Aikidō ist ein Weg
der Körper- und Geistesschulung - eine persönlichkeitsbildende Disziplin.
Es zeigt sich eine klare Parallele zur beruflichen
Kompetenzentwicklung.
Auch hier sind das Lernen und die Entwicklung mit einem formalen Abschluss
nicht beendet. Die persönliche und berufliche Entwicklung setzen sich im
Alltag und der (beruflichen) Praxis kontinuierlich fort. Vor diesem
Hintergrund wird gut verständlich, dass zunehmend mehr Unternehmen auf
ihre erfahrenen – meist älteren Mitarbeiter – zurückgreifen; diese in
Zeiten des Fachkräftemangels sogar aus dem Ruhestand zurückholen.
Durch das langjährige
Aikidō-Training wird nicht nur der Körper „trainiert“, sondern
gleichzeitig eine Vielzahl weiterer Fähigkeiten implizit entwickelt. Das
folgende Schaubild gibt einen Überblick über die Rahmenbedingungen, die
Prinzipien und diese Fähigkeiten.
Abbildung 4:
Aikidō –
Essentials
Diese Kompetenzen sind in
vielfältigen privaten sowie beruflichen Situationen von konkretem Nutzen:
bei der Kommunikation, in der Gesprächs- und Verhandlungsführung, in der
Team- bzw. Projektarbeit, bei Leitungsaufgaben sowie Mitarbeiterführung,
in der Konfliktbearbeitung und
-lösung, allgemein in unsicheren bzw. Stress-Situationen, Konfrontationen
…
Diese Fähigkeiten sind
das Ergebnis von langjährigem Training; dem Weg, der von den Aikidōka
freiwillig beschritten wird. Sie können nicht in einem
„Schnupperkurs am Wochenende“ erworben werden. Dabei wird es in den
meisten Fällen nicht so sein, dass jemand Aikidō übt, um
beispielsweise einen „besseren Umgang mit seinen und fremden Ressourcen“
zu lernen. Es ist eher ein „zweckfreies Üben“, das Spaß macht.
Viele dieser Fähigkeiten werden als Nebeneffekt des langen Übens
entwickelt. Die Übertragung in den Alltag wird dabei durch die
Reflexion des eigenen Handelns begünstigt. Die Anwendung erfolgt
häufig schon automatisch!
Ein gutes Beispiel ist
die Aikidō-Technik „Irimi nage“: Hier wechselt der Angegriffene bewusst
die Position und Perspektive. Er tritt ein in das
Zentrum
des Partners - steht nun hinter dem Partner und schaut in die gleiche
Richtung wie der Angreifer. Der Verteidiger (Nage)
betrachtet somit die Welt aus der Perspektive des Angreifers (siehe
Bildsequenz im Kapitel 7).
Wenn jemand über Jahre
hinweg immer wieder lernt die Welt bewusst aus den Augen seines Partners
zu betrachten, sind damit die Grundlagen für echten Dialog als Basis der
zwischenmenschlichen Kommunikation gelegt. Das Entstehen destruktiver
Konflikte wird durch diese Kompetenz schon im Vorfeld verhindert.
Abbildung 5:
Irimi nage (© Jürgen
Müngersdorf)
Auch in der beruflichen
Kompetenzentwicklung kommt den Rahmenbedingungen eine hohe Bedeutung zu.
Sind diese (siehe auch Abschnitt
Aikidō-Dōjō und die Bedeutung der Etikette)
unbefriedigend oder nur gering ausgeprägt, so entfällt damit eine wichtige
Erfolgsvoraussetzung für das gemeinsame Arbeiten und Lernen. Diese
Erfahrung wird jeder aus seinem beruflichen Alltag kennen. Konzentriertes
Arbeiten und Lernen gehen in einer angenehmen Atmosphäre leichter von der
Hand!
Unabhängig von der
Erfahrung des Übenden und der Intention, mit der jemand Aikidō übt, sind
für den Transfer ins private und/oder berufliche Umfeld die folgenden
Aspekte besonders geeignet:
- die offene und achtsame Haltung
des Lernenden – im Gegensatz zu „ich kann schon alles“; Aikidō oder
andere Disziplinen als Entwicklungsprozess (dō) begreifen und
leben
- Wertschätzung und die Fähigkeit
sich in Andere hinein versetzen zu können
- Übernahme von Verantwortung für
das eigene Handeln sowie Reflexion des eigenen Handelns
Diese Fähigkeiten haben
auch in der Arbeit in Organisationen eine besondere Bedeutung. Das
eingangs verwendete Beispiel aus der Besprechungspraxis vieler Unternehmen
macht dies deutlich!
Ohne die Bereitschaft, seinen Kollegen Wertschätzung entgegen zu bringen
oder die Perspektive des Gesprächpartners verstehen zu wollen, ist die
Arbeit in Organisationen unbefriedigend und ineffektiv.
Wollen Mitarbeiter und
Führungskräfte jedoch lernen, eine Praxis der Zusammenarbeit aufzubauen,
die effektives Arbeiten und gemeinsames Lernen unterstützt, so kann ihnen
Aikidō gleichzeitig als Orientierungshilfe für den Aufbau effektiver
Organisationen dienen.
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