Kinder und Jugendliche, die
regelmäßig zur Zigarette greifen, weisen ein deutlich auffälligeres
Sozialverhalten als nichtrauchende Gleichaltrige auf. Rauchende Schüler
trinken häufiger Alkohol, nehmen mehr Drogen, schwänzen öfter den
Unterricht und sind häufiger in Prügeleien verwickelt als Nichtraucher,
teilt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) mit.
Das veränderte Verhalten ist unabhängig vom
sozialen Status und dem Grad der Schulbildung, wie die DGKJP in einer
aktuellen Studie ermittelt hat. Hierzu wurden 985 Mädchen und Jungen von
zwei Hauptschulen und einem Gymnasium im Ruhrgebiet befragt. Die Kinder
und Jugendlichen waren zwischen 11 und 18 Jahre alt. 76,5 Prozent der
rauchenden Gymnasiasten trinken eigenen Angaben zufolge Alkohol, nehmen
Drogen oder Medikamente, die nicht vom Arzt verschrieben wurden. Unter
den nichtrauchenden Gymnasiasten lag dieser Anteil bei 17,5 Prozent. Von
den rauchenden Hauptschülern konsumierten 50,9 Prozent auch Alkohol und
Drogen, aber nur 7,2 Prozent der Nichtraucher.
„Neben dieser engen
Beziehung zwischen Rauchen und Alkohol-, Drogen- sowie
Medikamentenkonsum gibt es eine Reihe weiterer Auffälligkeiten, die
Raucher von anderen unterscheidet“, erläutert Prof. Gerd Lehmkuhl von
der DGKJP. Rauchende Jugendliche weisen oft auch sozial abweichendes
Verhalten auf. Sehr häufig schwänzen sie die Schule: So versäumen 50
Prozent der Raucher bewusst den Unterricht, jedoch nur 10 Prozent der
Nichtraucher. Außerhalb der Schule sind Raucher überdurchschnittlich
häufig mit Problemkindern und
-jugendlichen zusammen.
Daneben stehlen Raucher drei- bis viermal so häufig wie Nichtraucher und
legen zwei- bis dreimal so häufig Feuer oder zündeln. Auch sind sie
deutlich aggressiver als ihre nichtrauchenden Mitschüler: Über die
Hälfte gehorcht in der Schule nicht; jeder dritte Raucher hat
Mitschülern gedroht, sie zu verletzen. Viele von ihnen geraten dann auch
tatsächlich in Raufereien, wobei Raucher doppelt so häufig wie
Nichtraucher den körperlichen Angriff selbst starten.
Gruppenzwang entscheidend
Entscheidende Bedeutung
für das Rauchverhalten hat nach Angaben der DGKJP der Gruppenzwang.
Prof. Lehmkuhl: „Öffentliche Verbote und negative Bewertungen des
Rauchens im Schulunterricht tragen dazu bei, dass ‚Raucher‘ und
‚Nichtraucher‘ zu Symbolen der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen
werden. Die Raucher repräsentieren dabei die Nicht-Angepassten, also die
Oppositionellen, die Nichtraucher dagegen die Angepassten.“ Der Wunsch,
einer Gruppe anzugehören, dominiert dabei über negative körperliche
Erfahrungen wie Übelkeit oder verminderte Leistungsfähigkeit, die sich
als Folge von gewohnheitsmäßigem Rauchen einstellen.
Für die schulische
Gesundheitsförderung bedeuten die Ergebnisse dieser neuen Studie eine
schwierige Aufgabe, so die DGKJP. Raucherprävention dürfe nicht isoliert
betrieben werden, sondern müsse darauf ausgerichtet sein, Schüler
umfassend und integrativ zu fördern. Prof. Lehmkuhl: „Raucherprävention
kann nur als professionell und intensiv betriebene Aufgabe zum Erfolg
führen. Hiervon sind wir in Deutschland im Vergleich zu
angloamerikanischen Ländern jedoch noch weit entfernt.“
Raucher werden immer jünger
Die Verhaltensmuster
von Rauchern an Gymnasien und Hauptschulen sind zwar ähnlich. Erhebliche
Unterschiede gibt es jedoch in der Häufigkeit des Rauchens. So greifen
laut DGKJP-Studie 7,7 Prozent der 11- bis 13-jährigen Gymnasiasten
regelmäßig zum Glimmstängel, aber bereits 20,1 Prozent der
gleichaltrigen Hauptschüler. Bei den 14- bis 15-Jährigen liegt der
Anteil der Raucher bei 32,4 (Gymnasium) bzw. 44,6 Prozent (Hauptschule);
bei den 16- bis 18-Jährigen bei 55,1 bzw. 72,0 Prozent. Insgesamt
rauchen 40 Prozent der Hauptschüler und 23 Prozent der Gymnasiasten.
Dabei werden die Raucher immer jünger: Das durchschnittliche
Einstiegsalter liegt bei zwölf Jahren. „Rauchende Hauptschüler beginnen
durchschnittlich bereits mit 11,2 Jahren zu rauchen, Gymnasiasten
dagegen ‚erst’ mit 12,8 Jahren“, erläutert Prof. Gerd Lehmkuhl von der
DGKJP. Angesichts der eklatanten gesundheitlichen Folgen – jeder zweite
gewohnheitsmäßige Raucher stirbt an den Folgen des Nikotinkonsums –
plädiert die DGKJP neben der Gesundheitsaufklärung für ein bundesweites
Rauchverbot an Schulen, den Abbau der Zigarettenautomaten und ein
Werbeverbot für Zigaretten. Dass solche Verbote Wirkung haben, zeigt das
Beispiel Kalifornien: Hier rauchen nur noch 8 Prozent aller Jugendlichen
– im Vergleich zu 34 Prozent hierzulande.
Quelle:
DKJP |