Sie haben diese kleine Anleitung erhalten, weil ein Angehöriger, Freund
oder Bekannter unter Epilepsie leidet. Trotz der mittlerweile sehr guten
Behandlungsmöglichkeiten ist die betreffende Person nicht 100-prozentig
vor weiteren Attacken geschützt. Wie Sie sich beim Auftreten eines „großen
Anfalls“ (Grand mal-Anfall) verhalten können, erläutern die folgenden
Hinweise.
Ruhe bewahren
Große epileptische
Anfälle wirken für Außenstehende oft sehr dramatisch und beängstigend,
obwohl sie selten lebensbedrohlich sind (Ausnahme: „Status epilepticus“).
Sie helfen dem Betroffenen, anderen Anwesenden und sich selbst am meisten,
wenn Sie Ruhe bewahren und ausstrahlen. Schicken Sie deshalb Schaulustige
ruhig und entschieden weg. Weisen Sie gegebenenfalls darauf hin, dass es
sich „nur“ um einen Anfall handelt und dass Sie sich damit auskennen.
Blicken Sie auf die Uhr, um die Dauer des Anfalls beurteilen zu können.
Den typischen Anfallsverlauf kennen
Grand mal-Anfälle folgen
einem Schema. Wenn Sie dieses kennen, werden Sie sich sicherer fühlen und
weniger Grund zur Sorge haben: Meist wie eine „Blitz aus heiterem Himmel“
verliert der Patient plötzlich das Bewusstsein, wobei er manchmal vorher
einen Schrei ausstößt oder auch Urin verliert (Der Schrei ist kein
Ausdruck von Schmerz, sondern Folge herausgepresster Luft!). Durch den
Bewusstseinsverlust kann es zum Sturz und leider auch zu Verletzungen
kommen. Während des Anfalls ist die gesamte Muskulatur angespannt. Da auch
die Atemmuskulatur verkrampft, kann es vorübergehend zu einem
Atemstillstand kommen (mit einer Blauverfärbung der Haut). Nach spätestens
30 Sekunden setzt die Atmung wieder ein. Es besteht keine
Erstickungsgefahr, also keinerlei Notwendigkeit zur Wiederbelegung. Es
dauert dann noch einige Minuten, bis der Patient zu sich kommt. Er muss
sich orientieren und ist in der Regel müde und schlafbedürftig.
Gefahren und Verletzungen vorbeugen
Grand mal-Anfälle enden
in aller Regel nach einigen Minuten von selbst. Sie sind kein Notfall,
sondern ein Symptom und erfordern keine spezielle ärztliche Behandlung.
Ihre wichtigste Aufgabe ist es, den Kranken vor zusätzlichen (!) Gefahren
und Verletzungen zu schützen. Schaffen Sie eine Sicherheitszone (keine
spitzen oder kantigen Gegenstände in Reichweite!). Platzieren Sie den
Kranken um, wenn er sich in einem Gefahrenbereich aufhält
(Eisenbahnschienen, befahrene Straße, Schwimmbecken, Feuer, heißer Herd,
Treppenstufen). Verhindern Sie vor allem Verletzungen, die durch Sturz
oder Zuckungen des Patienten drohen. Fassen Sie zum Transportieren den
Kranken am Oberkörper und nicht an den Armen an (Gefahr der
Schulterausrenkung!). Versuchen Sie auf keinen Fall, den Anfall zu
„durchbrechen“ (z. B. durch Schütteln, Anschreien, Riechstoffe).
Sicher lagern
Lagern Sie den Patienten
frei auf dem Boden und schränken Sie seine Bewegungsfreiheit nicht
ein. Schützen Sie den Kopf durch eine weiche Unterlage (Decke, Kissen,
Jacke, Tasche, Mantel) oder halten Sie ihn leicht in Ihren Händen. Öffnen
Sie beengende Kleidungsstücke (Krawatte, Hemdkragen), um die Atmung zu
erleichtern. Sobald die Muskelverspannungen nachgelassen haben, kann eine
stabile Seitenlage Atmungsprobleme verhindern (z. B. Verschlucken von
Speichel oder Erbrochenem).
Mund schonen
Bei einem Grand
mal-Anfall besteht die Gefahr, dass sich der Betroffene in die Lippen
beißt. Ärzte und medizinisches Fachpersonal verwenden in solchen Fällen
mitunter spezielle „Gummikeile“. Als Laie sollten Sie auf solche Maßnahmen
verzichten, also dem Patienten nicht Gegenstände „zum Schutz“
zwischen die Lippen schieben (z. B. einen Schlüsselbund oder Löffel). Der
dadurch entstehende Schaden an Zähnen, Zunge oder Kiefergelenk ist oft
größer als eine selbst zugefügte Bisswunde. Nicht zuletzt riskieren Sie,
gebissen zu werden, wenn Sie an Mund und Zähnen des Kranken manipulieren.
Ablauf beobachten und dokumentieren
Nach einem Anfall kann
sich der Patient nicht an Einzelheiten erinnern. Deshalb ist es wichtig,
dass sie diese möglichst genau registrieren und dokumentieren. Ihre
Beobachtungen können dem behandelnden Arzt wertvolle Hinweise liefern,
Diagnostik, Therapie und Prophylaxe des Leidens zu verbessern.
Beistand gewähren
Stehen Sie dem Patienten
auch nach dem Anfall ausreichend lange bei. Sprechen Sie ihn beruhigend
an, wenn er zu sich kommt. Zeigen Sie ihm, dass Sie ihm solange helfen
werden, wie er Sie benötigt. Manchmal kann es bis zu einer halben Stunde
dauern, bis ein Anfallspatient wieder voll orientiert ist und
entsprechende Fragen beantworten kann. Ermöglichen Sie ihm eine ungestörte
Erholungsphase. Begleiten Sie den Kranken eventuell nach Hause oder rufen
Sie einen anderen Helfer bzw. Familienangehörigen an, sofern der Patient
dies möchte. Schicken Sie auch in dieser Phase Schaulustige weg, da deren
Anwesenheit für den (nicht mehr bewusstlosen!) Kranken meist unangenehm
ist. Überlassen Sie dem Patienten gegebenenfalls Ihre Telefonnummer.
Schildern Sie ihm auf Wunsch das zurückliegende Geschehen, damit er seinem
Arzt davon berichten kann.
Wünsche des Kranken respektieren
Setzen Sie sich nicht
über die Wünsche des Patienten hinweg. Dieser kennt sich am besten mit
seinem Leiden aus und kann einschätzen, welche Hilfen er in einer solchen
Situation benötigt. In der Regel ist seine Epilepsie bekannt und
behandelt.
Bei Bedarf Notarzt verständigen
Rufen Sie einen Arzt,
wenn der Krampf länger als 5 Minuten anhält, es innerhalb einer Stunde zu
mehreren Anfällen kommt oder es nach Erschlaffung der Muskulatur länger
als 5 Minuten dauert, bis der Kranke wieder zu sich kommt. Auch bei
blutenden Wunden und anderen auffälligen Verletzungen sollten Sie umgehend
einen Arzt oder Rettungssanitäter verständigen. |