Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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"Embodied Communication: Vom Senden und Empfangen zum interaktiven Erschaffen

 

Dem inspirierenden Buch „Embodied Communication“ von Maja Storch und Wolfgang Tschacher entstammt der Vorschlag, sich vom überkommenen Sender-Empfänger-Modell („Kanaltheorie“) gedanklich und praktisch zu verabschieden. Dies erspart viele oft schmerzhafte und energieverzehrende Auseinandersetzungen. Man muss nicht länger darüber streiten, wer denn nun aus einer Wortfolge die „wirkliche“ Bedeutung entschlüsselt hat bzw. „was in Wirklichkeit gemeint gewesen sei“. Dem zuletzt beschriebenen und mittlerweile klassischen Ansatz stellen die Autoren die konstruktivere Sichtweise gegenüber, dass jede Kommunikation immer eine GEMEINSAME Schöpfung darstellt. Eine solche Perspektive regt dazu an, die entsprechenden „Erschaffungsprozesse“ zu optimieren und damit eine schnell spürbare und oft nachhaltige Zufriedenheit zu erzeugen (gelebt und gefühlt als „Stimmigkeit“).

Embodied Communication – Der Körper als Kommunikationsbeteiliger

Die von Storch und Tschacher beworbene neue Kommunikationstheorie geht davon aus, dass Kommunikation immer auch verkörpert ist („embodied“) und dann besonders gut funktioniert, wenn die Kommunikationsbeiträge aller Beteiligten ausreichend „synchronisiert“ sind. „Embodiment“ meint (verkürzt gesagt), dass unsere Emotionen, Affekte und Gedanken immer auch von Körperhaltungen und Muskelaktivierungen beeinflusst werden. Auch gibt es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen, die zeigen, dass wir auf nervlicher Ebene das ursprüngliche körperliche Erleben automatisch auch dann wiederholen, wenn wir lediglich Sprache oder abstrakte Zeichen verwenden. So lässt das ausgesprochene oder gelesene Wort „Lecken“ im Gehirn auch diejenigen Bereiche aktiv werden, die das Lecken motorisch steuern. Ähnlich aktiviert das Wort „Zimt“ im Gehirn Nerven, welche am Riechvorgang beteiligt sind. Eine Kommunikation ohne sensomotorische Körperbeteiligung erscheint somit unmöglich. Für unser Gehirn macht es keinen großen Unterschied, ob wir uns eine Situation nur vorstellen, diese konkret beobachten oder selbst die entsprechende Erfahrung machen.

„Resonanz“ erzeugen

Die Autoren orientieren sich an der „Systemtheorie“, nach der wir Menschen „selbstorganisierende“ Systeme sind, auf die von außen nicht steuernd und gezielt auf Einzelheiten zugegriffen werden kann. Lediglich über die Veränderung von „Randbedingungen“ ist eine (allerdings wenig voraussagbare) Beeinflussung möglich. Storch und Tschacher regen an, die „Illusion der Gerichtetheit“ von Kommunikation („des eines nach dem anderen“) aufzugeben. Denn Kommunikation findet – so ein anderes Bild – permanent im Gegenverkehr statt, da auch der formal Zuhörende ständig sein Beteiligtsein am Geschehen signalisiert. Kommunikation ist demnach etwas, das sich als Ausdruck von Beziehung und Interaktion zwischen zwei Menschen ereignet. Es ist nicht ein wechselseitiges und serielles hin und her Bewegen von „Informationen“ zwischen Sendern und Empfängern. Gegen eine vermeintlich vom Sender kontrollierbare Kommunikation spricht nicht zuletzt, dass auch unbewusste und damit unkontrollierbare Einflüsse in jeder Kommunikation eine Rolle spielen. Kommunikation gelingt nach Auffassung der Autoren in dem Maße, wie es zu einem „synchronisierten Embodiment“ zwischen den Beteiligten kommt. Ein solches lässt sich mit Begriffen bzw. Formulierungen beschreiben wie Imitation, Mimikry, Ansteckung, Resonanz, Zusammenschwingen, Gefühl von Stimmigkeit und „Kommunikation läuft gut“. Bei Menschen mit sog. sicherer Bindung ist dies häufiger der Fall. Optimal scheint ein „mittleres Synchronisierungsniveau“ zu sein. Nachahmung war offenbar immer schon für die menschliche Entwicklung sehr relevant, sofern sie sich auf Phänomene bezog, die lebenswichtig waren bzw. Vorteile erwarten ließen. Warum sollte Nachahmung (Resonanz) in der Kommunikation eine geringere Rolle spielen? Gelingende Kommunikation erkennt man also weniger an ihren Inhalten, als vielmehr daran, dass sie „gut läuft“. Dies ist der Fall, wenn dabei weniger nach der Wahrheit als vielmehr nach Stimmigkeit gesucht wird (was letztlich in eine gemeinsam entwickelte Wahrheit münden kann).

Aufmerksamkeit sowie offene Augen und Ohren fördern Synchronie

„Verstehen“ ist für die Autoren daher vor allem ein „affektives“ und auf Synchronie abzielendes Geschehen, das mit dem Gefühl von Stimmigkeit verbunden ist. Zusätzlich gibt es natürlich auch eine „geistige Synchronie“, die sich im Entwickeln gemeinsam getragener Bedeutungen manifestiert. Synchronie kann man durch ein „AAO-Geschenk“ fördern, indem man beim Kommunizieren 1. aufmerksam ist (bezüglich der Situation, der eigenen Affekte und der des Gegenübers), 2. die Augen aufhält (Wechsel zwischen direktem Blickkontakt und peripherem Gesichtsfeld) und 3. die eigenen Ohren dem anderen leiht. Wer Aufmerksamkeit (ein Zeit-Geschenk) erhält, fühlt sich allein dadurch meist besser. Jede Wartezeit wird erträglicher, wenn der Wartende zwischendurch Aufmerksamkeit erhält. Ohne Blickkontakt ist keine körperliche Synchronie möglich, zugleich verteilt man durch Blickkontakt „Blick-Geschenke“. Vor allem beim „aktiven Zuhören“, bei dem man das Gehörte mit eigenen Worten bzw. darauf bezogenen Fragen wiederholt, werden eigene Geschichten (Erfahrungen) mit denen des Gegenüber synchronisiert. Die Nach-Frage dient nicht nur dem anderen, sondern auch dem eigenen Bemühen, sich einschwingen zu können und so ein Stimmigkeitsgefühl entstehen zu lassen. Zudem ist echtes Zuhören eine heilsame Intervention. Auch wenn die Herstellung von Synchronie ein wichtiges erstrebenswertes Ziel ist, sollte man sich eingestehen, dass nicht jeder Menschen dazu bereit und in der Lage ist und dass es durchaus auch Situationen gibt, in denen es angemessen sein kann, heftig zu reagieren.

Wann und wie kommunizieren?

Die Autoren raten dazu, nicht bei jeglichem „Problem“ (erkennbar am Ausmaß eigener „negativer“ Affekte) die Kommunikation mit dem (vermuteten) Problemerzeuger zu suchen. Günstiger ist es, ein bereits „gut laufendes“ Kommunikationsgeschehen zu nutzen, um auf dieser Basis auch einmal ein belastendes Thema anzusprechen. Wer sich schon vor dem Beginn eines Gespräches schlecht fühlt, wird nur mit großer Anstrengung ein Erleben von Stimmigkeit fördern können. Als Orientierungshilfe empfehlen die Autoren, ein im zwischenmenschlichen Kontakt auftretendes Unwohlsein (negativer Affekt) auf einer Skala von Null bis 100 einzustufen. Für Werte unter 33 raten sie, den Vorfall als Lappalie auf sich beruhen zu lassen. Für Werte zwischen 33 und 66 schlagen sie vor, die Situation für sich selbst mit Hilfe von Selbstregulationsmechanismen zu entschärfen. Hierbei kann es hilfreich sein, sich in einem ruhigen Moment möglichst 5 Möglichkeiten zu überlegen („Wunderrad-Methode“), wie man selbst konstruktiv auf das „Problem“ reagieren könnte. Allein schon die Möglichkeit, anschließend auswählen und ausprobieren zu können, verbessert die Situation oft emotional. Erst wenn das eigene Unwohlsein den Wert 66 überschreitet, sollte man „Kommunikation“ suchen, dann allerdings nicht mit dem (vermeintlichen) Täter, sondern mit einem professionellen Helfer bzw. jemandem, der auch mit heftigen Affekten konstruktiv umgehen kann. Für solche Situationen schlagen die Autoren außerdem die Philosophie des „Pizza-Werfens“ vor. Dieses Bild beschreibt die menschliche Neigung, bei heftigen Affekten dem Gegenüber den gesamten Pizza-Belag ins Gesicht zu schleudern, obwohl der oder die Betreffende allenfalls für einen winzigen Teil des Belags verantwortlich sind. Hier hilft es, die Vielfalt des Belags (also der aktuellen Belastungen, Probleme, Kränkungen) in Ruhe zu analysieren, zu bewerten und mit jeweils passenderen Lösungen zu versehen, um anschließend in aller Regel wieder konstruktiv auf das Gegenüber zugehen zu können. Ein weiterer Vorschlag der Autoren für verfahrenere Situationen ist der Ideenkorb. Hierbei bittet man möglichst viele Bezugspersonen, Lösungsideen für ein Problem zu entwickeln, die man dann in einem imaginären oder echten Ideenkorb dankend einsammelt, um sie mit Hilfe von „Affekt-Bilanzen“ in Ruhe auf ihre Eignung zu überprüfen. Paaren mit Kommunikationsproblemen raten Storch und Tschacher, sich wechselseitig fünfminütige AAO-Päckchen (siehe oben) zu schenken. Wenn man sich gegenseitig die eigenen Sichtweisen mitteilt, sollte das Bemühen darauf abzielen, diese Sichtweisen zu synchronisieren, so dass letztlich eine gemeinsame und sich stimmig anfühlende Geschichte entsteht, auf die sich beide künftig mit positiven Gefühlen beziehen können. Dabei ist – um es zu wiederholen – weniger der sachliche Inhalt der Geschichte bedeutsam, als die nunmehr geteilten positiven Affekte bzw. die erlebte Resonanz. In meinen eigenen Paar-Coachings darf ich immer wieder die mich stets tief berührende Erfahrung machen, dass sich weiterhin missverstanden fühlende Partner plötzlich im Einklang (in Resonanz) fühlen, wenn sie meiner Einladung folgen, sich gegenseitig in den Arm zu nehmen. Ich kenne kein mich mehr beeindruckendes Beispiel von „Embodied Communication“.

Wer genauere Einzelheiten zu den hier zusammengefassten Gedanken des wirklich lesenswerten Buches erfahren möchte, ist herzlich eingeladen, dieses nun selbst zu studieren. Eine großzügige Geste der Autoren ist es, dass sie das Bildmaterial des Buches kostenlos zum Download anbieten (www.ismz.ch)