Burnout hat Konjunktur.
Es ist mehr als ein psychisches Syndrom und mittlerweile zur Lebensweise
einer ganzen Generation geworden, meint Businesscoach und Trainer
Constantin Sander und hilft das Dickicht zwischen Banalisierung und
Symptombehandlung etwas zu lichten.
Viele Mediziner tun sich mit
Burnout schwer. Kürzlich berichtete ein Psychiater in einem großen
deutschen Magazin, dass Burnout an sich gar keine Krankheit sei, weil es
in keine der internationalen Klassifizierungssysteme passe. Er spricht
stattdessen von Erschöpfungsdepression. Wohl denn, was in keine
Schublade passt, wird passend gemacht. Dabei ist Depression nur eine
mögliche Ausprägung eines Burnout. Und das Symptom sagt wenig über die
Ursachen und gar nichts über die nötige Therapie aus – wenn man mehr als
nur Symptome behandeln will.
„Burnout
ist eine Kompetenz“
Burnout ist ein Zustand der
völligen Erschöpfung, ausgelöst durch permanenten Stress. Es ist eine
Folge nicht mehr kontrollierbarer Belastung, eben dann, wenn Menschen
Dinge aus dem Ruder laufen. Warnsignale sind körperliche Symptome wie
Kopfschmerz, Konzentrationsstörungen, innere Unruhe, das Gefühl des
völlig Ausgebranntseins als auch psychische Anzeichen, wie Sinnleere,
gepaart mit dem Gefühl des Getriebenseins, so Gunther Schmidt, Arzt für
Psychotherapie. Schmidt bezeichnet Burnout allerdings als Kompetenz. Es
ist die Kompetenz des Körpers den Stecker zu ziehen, bevor es endgültig
zu spät ist. Wir wissen seit langem, dass ein großer Teil der
Herz-Kreislauferkrankungen stressbedingte Ursachen haben.
Aber ursprünglich ist
Burnout eine Fahrtechnik. Mit durchdrehenden Reifen, bis die qualmen.
Danach ist Auswechseln angesagt. Diese Metapher ist recht passend und
viel besser als jede medizinische Klassifizierung, finde ich. Wer
ständig überdreht, immer auf Hochtouren fährt, der überhitzt irgendwann
allerdings nicht nur die Reifen, sondern auch den Motor. Jeder
Formel-1-Fan weiß das. Bei uns ist das nicht viel anders. Unser Körper
(zu dem auch unser Gehirn gehört) kann auch heißlaufen. Nur auswechseln
können wir ihn nicht. Und doch meinen wir, im Zeitalter des
Multitasking, die Beschleunigung immer weiter vorantreiben zu müssen.
Jede technische Revolution wälzt auch die Anforderungen an uns Menschen
um.
Selbst die digitale
Revolution hat sich diesbezüglich nicht gerade als hilfreich erwiesen.
Sie führt Dank Internet und Smartphone dazu, dass Menschen immer mehr
Online sind, ständig Informationen aufnehmen und austauschen. Unser
Körper braucht aber auch Ruhezeiten, in denen er sich wieder
regenerieren kann. Bekommt er die nicht, wird Burnout zur Lebensweise.
Gutes Zeitmanagement ist
übrigens zu dessen Vorbeugung nicht unbedingt das probate Mittel. Ein
effektiver Umgang mit Zeit kann exakt die gegenteilige Wirkung
entfalten: Eben noch mehr Aufgaben in noch kürzerer Zeit zu erledigen.
Klassisches Zeitmanagement ist ein Tool des Maschinenzeitalters, mit dem
die Taktung optimiert wird. Aber es dient nicht dazu, auf den eigenen,
inneren Takt zu hören. Dieses Gespür haben immer mehr Menschen verloren.
Darauf kommt es aber an, wenn wir nicht unsere inneren Ressourcen
ausbeuten, sondern unsere Potentiale entwickeln wollen.
Die Krux ist, dass sich die
Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung sich mit der Zunahme von
Komplexität in unserer Welt des 21. Jahrhunderts potenzieren. Das ist
faszinierend und gefährlich zugleich. Es öffnet uns eine Menge Türen,
denn nie zuvor waren Information so leicht zugänglich, war Kommunikation
so einfach und waren Entfernungen so kurz. Und diesem Raum füllen wir
nur zu gern mit engagierter Arbeit aus – oft bis zum Anschlag und
darüber hinaus.
Signale
wahrnehmen
Es wird Zeit, eben wieder
auf den inneren Takt zu hören, achtsam auf die Signale zu achten. Denn
die gibt es: Ständiges Rotieren im Job, gepaart mit Erschöpfung,
Schlafstörungen, leichter Reizbarkeit und körperlichen Symptomen, die
individuell so verschieden sein können, dass sie eben in keine
medizinische Klassifizierung hinein passen.
Wie kann die Prophylaxe
aussehen? Hier sind einige Fragen, die Sie sich stellen könnten:
·
Haben Sie ständig das Gefühl,
mit Ihren Aufgaben nicht fertig zu werden und fühlen Sie sich häufig
überfordert?
·
Fühlen Sie sich oft „neben der
Bahn“ und meinen, eher getrieben zu sein, als dass Sie Dinge wirklich
steuern?
·
Sind Sie zeitlich und
gedanklich sehr stark auf Ihre Aufgaben fokussiert und haben Sie wenig
Zeit auszuspannen?
·
Verspüren Sie oft eine innere
Unruhe, sind Sie häufiger gereizt oder sogar aggressiv?
·
Zeigen sich bei Ihnen
körperliche Symptome wie die oben genannten oder sind Sie in letzter
Zeit häufiger krank als gewöhnlich?
·
Treten Ihre realen, gelebten
sozialen Kontakte in Ihrem Privatleben hinter Ihren Job zurück? Und
empfinden Sie Ihre sozialen Kontakte als unterstützend und
wertschätzend?
·
Und wenn ich Sie fragen würde,
wie viel Sie sich tatsächlich körperlich bewegen und wie viel Sport Sie
tatsächlich treiben, fiele es Ihnen dann schwer, eine ehrliche Antwort
zu geben?
·
Wenn Sie einmal darüber
nachdenken würden, wann Sie sich zuletzt so richtig wohl gefühlt haben
und den Eindruck hatten, mit sich selbst im Reinen zu sein und in Ihrem
Leben mindestens ebensoviel Energie zu gewinnen, wie Sie aufwenden,
müssten Sie dann lange nachdenken?
Wenn Sie sich bei der
Beantwortung dieser Fragen ganz gut wiedererkennen, dann könnte es
vielleicht hilfreich sein, etwas zu ändern – vorausgesetzt Sie wollen
sich und Ihrer Gesundheit etwas Gutes tun.
Dabei kann es nicht darum
gehen, Belastungen grundsätzlich zu vermeiden. Herausforderungen zu
meistern sind ja das Salz in der Suppe unseres Lebens. Es geht vielmehr
und die Frage, wie Sie mit Belastungen stressfreier umgehen können.
Auswege
Selbstachtsamkeit ist eine
wichtige Voraussetzung für physische und psychische Gesundheit. Zu
Selbstachtsamkeit gehört neben der Fähigkeit Grenzen zu erkennen, auch
den Mut diese zu setzen. Sich selbst und anderen. Entspannung und
Bewegung sind wichtige Phasen, um Stress abzubauen. Daneben ist soziale
Vernetzung ein wichtiger Faktor für eine ausgeglichene Lebensweise.
Wohlgemerkt: Damit sind nicht virtuelle Netzwerke wie Twitter, Facebook
und Co. gemeint, sondern reale Kontakte im wirklichen Leben. Von
Angesicht zu Angesicht.
Letztlich geht es immer
wieder darum, was Aaron Antonowsky in seinem Entwurf der Salutogenese
beschrieben hat: Die Frage ist nicht, wie wir Symptome kurieren können,
sondern die Frage ist, wie wir unser Leben - zu dem auch unsere Arbeit
gehört - so gestalten, dass wir Belastungen als handhabbar, verstehbar
und sinnvoll begreifen können. Dann gelingt es uns nämlich, ein inneres
Gleichgewicht zu erhalten. Das bedeutet: Kontrolle herstellen,
irritierende Komplexität reduzieren, Multitasking zurückfahren,
Orientierung zurückzugewinnen und vor allem, die Sinnhaftigkeit unseres
Tun noch im Auge haben.
Mikail Häkkinens Satz „Wenn
Du alles unter Kontrolle hast, bist Du zu langsam.“ ist zum Credo der
Generation Burnout avanciert. Es ist die Illusion des „alles ist
möglich!“ Sind wir des Wahnsinns! Höchstleistung kann niemals zum
Dauerzustand werden und auch Multitasking ist eine neuronale
Unmöglichkeit. Das müssen auch Führungskräfte begreifen. Unser
Bewusstsein kann sich nur auf eine Aufgabe gleichzeitig konzentrieren,
unser Unbewusstes hingegen kann sehr gut multitasken. Nur: dazu braucht
es Ressourcen. Permanenter Stress reduziert aber die Fähigkeit zur
Ressourcenaktivierung. Die Generation Burnout ist daher gut beraten, die
Steuerung über ihr Leben wieder zu übernehmen. Das ist nicht nur eine
Frage der Einstellung, sondern eine Frage des Umgangs mit sich selbst.
Der Motor soll schließlich laufen und nicht ausbrennen.
Lesetipp!
Constantin Sander: Change – Bewegung im
Kopf. Ihr Gehirn wird so, wie Sie es benutzen.
3. Auflage, Januar 2012. 249 Seiten,
zahlreiche Abbildungen. 24,80 Eur[D] / 25,60 Eur[A] / 37,90 CHF UVP.
ISBN-13: 978-3-869800-77-3
http://www.businessvillage.de/Change-Bewegung-im-Kopf/eb-881.html |