München (pte/30.09.2005/11:20)
- Einem internationalen Wissenschaftsteam ist es gelungen, Mitgefühl und
Empathie, zu erklären. Demnach können nur eigene Erfahrungen dazu
beitragen diese Emotionen für andere zu empfinden. Handlungen anderer
Personen werden offenbar auf der Basis des eigenen "Handlungsinventars"
nachvollzogen. Erfolgreiche soziale Kommunikation beruht vor allem auf
der Fähigkeit, die Handlungen anderer Menschen zu verstehen, berichten
Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und
Neurowissenschaften
http://www.cns.mpg.de,
die an der Studie mit Wissenschaftlern der University of Bournemouth in
sowie der Rutgers University in Newark gearbeitet haben.
Der eigene Geist und der eigene Körper liefern jedem einzelnen also die
Grundlage, um zu verstehen, was andere Menschen gerade tun, fühlen oder
denken. Der Nachweis ist den Wissenschaftsteam um Simone Bosbach und
Wolfgang Prinz am Beispiel von Patienten gelungen, die durch eine extrem
seltene Erkrankung die Fähigkeit verloren hatten, ihren eigenen Körper
wahrzunehmen. Diese beiden Patienten hatten Defizite in der
Interpretation von Handlungen anderer Personen. Die psychologischen
Konsequenzen der Erkrankung, von der weltweit nur zwei Fälle bekannt
sind, ist dramatisch: Beide Patientenberichten, dass sie zu Beginn ihrer
Erkrankung das Gefühl hatten, ihren Körper gänzlich "verloren" zu haben.
Mittlerweile haben sie teilweise wieder gelernt, einfache
Körperbewegungen auszuführen, müssen dazu jedoch ihren Körper sehen. Bei
Dunkelheit verlieren sie vollständig die Kontrolle über diesen. Dazu
gehört etwa die Bestimmung mit Hilfe der Sinneszellen in den Gelenken
und Muskeln die Position der Arme und Beine relativ zum Körper zu
bestimmen. Gesunde Menschen können dies problemlos. Die Eigenwahrnehmung
vermittelt dem Gehirn außerdem, wann und in welchem Umfang sich Muskeln
zusammenziehen oder strecken und in welchem Ausmaß sich Gelenke beugen
oder strecken.
In Versuchen hatte Bosbach und ihre Team die Patienten mit kurzen
Videofilmen, in denen Personen gebeten wurden, Kisten anzuheben,
untersucht. Diese Kisten waren jeweils unterschiedlich schwer. Die
beiden Patienten wurden im ersten Teil der Aufgabe gebeten, das Gewicht
der Kiste zu schätzen, die im Video von einer Person gehoben wurde.
Dabei bekamen sie keinerlei Hinweise, sondern mussten das Gewicht allein
aufgrund der Bewegungsabläufe bestimmen. Es gelang beiden Patienten
ebenso wie gesunden Probanden das Gewicht treffsicher zu bestimmen.
Offenbar konnten sie für das Lösen dieser Aufgabe ihr Wissen, wie sich
jemand mit einer schweren Kiste verhält, anwenden.
Im zweiten Teil der Aufgabe wurde die Versuchsanordnung geändert: der
Akteur bekam die Information, dass er eine Kiste von 18 Kilogramm heben
musste, die allerdings nur drei Kilogramm wog. Die Patienten sollten nun
angeben, ob die Person in dem Videofilm die richtige oder die falsche
Erwartung bezüglich des Gewichts der Kiste hatte. Wieder konnten die
Patienten nur den Bewegungsablauf als Informationsquelle für ihr Urteil
heranziehen. Dabei kam es zu Abweichungen im Bewegungsablauf zwischen
der Phase, in der sich der Akteur auf das Anheben der Kiste vorbereitete
und jener, in der er feststellte, dass die Kiste deutlich leichter war.
Die gesunden Probanden hatten kein Problem, diese Situation richtig zu
deuten, die beiden Patienten jedoch schon. Sie erkannten deutlich
schlechter als gesunde Kontrollpersonen, ob die Person vor dem Anheben
der Kiste deren Gewicht richtig eingeschätzt hatte, oder ob sie sich
hatte täuschen lassen.
In einer dritten Aufgabe mussten nun die Probanden selbst Kisten heben
und wurden dabei gefilmt. Während der Aufnahme wurde der Patient nun in
einigen Fällen über das Gewicht der Kiste getäuscht, ehe er die
Hebebewegung ausführte. Dann sollten gesunde Kontrollpersonen, nachdem
sie das Video gesehen hatten, beurteilen, ob der Patient das richtige
oder das falsche Gewicht erwartet hatte. Bei dieser Aufgabe versagten
die Kontrollpersonen, denn der Bewegungsablauf des Patienten zeigte im
Falle der falschen Erwartung nicht die charakteristische Diskrepanz
zwischen der Bewegungsvorbereitung und -ausführung. Das bedeutet, dass
die Patienten aufgrund des Fehlens der Eigenwahrnehmung ihre Bewegungen
nicht an ihre Erwartungen hinsichtlich des Gewichts der Kiste anpassen
können.
Die Forscher sind zum Schluss gekommen, dass Bewegungsmuster, die im
Gehirn aktiviert werden, wenn Handlungen einer anderen Person beobachtet
werden, auch Informationen und Wissen über die Funktionsweise des
eigenen Körpers enthalten. Das bedeutet, dass
Dinge, die wir selbst können, wir auch bei anderen verstehen. Was wir
selbst nicht können, verstehen wir auch bei anderen nicht. Rückmeldungen
des eigenen Körpers tragen also offenbar zu unserem eigenen intuitiven
Wissen über die Absichten anderer Personen bei. (Ende)
Quelle: pressetext.de
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