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Krebspatienten während einer belastenden
Chemotherapie auch noch dazu aufzufordern, sich sportlich zu
betätigen – dieser Gedanke erscheint auf den ersten Blick völlig
abwegig. Ebenso wie früher Patienten mit akuten Herzproblemen
geschont und "in Watte gepackt" wurden, verordnete man bis vor
kurzem auch Krebspatienten in der Akutphase meist absolute Schonung.
Inzwischen sei die Zeit jedoch reif, der Sporttherapie einen festen
Platz in der Tumornachsorge einzuräumen, so der Kölner
Sportwissenschaftler Klaus Schüle in der Fachzeitschrift
"Bewegungstherapie und Gesundheitssport" (Hippokrates Verlag,
Stuttgart. 2006).
Während Herzsportgruppen bereits seit
längerem etabliert sind – in Deutschland gibt es 6500 aktive Gruppen
-, ist der Begriff der Krebssportgruppe selbst manchen Medizinern
und Therapeuten noch unbekannt. Dabei wurde die erste
Krebsnachsorge-Sportgruppe Deutschlands bereits vor 25 Jahren
gegründet; inzwischen ist ihre Zahl auf 650 angewachsen. Klaus
Schüle, der das Institut für Rehabilitation und Behindertensport der
Sporthochschule Köln leitet, verweist in seinem Beitrag auf etliche
Studien, in denen sich die positiven Auswirkungen des Sports bei
verschiedenen Patientengruppen gezeigt haben. "Die in der Akutphase
einer Tumorerkrankung verordnete Schonung hatte zur Folge, dass die
Patienten zusätzlich zu den Tumorfolgen an den üblichen Folgen der
Inaktivität zu leiden hatten", erklärt der Wissenschaftler. Dazu
zählen Depressionen und Muskelabbau ebenso wie eine chronische
Erschöpfungsneigung. Gerade der Teufelskreis aus krankheitsbedingter
Erschöpfung und Immobilität kann, wie mehrere Studien belegen, durch
dosiertes Ausdauertraining durchbrochen werden. "Fast durchgängig
wirken sich Bewegungsaktivitäten auch positiv auf Faktoren wie
Schmerz, Angst, Depressivität und Lebenszuversicht aus", so Schüle
weiter.
In derselben Zeitschrift stellen
Schüle und sein Mitarbeiter Freerk Baumann zudem eine eigene
Untersuchung vor, an der 49 Leukämie-Patienten unmittelbar vor und
nach der Knochenmarktransplantation teilnahmen. 24 dieser Patienten
wurden sporttherapeutisch betreut, die übrigen 25 Teilnehmer
erhielten die in der Klinik übliche Krankengymnastik. Auch in dieser
Untersuchung bestätigten sich die positiven Auswirkungen der
Bewegung: Die sportlich aktiven Transplantationspatienten erreichten
auf der standardisierten "Basler Befindlichkeitsskala" deutlich
höhere Werte als die rein krankengymnastisch betreuten Patienten.
Eine Ausweitung des sporttherapeutischen Angebots solle gleichwohl
nicht die Bedeutung der Physiotherapie schmälern, beugt Schüle
Missverständnissen vor. Vielmehr sollten die drei Berufsgruppen
Ergo-, Physio- und Sporttherapie Hand in Hand arbeiten – zum Wohle
des Patienten.
K. Schüle:
Zum aktuellen Stand von Bewegungstherapie und Krebs
Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2006; 22 (5): S. 170-175
F.T. Baumann, K. Schüle:
Einflüsse körperlicher Aktivitäten auf die Befindlichkeit von
Patienten in der Akutklinik bei einer Knochenmarktransplantation
Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2006; 22 (5): S. 176-180 |