Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Im "Open Focus" entspannen
Weg von der Fixation auf Objekte – sich öffnen für den „Raum“

 

Wenn wir uns auf etwas konzentrieren, also unsere Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes lenken, spannt unser Organismus automatisch die an diesem Vorgang beteiligen Muskeln an. Das ist kein Problem, sofern wir uns ausreichend schnell wieder entspannen. Leider fordert unsere heutige Zeit bzw. Kultur immer mehr von uns, dass wir uns permanent konzentrieren („Pass auf das auf“, „Kümmere dich um…“ „Beachte vor allem…“ „Schweife nicht mit den Gedanken ab…“ „Sitze still und mache…“ „Lies das und sieh dir das an…“). Die Gelegenheiten zum Entspannen schrumpfen für viele Menschen stetig. Wirtschaft, Werbung und Medien konkurrieren und buhlen rund um die Uhr um unsere Aufmerksamkeit (und halten uns damit in Anspannung). Als erfolgreich gilt, wer die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden am längsten für sein Produkt gewinnen kann. Immer mehr Mitbürger sind bereits 24 Stunden online oder auf per Smartphone permanent erreichbar. All dies funktioniert deswegen so gut, weil wir in unserer Kultur von klein auf gedrillt werden, auf Objekte zu achten. Die übrige bzw. die gesamte Welt wahrzunehmen, gelingt dann kaum noch.
 

Fokussierte Wahrnehmung  (angespannt)

Wahrnehmung im "Open Focus" (entspannt)


Wenn dies so ist, sagte sich der amerikanische Psychologe Dr. Les Femi, dann könnte es für uns vielleicht hilfreich sein, unsere Aufmerksamkeit von den Objekten weg und auf das „Nichts“ hin zu lenken. Es gelang ihm, Übungen zu entwickeln, mit denen, ausreichendes Training vorausgesetzt, jeder von uns in einen angenehmen entspannten Zustand gelangen kann, den Dr. Fehmi mit „Open Focus“ bezeichnet. Wie der Begriff andeutet, ist dabei die Aufmerksamkeit „offen“, also nicht auf Objekte gerichtet. Wer sich im Zustand des Open Focus befindet, dessen im EEG gemessenen Hirnströme sind in aller Regel entspannt. Viele Teile des Gehirns weisen dann einen „synchronen Alpha-Rhythmus“ auf. In einem solchen Zustand fühlt man sich meist sehr wohl. Man registriert die unterschiedlichsten Sinneseindrücke (die sonst oft ausgeblendet werden), wodurch man sich mitunter sehr wach und lebendig fühlt.

Dr. Fehmi empfiehlt ein Vorgehen, dass zwar im ersten Schritt die Wahrnehmung auf Objekte lenkt, im zweiten Schritt dann aber anregt, sich von den Objekten wieder zu lösen und nun ausschließlich den Raum zwischen den Objekten wahrzunehmen. Das kann z.B. der Raum zwischen den Zeilen eines Buches oder der Raum zwischen zwei Buchstaben, der Raum zwischen linkem und rechtem Ohr, der Raum zwischen einem Baum und mir sein usw. Offenbar fällt ein solches Wahrnehmungsverhalten Angehörigen anderer Kulturen (Dr. Fehmi erwähnt die japanische) leichter als uns, weil es dort eine Selbstverständlichkeit ist.

Wenn wir unsere Wahrnehmung für den „Raum“ zwischen den Objekten öffnen, öffnen wir uns letztlich für das „Nichts“. Dies erklärt vermutlich, warum Geist und Körper in einer solchen Haltung zur Ruhe kommen und sich unsere angespannten Muskeln wieder entspannen können. Da wir uns von den Objekten gelöst haben, gelangen wir zugleich in einen Zustand, der Kreativität erleichtert. Psychoanalytiker würden einen solchen Zustand vermutlich als „freischwebende Aufmerksamkeit“ bezeichnen. Letztere ist die Grundhaltung, die ein analytisch arbeitender Therapeut entwickeln muss, um seine Patienten hilfreich begleiten zu können. Auch der Begriff der Achtsamkeit beschreibt ähnliche Haltungen.

Das hier geschilderte Vorgehen mag ein wenig an „klassisches Meditieren“ erinnern (vor allem im Hinblick auf den Zielzustand „Open Focus), dennoch unterscheidet es sich zumindest in der Methode deutlich: Während beim klassischen Meditieren häufig auf ein Objekt fokussiert (und die abschweifende Aufmerksamkeit immer wieder darauf gelenkt) wird, widmet sich der Open-Focus-Ansatz dem „Raum dazwischen“. Dieser lässt sich überall entdecken. Dabei ist es wichtig, sich den „Raum“ NICHT als „Objekt“ vorzustellen, sondern sich um die Wahrnehmung einer Qualität zu bemühen, die mit herkömmlichen Kategorien nicht beschreibbar ist. Wer sich mit Open Focus beschäftigt, wird sich automatisch auch an die „Gestaltpsychologie“ erinnert fühlen, die bei der Wahrnehmung zwischen „Figur“ und „Hintergrund“ unterscheidet und hier „Kipp-Phänomene“ erleben lässt. Schon diese Erfahrung kann sehr befreiend (und damit entspannend) sein, weil sie aufzeigt, wie willkürlich unsere Wahrnehmung ist (und damit auch unsere Vorstellungen von der Welt). Auch erleben wir, dass wir unsere Wahrnehmung und damit unsere Erfahrungen steuerbar sind.

Persönliche Anmerkungen:

Aus eigener Erfahrung gehe ich davon aus, dass die Wahrnehmung des „Raumes“ erleichtert wird, wenn man sich von vornherein auf eine entspannte Haltung einlässt (und nicht abwartet, dass erst die Wahrnehmung des Raumes zur Entspannung führt). Mit anderen Worten: Unsere „Objekt-konzentrierte“ Wahrnehmung ist eher ungeeignet, etwas Nicht-Objekthaftes wahrzunehmen. Oder nochmals anders beschrieben: Wer darauf fixiert ist, die Welt nur sehend wahrzunehmen, erschwert es sich, die Welt zu hören.

Mir selbst hilft es manchmal, meinen Augen dadurch zu einem Open Focus zu verhelfen, indem ich sie auf zweidimensionale Bilder blicken lasse, aus denen mein Gehirn nur dann eine dreidimensionale Abbildung konstruieren kann, wenn meine Augen sich von Details lösen (also nicht auf Objekte fokussieren). Die Erfahrung, mit Hilfe eines solchen „Open Focus“ plötzlich etwas komplett Neues und zudem Räumliches sehen zu können, wirkt zumindest auf mich „bezaubernd“ und zugleich irritierend, weil sie mein bisheriges Erleben komplett in Frage stellt.

Während sich die normale Wahrnehmungslenkung dadurch auszeichnet, dass wir uns einem Objekt aktiv zuwenden und damit häufig auf dieses auch einwirken, hat der Zustand des Open Focus mehr mit „Hingabe“ an das zu tun, was vielleicht auf uns zukommen möchte. Wir sind dann offen für Impulse von außen und für Antworten aus unserem Inneren („Resonanzkörper“), was bei der aktiven Wahrnehmungslenkung seltener der Fall ist, da wir dort eher als Impulsgeber auftreten. Dem Open Focus ähnliche Zustände glaube ich, auch bei der Gehmeditation schon erlebt zu haben: Hier führte die Haltung „Offensein für alles, was auf mich zukommen möchte“ zu einer eindrucksvoll lebendig-räumlichen Wahrnehmung der „Welt“.