Welche Vergütung ist für Psychotherapeuten angemessen?
Die Problematik der angemessenen Vergütung
psychotherapeutischer Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
beschäftigt seit mehr als 10 Jahren das Bundessozialgericht. Der 6. Senat
hat bereits im Jahr 1999 entschieden und nachfolgend mehrfach bekräftigt,
es müsse im Rahmen des Systems der Honorarverteilung durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen sichergestellt werden, dass ärztliche wie
nichtärztliche Psychotherapeuten ein im Vergleich zu den übrigen
Arztgruppen angemessenes Honorar für die Durchführung zeitgebundener und
genehmigungspflichtiger Psychotherapien erzielen können. Er hat hierzu
auf der Grundlage einer Modellrechnung für die Zeit bis 1998 einen
Punktwert von grundsätzlich 10 Pf (5,11 Cent) für die damals mit 1450
Punkten je Sitzung bewerteten psychotherapeutischen Leistungen für
erforderlich gehalten, der unter besonderen Umständen allerdings
niedriger ausfallen konnte. Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung
aufgegriffen und ab 1. Januar 2000 in § 85 Abs 4, 4a SGB V vorgesehen,
dass künftig der Bewertungsausschuss ‑ ein von Krankenkassen und
Kassenärztlichen Vereinigungen gebildetes Gremium der gemeinsamen
Selbstverwaltung - Regelungen zur Gewährleistung einer angemessenen Höhe
der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen je Zeiteinheit zu treffen
hat. Seitdem konzentriert sich der Streit darauf, ob die Vorgaben des
Bewertungsausschusses für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen
rechtmäßig sind.
Den ersten Beschluss des
Bewertungsausschusses - vom 16. Februar 2000 - hatte das
Bundessozialgericht als rechtswidrig beanstandet (Urteil vom 28. Januar
2004 - BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8). Die daraufhin vom
Bewertungsausschuss getroffene Neuregelung für Zeiträume ab 1. Januar 2000
führte im Jahr 2000 zu einem Mindestpunktwert für psychotherapeutische
Leistungen in Höhe von 4,08 Cent (Sachsen), 4,7294 Cent (Nordrhein) bzw
4,8071 Cent (Schleswig-Holstein); im Jahr 2004 betrug der Mindestpunktwert
4,47 Cent (Sachsen) bzw 4,84 Cent (Hessen). Auch diese Neuregelung wird
von zahlreichen Psychotherapeuten angegriffen. Sie kritisieren die
Berechnungsvorgaben des Bewertungsausschusses als einseitig zu ihren
Lasten gehend und machen zudem geltend, auch nicht vorab
genehmigungspflichtige "probatorische Sitzungen" müssten mit dem
Mindestpunktwert honoriert werden. Das Sozialgericht Düsseldorf hat eine
entsprechende Klage insgesamt abgewiesen. Hingegen haben das
Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht, das Sozialgericht Dresden und
das Sozialgericht Marburg das Klagebegehren zwar nicht in Bezug auf die
probatorischen Sitzungen, aber hinsichtlich einzelner Berechnungsvorgaben
für durchgreifend erachtet und die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung
zu erneuter Entscheidung über die Honoraransprüche nach einer
Nachbesserung des Beschlusses des Bewertungsausschusses verurteilt.
In den am 28. Mai 2008 um 10.00 Uhr,
Saal I, zur mündlichen Verhandlung anstehenden, als Musterprozess für
zahlreiche Psychotherapeuten im Bundesgebiet betriebenen
Revisionsverfahren ist zu klären, ob die vom Bewertungsausschuss am
18. Februar 2005 bekanntgemachte Neufassung des Beschlusses zur
angemessenen Höhe der Vergütung ausschließlich psychotherapeutisch tätiger
Vertragsärzte und -therapeuten rechtmäßig ist oder erneut überarbeitet
werden muss.
§ 85 SGB V lautet - soweit hier von
Bedeutung - wie folgt:
(vom 1.1.2000 bis 31.12.2001 geltende Fassung)
(1) Die Krankenkasse entrichtet nach
Maßgabe des Gesamtvertrages für die gesamte vertragsärztliche Versorgung
mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche
Vereinigung.
(4) 1Die Kassenärztliche
Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der
vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt
für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung
(§ 73). 2Sie wendet dabei den im Benehmen mit den Verbänden
der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. … 4Im
Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der Leistungen der
Psychotherapeuten und der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen
Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit
gewährleisten.
(4a) 1Der Bewertungsausschuss
(§ 87 Abs. 1 Satz 1) bestimmt erstmalig bis zum 28. Februar 2000 Kriterien
zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach Absatz 4, insbesondere zur
Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die
fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen
der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der
hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu
beachten sind; er bestimmt ferner den Inhalt der nach Absatz 4 Satz 4 zu
treffenden Regelungen. …
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Der streitbefangene Beschluss des
Bewertungsausschusses ist in Heft 7 des Deutschen Ärzteblattes vom
18.2.2005 auf Seite A-457 veröffentlicht; er kann unter www.aerzteblatt.de
auch online im Archiv eingesehen werden.
Quelle:
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Anhängige Rechtsfragen: (bitte Anklicken, externer Link)
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