Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

E-Mail: kontakt@dr-mueck.de (Keine Beratungen per Telefon oder E-Mail!) - Gerne können Sie diese Seite verlinken!

 

Web www.dr-mueck.de

Home
Nach oben
Impressum/Vorwort
Stichwortverzeichnis
Neues auf dieser Website
Angst / Phobie
Depression + Trauer
Scham / Sozialphobie
Essstörungen
Stress + Entspannung
Beziehung / Partnerschaft
Kommunikationshilfen
Emotionskompetenz
Selbstregulation
Sucht / Abhängigkeit
Fähigkeiten / Stärken
Denkhilfen
Gesundheitskompetenzen
Selbsthilfe+Gesundheitstipps
Krisenintervention
Therapeuten-Suche
Über die Praxis Dr. Mück
Konzept+Methoden
Erfahrungsberichte
Lexikon/Häufige Fragen
Innovationen / Praxisforschung
Wissenschaftsinformationen
Gesundheitspolitik
Infos auf Russisch
English Version
 

 

3.1   Besprechungen und Gespräche

Gespräche und Besprechungen gehören zum beruflichen Alltag. Das Eingangsbeispiel skizzierte eine gängige Praxis vieler Unternehmen. Verdichtet lassen sie sich die Erfahrungen kurz wie folgt darstellen:

  • Besprechungen sind häufig nicht ausreichend vorbereitet: sie finden oft ohne definierte Zielsetzung, Themen bzw. Tagesordnung und Zeitrahmen statt. Die Folge ist, dass die Teilnehmer ebenfalls nicht vorbereitet sind und der Verlauf für alle Beteiligten unbefriedigend ist.
  • Viele Besprechungen beginnen verspätet, z.B. weil die Bedeutung nicht klar ist, einige der Teilnehmer nicht rechtzeitig erscheinen. Analog sind die Terminplanungen mancher Teilnehmer so eng, dass sie vorzeitig die Besprechung verlassen müssen.
  • Häufig werden Besprechungen weder moderiert noch geleitet.
  • Die Besprechungsteilnehmer hören einander nicht wirklich zu. Es fällt ein Stichwort – und schon wird ein Gesprächsbeitrag unterbrochen. Ein wirklicher und konstruktiver Dialog im Sinne der Sache entsteht nicht.
  • Besprechungen werden immer wieder, auf Kosten der „inhaltlichen Arbeit“, zur persönlichen Profilierung genutzt.

Zurück zum einführenden Beispiel: Allein die Durchführung der Besprechung mit 10 Mitarbeitern über 2,5 Stunden verursacht durchschnittliche kalkulatorische Kosten in Höhe von 2500 – 3000 Euro. Eine deutlich schwerwiegendere Folge jedoch ist, dass die Motivation aller Beteiligten, zukünftig an einer solchen Besprechung teilzunehmen, sicherlich sinken wird.
Schade um die Zeit und Energie!
Darüber hinaus wird die fortgesetzte Wiederholung von Besprechungen dieser Art und Weise das Verhalten der Mitarbeiter und damit die Unternehmenskultur nachhaltig prägen.

Erstaunlich ist, dass die Fachliteratur zum Thema „Moderation und Durchführung von Besprechungen“ viele Regale füllt. Warum ist es in der Praxis trotzdem so schwer, effektive und befriedigende Besprechungen durchzuführen?

Was können wir für Besprechungen aus Aikidō lernen und in die berufliche Praxis übertragen?
Schauen wir uns die wichtigsten Aspekte an:

·        Ein angemessener Rahmen und eine gute Atmosphäre sind wichtig für das Gelingen
(analog zum Aikido-
Dōjō). Er macht die Bedeutung des Gesprächs für alle Teilnehmer deutlich. Es ist wichtig, einen „geschützten Raum“ für Austausch und Dialog zu schaffen. Infrastruktur und alle benötigten Hilfsmittel sind vorhanden. In einem vertrauensvollen Miteinander sind Fragen selbstverständlich und leisten einen Beitrag zum gemeinsamen Verständnis und Lernen.

  • „Pünktlichkeit“ wird übersetzt mit Wertschätzung für alle Teilnehmenden. Alle Teilnehmer investieren ihre wertvolle Zeit und Energie; die wechselseitige Wertschätzung gebietet diese nicht unnötig zu vergeuden.

·        Teilnehmer aus anderen Wissensgebieten oder Fachbereichen sprechen oft eine andere Sprache. Begriffe sind anders besetzt; die Denk- und Arbeitsweise ist meist anders entwickelt. Hier kommt es darauf an, wirklich zuzuhören und den Gesprächspartner ausreden zu lassen; wirklich verstehen wollen, statt auf ein Stichwort hin dem Sprecher ins Wort zu fallen und seine eigenen Fragen zu stellen. Mit anderen Worten: es geht darum, die Perspektive meines Gesprächpartners einzunehmen (Perspektivenwechsel analog zur Technik irimi).

·        Der vertraute Rahmen ermöglicht gemeinsames Lernen in der Praxis – mit direkter Rückkopplung über den erreichten Lernerfolg. Es ist hilfreich die Grundhaltung des Lernenden einzunehmen statt die des „Wissenden“! „Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich nach. Meine Beiträge sind wertungsfrei und wertschätzend“.

·        Jeder Teilnehmer wird meist mit unvorhergesehenen Situationen und Fragen konfrontiert. Eine Vorbereitung, die dies vollständig verhindern könnte, ist nicht möglich. Diese Situation ist vergleichbar mit der des „Freikampfes“ (Jiyu-Waza) im Aikidō. Hier kommt es darauf an den Überblick und die Orientierung zu bewahren sowie seine eigene Kompetenz und die der Gruppe zu nutzen.

·        Der Gesprächsleiter (Moderator) gibt Orientierung und versteht sich als Dienstleister für die Gruppe. Er initiiert zum Ende der Besprechung eine gemeinsame Reflexion im Sinne von:
- „Was habe ich gelernt?“
- „Was hat mir an der heutigen Besprechung gefallen?“
- „Was möchte ich verbessern?“
Dies ist eine wichtige Grundvoraussetzung für qualitative Weiterentwicklung von Teilnehmern und Organisation.

·        Jeder Teilnehmer übernimmt die unbedingte Verantwortung für den Verlauf und das Ergebnis der Besprechung bzw. des Gespräches. Jeder hat einen Gestaltungsspielraum und somit Einfluss auf das gemeinsame Ergebnis! Die „lernende Organisation“ beginnt bei ihren Mitarbeitern und ist ein langer Weg! Sie ist das Ergebnis vieler kleiner Schritte und kontinuierlicher Übung.

Auch die Durchführung von Besprechungen kann als Weg () verstanden werden: es wird nicht gleich bei der ersten Besprechung gelingen, alle „Probleme“ der Vergangenheit zu beseitigen. Lernen ist ein kontinuierlicher Prozess –eine Art Spirale- aus „Ziel, Handeln und Reflexion“ etc. Der Prozess ist umso komplexer, je mehr Menschen sich im Kontext einer Organisation gemeinsam entwickeln.

Und so könnte eine Besprechung verlaufen, wenn die Grundprinzipien des Aikidō angewendet werden:

Montagmorgen 11.00. Eine wichtige Besprechung. Die Einladung mit kurzer Agenda und Zielen habe ich vor drei Tagen erhalten. Aus der Teilnehmerliste konnte ich entnehmen, dass der Abteilungsleiter auch da sein wird. Sehr gut - ich hatte ausreichend Zeit meine Argumentation vorzubereiten. Wenn die Besprechung so gut läuft, wie sie vorbereitet wurde, werden wir wohl zügig fertig sein.
Als ich um kurz vor elf den Raum betrete, sind schon fast alle da. Beim Kaffee bleibt noch Zeit für einen kurzen Plausch mit meinem neuen Kollegen, der seit kurzem die Projektleitung hat. Mein Kollege aus der anderen Abteilung fragt mich, wie ich zu Punkt 2 der Tagesordnung stehe. Er möchte sich gerne mit mir im Anschluss noch über das weitere Vorgehen abstimmen.
Wir beginnen pünktlich. An der Wand hängt noch das Papier mit den Gesprächsregeln, welche wir gemeinsam in unserer letzten Besprechung vereinbart haben.
Der Moderator stimmt kurz die Reihenfolge der Themen und die Ziele unseres Meetings ab. Er schlägt vor, den Punkt 2 als letztes zu behandeln. Dann wird auch der Abteilungsleiter da sein, der sein späteres Kommen angekündigt hat. Das erste Thema wird zügig bearbeitet. Alle sind gut vorbereitet – die Wortbeiträge sind respektvoll und angemessen in der Dauer. Der Projektleiter hat ein Handout für seinen Vortrag mit der Einladung verteilt. Er beschränkt sich auf die wesentlichen Themen, die er auf einem Flipchart verdichtet dargestellt hat. Mittlerweile ist auch der Abteilungsleiter da. Er entschuldigt sich kurz für seine Verspätung. Der Moderator gibt ihm –in einer 5-Minutenpause-  einen kurzen Abriss der bisherigen Ergebnisse. Nach der Pause diskutieren wir kontrovers die aktuelle Situation im Projekt. Der Abteilungsleiter schätzt die Situation anders ein als der Projektleiter. Der Moderator hält den „roten Faden“ der Diskussion in der Hand; er fasst die konträren Standpunkte für alle verständlich zusammen und macht einen konstruktiven Vorschlag, der alle Positionen zufrieden stellt. Gemeinsam stimmen wir das weitere Vorgehen ab.
Nach knapp zwei Stunden haben wir alle Themen besprochen. Wir sind sicher früher fertig. Der Moderator fasst die erarbeiteten Ergebnisse und Beschlüsse zusammen. Das Fotoprotokoll der heutigen Arbeitsergebnisse werden wir heute per Email bekommen.
Es bleibt noch genügend Zeit für eine Abschlussrunde unter dem Motto „benefits & concerns“. Wir vereinbaren einstimmig, Beschlussvorlagen demnächst ebenfalls mit der Einladung zu versenden. Nach zweieinhalb Stunden endet das Meeting. Ich bin mit dem Verlauf und Ergebnis sehr zufrieden. Wir haben einen klaren Konsens für das weitere Vorgehen im Projekt erreicht. Die Sitzung hat sich wieder mal gelohnt.