Aas/Wien/Hamburg
(pte001/06.07.2012/06:00) -
Betagte Honigbienen können ihrem Gehirn eine Art "Verjüngungskur"
verpassen: Übernehmen sie soziale Aufgaben im Bienenstock, die
gewöhnlich jüngere Artgenossen erledigen, werden sie dadurch lernfähiger
und verändern ihre grauen Zellen auf Molekülebene. Das berichten
Forscher von der Norwegian University of Life Sciences
http://umb.no
mit US-Kollegen in der Zeitschrift "Experimental Gerontology".
Vielleicht fördern auch beim Menschen ähnliche Interventionen die
geistige Frische bis ins hohe Alter, hoffen die Wissenschaftler.
Ältere Babysitter
Im Experiment entfernten die Forscher alle
Ammenbienen aus einem Bienennest und ließen die Königinnen allein bei
den Bienenlarven zurück. Nachdem die Sammelbienen, die älter sind als
die Ammen, von ihrer Arbeit zurückgekommen waren, organisierte sich der
Stock binnen kurzem neu: Einige Sammelbienen machten sich wieder auf
Nahrungssuche, die anderen blieben im Nest und kümmerten sich um den
Nachwuchs.
Nach zehn Tagen übertrafen die neuen
"Babysitter" ihre gleichsemestrigen Kollegen in der Lernfähigkeit
signifikant. Eine Untersuchung des Gehirns zeigte zudem, dass nur sie
das Protein Prx6 gebildet
hatten, das auch bei Menschen in einigen Organen Zellen vor Beschädigung
durch Stress schützt, sowie ein zweites Begleiterprotein.
Forschungsleiter Gro Amdam vermutet, dass beide Eiweiße eine Spontanreaktion auf spezifische
Anforderungen durch neue soziale Erfahrungen sind, für die es auch beim
Menschen Pendants geben könnte.
Aktiv gegen den Gehirntod
"Während ein monotones Leben ohne
Herausforderungen oder Krankheiten wie Depressionen das Gehirn auf
Sparflamme laufen lässt, hält
Neugier anpassungsfähig", erklärt Katharina Pils, Präsidentin der
Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie
http://www.geriatrie-online.at
, gegenüber pressetext.
Beispiele liefern hochbetagte Dirigenten oder Schauspieler, die bei der
Übernahme von stets neuen Rollen länger aktiv bleiben. Aus dieser
Perspektive sei die Verlängerung des Arbeitslebens ebenso sinnvoll wie
ein Berufswechsel alle sieben Jahre oder eine verantwortungsvolle
Tätigkeit im Ehrenamt.
Menschen sind nicht Bienen
"Stoffwechselaktivität und
Funktionstüchtigkeit des gesunden, alternden Gehirns hängen auch beim
Menschen zusammen", bestätigt die Altersforscherin Jennifer Anders von
der Geriatrischen Klink im Albertinen-Haus
http://albertinen.de
im pressetext-Interview. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Gehirn älterer Menschen
andere Prioritäten hat: Statt dem Lernen neuer Inhalte spezialisiert es
sich vor allem auf das Problemlösen und Vermitteln.
Die Brutpflege der Bienen ist laut Anders
eine große Herausforderung, da der Drang zum Arterhalt in der Natur die
Maximalressourcen mobilisiert. "Beim Menschen ist er vielleicht mit dem
Elternwerden vergleichbar, nicht jedoch mit dem gelegentlichen,
gemeinsamen Spiel von Oma und Enkel. Bienen werden zudem nicht im selben
Maße wie Menschen hochaltrig und das Individuum hat gegenüber dem Wohl
des Bienenstockes kaum Bedeutung."
Demenz erfordert Stabilität
Menschen unterscheiden sich auch darin, dass
die Erfahrung und Kreativität des Einzelnen ebenso wichtig ist wie die
stoffliche Erbinformation, die Gene. Bis weitere Untersuchungen die
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Menschen klären, bleibt der Rat, sich
im Alter neue körperliche und geistige Herausforderungen zu suchen.
Davon ausgenommen sind ältere Menschen, deren Gehirn durch schwere Erkrankungen wie
Demenzen dauerhaft geschädigt ist, betont Anders. "Diese brauchen eine
stabilisierende, ruhige Umgebung."
Link zur Studie:
http://sciencedirect.com/science/article/pii/S0531556512001258
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