Göttingen/London (pte019/09.12.2011/13:50) - Unser Gehirn verändert sich
das ganze Leben lang durch neue Erfahrungen. Speziell dann, wenn die Motivation zum Lernen
stimmt, vermehren und verbinden sich die grauen Zellen in jenen
Regionen, die jeweils am meisten beansprucht werden. Diese These
vertritt der Hirnforscher Gerald Hüther von der Universität Göttingen
http://psychiatrie-uni-goettingen.de im pressetext-Interview. "Es
kommt immer darauf an, welche Bedeutung das Lernen für den Menschen hat
- egal wie alt er ist", betont der Experte.
Motivierte Daumen
Die Gehirnregion für die Daumensteuerung ist bei Jugendlichen in den
vergangenen Jahren sprunghaft angewachsen, zeigen englische Studien. Bei
täglich gezieltem Daumentraining über mehrere Stunden allein wäre dies
laut Hüther kaum in diesem Ausmaß zu beobachten. "Treibender
Faktor ist die Begeisterung, mit der Jugendliche mit anderen über SMS
kommunizieren. Das Gehirn ist kein Muskel, den man beliebig zwingen und
belehren kann, sondern braucht für die Weiterentwicklung die richtige
emotionale Anregung."
Die Bedeutung von Lerninhalten oder dem Lernen selbst macht sich laut
dem Göttinger Forscher durch die Aktivierung der Emotionszentren im
Mittelhirn bemerkbar. "Bei dem
Kribbeln, das man dabei verspürt, werden im Gehirn Neuroplastische
Botenstoffe ausgeschüttet - Dopamin oder Peptidhormone wie etwa
Endorphine. Diese sind Weichmacher, die das Gehirn dort verformbar
machen, wo es gebraucht wird", so der Experte. Je deutlicher
Menschen in ihrer Ausbildung ein Berufsziel vor Augen haben, desto eher
meistern sie demnach die Hürden auf dem Weg dorthin.
Taxifahrer-Gehirn
Einen aktuellen Hinweis dafür liefert eine Studie an Londoner Taxifahrern.
Schon seit Jahren weiß man, dass bei dieser Berufsgruppe der Hippocampus
vergrößert ist - eine für das Gedächtnis und 3D-Bewegung zuständige
Gehirnregion. Nun bestätigten Kernspin-Tests bei Taxifahrer-Kandidaten
vor und nach dem mehrjährigen Kurs, dass diese Veränderung erst beim
geforderten Einprägen der 25.000 Straßen geschieht, berichtet Eleanor
Maguire vom University College London http://fil.ion.ucl.ac.uk in der
Zeitschrift "Current Biology".
Hüther sieht seine These darin bestätigt, dass das Hippocampus-Wachstum nur bei den
Taxi-Aspiranten eintrat, die die Prüfung bestanden. "Offensichtlich
gelingt nur jenen die Umstrukturierung des Gehirns, die sich tatsächlich
für diesen Beruf begeistern", so der Forscher. Allerdings
verabsäumte die Studie, den Faktor Motivation gesondert zu untersuchen.
"Die Gescheiterten gaben teils an, dass sie nicht genug Zeit oder Geld
zum Lernen hatten, während anderen die Prüfung einfach zu schwer war",
so die britische Studienleiterin Maguire gegenüber pressetext.
Ziel gibt Rückenwind
Entscheidend dürfte der Rückenwind an Motivation jedoch besonders für
den Schulunterricht sein. "Bildung
gelingt dort, wo Lehrer das Interesse der Schüler für Lerninhalte
wecken, einen leistungsorientierten Teamgeist entstehen lassen und auch
emotional betroffen machen. Schüler müssen herausfinden, was ein Thema
für sie selbst bedeutet", erklärt Hüther. In den meisten Schulen
bestehe hier derzeit noch enormer Aufholbedarf. |