berufliche Adresse bei vielen zunehmend
vermischen. Zu oft kontrolliere die E-Mail wie ein Sklavenhalter den
Arbeitsrhythmus und der Drang zum ständigen Nachsehen und Drücken des
Empfangen-Knopfes sei oft schon suchtartig. Dazu bekrittelt es die
Autorin auch als Unsitte, stets viele als Empfänger in die "CC"-Leiste
zu setzen und somit den Verkehr zu erhöhen. Die Folgen:
Informationsüberflutung, Konzentrationsverlust und ständige Ablenkung.
Um keinen Deut besser verhalte es sich bei der Suche im Internet. Das
einstige "Nur-mal-kurz-im-Internet-Nachsehen" verkomme in der Endphase
zum ziellosen, zwanghaften Surfen mit hohem Zeitaufwand, da sich
Internetuser viel zu oft von Links zu Seiten verführen lassen, die sie
ursprünglich gar nicht finden wollten. Durch das Medien-Multitasking,
die Beteiligung an möglichst allen Sozialen Netzwerken und die vielen
parallel geöffneten Browser-Tabs sei das Gehirn heillos mit Reizen
überflutet. Auswirkungen habe dies auch für das reale Leben -
vernichtete Arbeitszeiten etwa oder familiäre Entfremdungen bis hin zu
Scheidungen.
Öffnungszeiten für
E-Mail nötig
"Schraubt man E-Mail und Surfen um ein Drittel runter, bringt das viel
zusätzliche Zeit für produktives Schaffen", behauptet Eggler. Ähnlich
radikal sind ihre konkreten Vorschläge: Den Arbeitstag offline beginnen,
fixe E-Mail-Öffnungszeiten definieren und anderen auch mitteilen,
E-Mails kurz und im Stil einer Nachrichtenagentur verfassen sowie
kritisches Lesen vor dem Absenden. Auch beim Surfen sollte man ein
Tageslimit etwa von zwei Stunden festlegen, die Augenbewegungen
entschleunigen, die Maus an die kurze Leine nehmen, nur Gewinnbringendes
anklicken und Inhalte völlig zu meiden, bei deren Betrachten man nicht
ertappt werden möchte.
Die Autorin ist verwegen genug, um neben Selbsttests, Ratschlägen und
Erster Hilfe für Betroffene auch Therapiepläne für Unternehmen zu
skizzieren und dabei auch einen "Return of Investment" zu versprechen.
Alles weitere im grafisch durchgestalteten Buch ist Motivationshilfe -
etwa Mantras wie "Das Internet kann man nicht heiraten", "Ich bin keine
Festplatte" oder "Wir betrachten unsere Handys mehr als unsere Kinder"
oder Zitate wie "Ich bezweifle, dass jemand mit Internetanschluss an
seinem Arbeitsplatz gute Literatur schreiben kann".
Ausbeuten statt
ausgebeutet werden
Solange man die Digitalisierung im positiven Sinn bestmöglich ausbeutet,
sei nichts gegen sie einzuwenden, betont Eggler. "Das tun wir aber
nicht. Aus Angst, nicht mitreden zu können, beschaffen wir uns stets das
neueste iPhone, ohne die Gebrauchsanleitung zu lesen und die
Möglichkeiten zu nutzen", so Eggler. Das maximale Potenzial schlagen
diejenigen heraus, die etwa ihren Browser tatsächlich nach eigenen
Bedürfnissen konfiguriert oder die Möglichkeiten der erweiterten
Google-Suche nutzen und Begriffe oder Medienformate ein- und ausgrenzen.
"Ziel ist, nur das zu bekommen, was ich brauche. Die meisten scheitern
daran."
Dass das Internet wichtige Bedürfnisse wie etwa nach Ablenkung und Spaß
befriedigt, stellt die Medienexpertin nicht in Abrede, doch gebe es
bessere Alternativen. "Es ist weitaus besser, einen Erfolg gemeinsam in
der Kaffeeküche mit Prosecco zu feiern als auf Facebook. Wir müssen
wieder mehr miteinander reden - in der Fleischwelt, oder zumindest am
Telefon."
Leseprobe (77 Seiten) unter
http://bit.ly/nTULTu |