fzm - Vorbeugung und Früherkennung des Diabetes
mellitus führen nur selten zu Einsparungen im Gesundheitswesen. In der Regel
haben sie sogar steigende Kosten zur Folge. Computersimulationen können
zeigen, wo medizinische Maßnahmen sinnvoll und kostensparend sind. Diese
werden jedoch von Entscheidungsträgern aus Politik und Verbänden wenig
beachtet. Zu diesen Ergebnissen kommt ein Beitrag in der aktuellen Ausgabe der
Fachzeitschrift "Diabetologie und Stoffwechsel" (Georg Thieme Verlag,
Stuttgart. 2006) – offizielles Organ der Deutschen Diabetes-Gesellschaft.
"Ähnlich wie in der Klimaforschung, wo Computer
das Wetter der Zukunft vorhersagen, können Rechner mit mathematischen Formeln
simulieren, welche Auswirkungen medizinische Maßnahmen auf die Bevölkerung
haben", berichtet Dr. Eberhard Biermann vom Krankenhaus München-Schwabing. So
genannte Kosten-Nutzwert-Analysen berücksichtigen dabei auch die gewonnenen
Lebensjahre in gute Lebensqualität (auf englisch: quality-adjusted life year –
QALY).
Diese QALY fällt für die Prävention des
Diabetes Typ 2 überraschend niedrig aus. Sie liegt fast immer unter einem
Jahr. Dies bedeutet: Versuchen gefährdete Menschen mit vorbeugenden Maßnahmen,
wie etwa Diät und Sport, eine Erkrankung zu verhindern, gewinnen sie im
Schnitt lediglich ein knappes Jahr guter Lebensqualität. Der Grund dafür ist –
nach Meinung von Dr. Biermann –, dass die Maßnahmen nicht immer zum Erfolg
führen.
Besonders niedrig ist die QALY bei der
Früherkennung. Hier müssten viele Menschen auf erhöhten Blutzucker getestet
werden, um Diabetiker frühzeitig zu entdecken. Die Gegenmaßnahmen Diät und
Medikamente führen jedoch nicht immer zum Ziel, Folgekrankheiten zu
verhindern.
Über den einzelnen Patienten sagt die
errechnete QALY jedoch wenig aus. Sein Leben könnte durch Verhinderung oder
frühzeitige Erkennung durchaus um mehrere Jahre verlängert beziehungsweise
schwere Folgeerkrankungen vermieden werden.
Wenn es um die Frage geht, wie viel Geld eine
Gesellschaft aufwenden soll, um spätere Lebensqualität zu finanzieren, können
die Berechnungen der durchschnittlichen Kosten und Nutzen ein wichtiges
Entscheidungskriterium für die Politik sein. Als Grenzwert gelten in der Regel
50.000 Dollar oder 30.000 Pfund. Dieser Wert wird beispielsweise vom
britischen NICE-Institut – National Institute for Health and Clinical
Excellence – berücksichtigt, wenn sie die Wirtschaftlichkeit einer neuen
Therapie beurteilt.
In Deutschland gebe es dagegen "instinktive
Abwehrreflexe" gegen derartige Modelle. Für Biermann ist dies nicht
verständlich, zeigten die Berechnungen doch, dass sich der "gesunde
Menschenverstand" häufig täusche. So beim Blutzucker-Screening: Alle Menschen
zu testen, um den Diabetes frühzeitig zu erkennen, sei zwar medizinisch
sinnvoll, aber extrem unwirtschaftlich. Günstiger sei es, das Screening auf
Menschen zu beschränken, die bereits einen hohen Blutdruck haben und deshalb
diabetesgefährdet sind.
E. Biermann:
Sparen Prävention und Therapie Folgekosten beim Typ-2-Diabetes ein?
Diabetologie und Stoffwechsel 2006; 1 (4): S. 245-251
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