Sportler nutzen diesen Ansatz schon längst: Vor Wettkämpfen
erinnern sie sich gezielt an frühere Erfahrungen, in denen sie schwierige
Situationen mit Erfolg gemeistert und dadurch zugleich stark positive
Gefühle verspürt haben. Zu ihnen gehören insbesondere Kraft, Stolz,
Zufriedenheit, Zuversicht und gewachsenes Selbstvertrauen. Indem sich
Sportler an solche „resourcevolle“ Zustände erinnern, versetzen sie ihren
Organismus und damit auch ihr Gehirn in die Lage, die damals erlebten
Kompetenzen erneut zu nutzen. Dieser Ansatz macht so gut wie immer Sinn,
insbesondere auch in Psychotherapie und Coaching.
Ich empfehle Ihnen daher DRINGEND, sich die Zeit zu nehmen
und ALLE (ich wiederhole ALLE!) wichtigen Erfahrungen aus Ihrem Leben zu
notieren, in denen es Ihnen besonders erfreulich ging oder Sie eine
schwierige Situation bewältigt und dadurch ein „gutes Gefühl“ entwickelt
haben. Letzteres ist besonders wichtig, da wir Menschen vor allem über
Gefühle Zugang zu unseren Erinnerungen und Kompetenzen finden. Jeder
Mensch findet solche Momente, wenn er nur ausreichend lange sucht.
Manchmal kann die Suche allerdings schwer fallen, vor allem wenn man
gerade depressiv oder „ausgebrannt“ ist. Das bedeutet aber nicht, dass
keine „Ressourcen“ vorhanden sind. Wer beim Angeln keinen Fisch fängt,
kann allein deswegen auch nicht behaupten, dass er damit bewiesen hätte,
dass es im betreffenden Gewässer keine Fische gibt. Schwierigkeiten beim
Auffinden von „Kraftquellen“ in der eigenen Lebensgeschichte haben häufig
auch Menschen, die als Kinder wenig von ihren Bezugspersonen „gespiegelt“
wurden. Denn wir alle sind auf Rückmeldungen unserer Umwelt angewiesen, um
uns unserer selbst bewusst zu werden. So kann sich kaum ein Mensch ohne
Hilfe eines Spiegels seiner Augen bewusst werden. Auch kann niemand für
sich alleine beurteilen, ob er sich gut ausdrücken oder gut singen kann.
Wenn sich andere mit uns freuen, unterstützen sie uns immer auch dabei,
uns unserer eigenen Freude und der dazu führenden Umstände bewusster zu
werden. Sollten Sie also (kleine) Kinder haben, ermutige ich Sie
nachdrücklich dazu, ihren Kindern spontan und rasch bei erfreulichen
Ereignissen eine Rückmeldung zu geben und es den Kindern so zu
erleichtern, das mit der Situation verbundene Gefühl wahrzunehmen und im
Gedächtnis zu speichern.
Nach diesem Vorspann lade ich Sie ein, sich alle Zeit der
Welt zu nehmen und eine persönliche SCHRIFTLICHE Sammlung solcher
Erfahrungen anzulegen, die für Sie (besonders) erfreulich verliefen oder
bei denen Sie Schwierigkeiten oder außergewöhnliche Herausforderungen
erfolgreich bewältigt haben. Beispiele für erfreuliche Erfahrungen sind:
Das Erleben der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen (z.B. gut Kochen,
Schreiben, Malen, Basteln usw. können), Geburt und Erziehung von Kindern,
Feste, die „Eroberung“ einer begehrten Person, intensive Freundschaften,
schöne und entspannende (!) Urlaubserlebnisse, der Genuss besonderer
Momente (Spaziergänge, Kino- oder Restaurantbesuche), der Erhalt eines
Liebesbriefs oder einer Stellenzusage, angenehme Rückmeldungen und
Komplimente der Umwelt usw. Beispiele für bewältige Herausforderungen sind
etwa: Das Bestehen von Prüfungen (z.B. auch der Führerscheinprüfung), das
Überwinden bislang bestehender Ängste (inklusive Scham!), die souveräne
Bewältigung eines zwischenmenschlichen Konflikts, die Unterstützung eines
Anderen in schwierigen Zeiten, das mutige Vertreten der eigenen Meinung,
eine gute Platzierung in einem Wettkampf, die eigene Weiterentwicklung
usw.
Wichtig
ist, dass Sie sich bei jedem dieser Punkte immer auch das damit verbundene
Gefühl in Erinnerung rufen (damit es nie in Vergessenheit gerät bzw. immer
leichter für Sie „abrufbar“ wird). Wenn es darum geht, sich die in der
Vergangenheit erlebte Ressource wieder zugänglich zu machen, sich also in
einen entsprechend guten Zustand zu versetzen, wird Ihnen das am
schnellsten über die Erinnerung des betreffenden Gefühls gelingen.
Sie erleichtern sich die „Reaktivierung“ Ihres
„Kraftzustandes“, wenn Sie diesen mit einer kurzen und möglichst
sinnlichen verbalen Formel verbinden („ganz ruhig“, „angenehm
zuversichtlich“, „voller Kraft und Mut“, „wohltuend entspannt“). Um die
Erinnerung mit der neuen Formel verknüpfen zu können, ist es allerdings
erforderlich, dass Sie sich mehrfach mit allen Sinnen in den
„Ressourcezustand“ versetzen und dabei das positive Gefühl auch nachhaltig
spüren, während Sie laut oder leise die passende Erinnerungsformel
aussprechen.
Und noch ein letzter Tipp: Konzentrieren Sie sich beim
Erinnern ressourcevoller früherer Erfahrungen auf diejenigen Abschnitte im
Handlungsablauf, bei denen sich die positiven Gefühle einstellten.
Verzichten Sie also unbedingt darauf, auch die vorhergegangenen Handlungen
zu erinnern, sofern diese mit unguten Gefühlen verbunden waren. Beispiel:
Eine Person mit Prüfungsangst sollte die Momente vor der Prüfung möglichst
NICHT „reaktivieren“, sondern erst die Augenblicke, in denen die Erfolge
eintraten und sich das
Selbstbild verbesserte!
Kurzbeschreibung der „Kraftquelle“: Wann habe ich wo welche ANGENEHME
Erfahrung gemacht bzw. etwas Besonderes geschafft? Wie hat es sich
angefühlt? Worauf kann ich mich stützen und stolz sein? |
Beschreibung des Gefühls |
„Gefühlskürzel“
(z.B. „ganz ruhig“, angenehm zuversichtlich“) |
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Erweitern und nutzen Sie diese Zusammenstellung! Erstellen
Sie sich ein eigenes Blatt, sofern Ihnen diese Form nicht behagt oder
(hoffentlich!) der Platz nicht ausreicht. Wenn Sie sich jeden Morgen Ihre
persönlichen Kraftquellen vor Augen führen (das ist bestens investierte
Zeit!), verhelfen Sie sich selbst zu einem angenehmen Start in den Tag.
Außerdem eignet sich die Liste als Helfer für Problemsituationen, um Sie
sofort an hilfreiche eigene Erfahrungen und Kompetenzen zu erinnern.
Fragen Sie sich beispielsweise „Welche Kompetenz scheint mir gerade zu
fehlen, um dieses Problem zu lösen?“ und forschen Sie dann mit Hilfe der
Liste sowie durch weiteres Suchen nach, ob Sie die entsprechende Kompetenz
bzw. das erforderliche Können nicht längst schon in Ihrem Leben einmal
erfahren haben und daher erneut nutzen können. Viel Erfolg und Freude beim
Zusammenstellen Ihrer persönlichen Kraftquellen! |