New York/Linz
(pte022/29.08.2011/13:30) - Die
häufige Verabreichung von Antibiotika könnte ein weiterer der vielen
Faktoren sein, warum Übergewicht und andere Krankheiten in vielen
Industrieländern auf dem Vormarsch sind. Das vermutet Martin
Blaser vom New York University Langone Medical Center
http://www.med.nyu.edu in der
renommierten Fachzeitschrift "Nature".
Neben den Krankheitserregern werden auch schützende Bakterien des
Körpers durch Antibiotika zunehmend verdrängt, so die Argumentation des
Mikrobiologen.
Hohe Kosten für Körper
Antibiotika haben wesentlich zur Erhöhung
der Lebenserwartung beigetragen, stellt Blaser außer Zweifel. Daneben
hat ihr Einsatz jedoch auch Probleme geschaffen, zu denen neben der
Bildung resistenter Erreger auch die Veränderung der
Bakterienbesiedlung des menschlichen Körpers zählen dürfte. Unser
Verdauungstrakt, die Schleimhäute und die Haut beherbergen eine große
Anzahl von Bakterien, die zum Großteil nützlich sind. Sie helfen etwa
bei der Vitamin-K-Aufnahme oder bei der Verdauung komplexer
Kohlehydrate, dürften jedoch auch Infektionen oder laut Blaser sogar
Autoimmunerkrankungen abwehren.
Die
häufigen Antibiotika-Gaben - 18-Jährige haben in den USA zehn bis 20
Antibiotika-Therapien hinter sich - zerstören neben gefährlichen Keimen
auch nützliche Flora, die teils nie mehr ins Gleichgewicht kommt,
warnt Blaser. "Krankheiten wie Fettsucht, Typ-1-Diabetes,
Darmentzündungen, Allergien und Asthma verschlimmern sich dadurch", so
sein Verdacht. Verfettung durch
Antibiotika ist aus der Tierhaltung bekannt und wird mancherorts durch
Futterbeimengung sogar gefördert. Diesen Effekt geringer Dosen
über lange Zeiträume könnte die Medizin auch durch wiederholten kurzen
Einsatz hoher Dosen bewirken.
Sparsam und zielgerichteter
Komplizierter wird die Situation bei
Bakterien, die sowohl Vor- als auch Nachteile bringen. Blaser beforscht
seit 20 Jahren das Darmbakterium Helicobacter pylori, das ein Auslöser
für Magenerkrankungen und Geschwüre ist, zugleich jedoch die Speiseröhre
schützt. Der früher bei allen Menschen anwesende Erreger verschwindet
zunehmend und ist heute nur mehr bei sechs Prozent der Kinder
nachzuweisen. Magenkrebse und Geschwüre wurden in Folge selten.
Erkrankungen der Speiseröhre nahmen jedoch schlagartig zu, zudem leiden
Kinder ohne H. pylori laut Blasers Studien auch öfter an Asthma,
Heuschnupfen oder Hautallergien.
Kritisch bewertet die Infektiologin
Petra Apfalter von der AntibioticStewardship Group
http://www.abs-group.at
gegenüber pressetext diese Aussage. "Übergewicht wie auch viele andere
der vorgeschlagenen Krankheiten sind nicht auf einen einzigen Faktor
zurückzuführen. Die Rolle von Antibiotika hier genau zu identifizieren
scheint kaum möglich." Blasers Empfehlung, Antibiotika kritisch
einzusetzen, weiter nach Techniken einer schnellen Ermittlung des
genauen Problemerregers zu suchen und diesen dann spezifischer
anzugreifen, unterstützt jedoch auch die Linzer Expertin. |