Wien (pts/08.08.2005/20:56) - Dem Hypochonder wird neuerdings vermehrt
Augenmerk bei der Sanierung unseres Gesundheitssystems zuerkannt. Es ist
signifikant, dass die Anzahl der Arztbesuche die Lebenserwartung nicht
steigert - analysiert der Österreichische Gewerbeverein (ÖGV).
So haben die Französinnen eine Lebenserwartung von 83 Jahren, obwohl sie
statistisch 1,3-mal weniger zum Arzt gehen, als die Österreicherinnen,
die sich mit einer Lebenserwartung von 81 Jahren begnügen müssen. Die
Schwedinnen gar werden statistisch 82 - also ein Jahr älter als die
Österreicherinnen, obwohl (oder gerade weil) sie den Arzt viermal
seltener im Jahr besuchen. Kollektiv depressive Nationen wie die
Deutschen bringen es bei einem Drittel mehr Arztbesuchen auf genau die
gleiche Lebenserwartung der Österreicherinnen. Übrigens: Am ältesten in
Europa werden mit je 86 Jahren die Bewohnerinnen von Andorra und San
Marino - wo doch sicher eine geringe Arztdichte herrscht.
So wird etwa so gut wie bei jemandem mit Bauchschmerzen eine organische
Ursache diagnostiziert (Diese Beschwerden machen drei Prozent aller
Arztbesuche aus, aber nur bei einem Zehntel wird man fündig). Acht
Prozent aller Arztbesuche werden wegen Müdigkeit unternommen; bei einem
Fünftel davon wird man organisch fündig. Und bei Rückenschmerzen (4% der
Konsultationen) ist die organische Aufklärungsquote ähnlich!
Es soll allerdings nicht verniedlicht werden: Das Verhältnis der Bürger
zur Medizin ist von einem paradoxen Missverhältnis gekennzeichnet: Die
einen Patienten kommen zu oft, die anderen zu spät. So kennen zum
Beispiel die meisten Laien die Zeichen eines Herzinfarkts dennoch
wartet die Hälfte aller Patienten mit typischen Symptomen viel zu lange,
bis sie den Notarzt ruft. Auf der anderen Seite bevölkern die Menschen
die Praxen wegen Lappalien.
Jede Fachdisziplin kennt ihre eigene somatoforme Störung: Bei den
Urologen ist es die Reizblase, beim Gynäkologen der chronische
Unterbauchschmerz, beim Rheumatologen die Fibromyalgie und bei den
Neurologen der Spannungskopfschmerz. Auslöser können seelische
Überforderungen sein oder auch vorübergehende Erkrankungen, welche die
Sensibilität für Missempfindungen aus dem Körper erhöhen, was wiederum
die Selbstregulation der Körperfunktionen stört. Dieses Zusammenspiel
zwischen Geist und Körper kann sich verselbstständigen und zu Herzrasen,
innerer Unruhe, Schlaflosigkeit und Nervosität führen. Schon ohne große
Untersuchung sind solche Patienten auffällig.
Ein längeres Gespräch mit dem erstbehandelnden Arzt könnte viele dieser
chronischen Verläufe verhindern. Dazu wäre es aber notwendig, dass die
Kassenverträge so gestaltet werden, dass als Basis nicht die
Fünfminuten-Konsultation dient. In Summe kommt das dem System bestimmt
billiger! (Ende)
Aussender:
Österreichischer Gewerbeverein
Ansprechpartner: Herwig Kainz
email:
h.kainz@gewerbeverein.at
Tel. +43/1/587 36 33 |