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Nach fast einem Vierteljahrhundert
psychotherapeutischer Erfahrung als niedergelassener Arzt beeindruckt es
mich immer wieder, wenn Patienten auf meine Frage „Was hat Ihnen am
meisten in unserer Zusammenarbeit geholfen?“ vor allem antworten „Dass
Sie mir zugehört haben“. |
Nicht meine in zahlreichen Fortbildungen
erworbenen Spezialkenntnisse, Fähigkeiten und Techniken waren es, die
Platz 1 der hilfreichsten Erfahrungen einnahmen, es war die bloße
Tatsache des Zuhörens. Dabei gilt es, verschiedene Formen des Zuhörens
zu unterscheiden, von denen das „aktive“ Zuhören zweifelsfrei eine der
mächtigsten und hilfreichsten Varianten ist. Wie schon das Adjektiv
„aktiv“ verdeutlicht, geht es NICHT darum, dass der Zuhörer oder die
Zuhörerin einen möglichen Redeschwall passiv über sich ergehen lässt.
Vielmehr „verhält“ sich ein „aktiv Zuhörender“ in einer Weise gegenüber
dem „Redefluss“, der auch für Außenstehende erkennbar „aktiv“ ist. Das
Spektrum der Verhaltensweisen beginnt bei einer zugewandten
Körperhaltung, die der Körperhaltung des Sprechers ähnelt und dessen
Bewegungen nachvollzieht, und erstreckt sich über kurze Äußerungen wie
„Aha!“, „Mmmh!“ „Na, so was“ bis hin zu mehr oder weniger umfangreichen
Zusammenfassungen des Gehörten.
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Wesentlich erscheint dabei, dass die
„Aktivität“ des Zuhörers sich nicht in einer echohaften wörtlichen
Wiederholung des Gehörten erschöpft. Denn dies würde den Sprecher rasch
„nerven“, wenn er sich dabei „nachgeäfft“ fühlt. Vielmehr kommt es
darauf an, dass in der „Antwort“ (manche sprechen von Reflexion oder
Spiegelung) zumindest auch eine Prise von eigenem Erleben (Denken,
Fühlen) des Zuhörers steckt. Dies signalisiert dem Sprecher, dass der
Zuhörer tatsächlich ebenfalls an dem Kommunikationsgeschehen beteiligt
ist und nicht nur als Echo-Automat funktioniert. Im Falle einer
ausführlichen „Spiegelung“ erhält der Sprecher zudem die Möglichkeit,
das von ihm zuvor Gesagte mit dem Gehörten zu vergleichen. Ein solcher
Vergleich erleichtert es dem Sprecher, sich der eigenen Äußerung
bewusster zu werden und für sich selbst zu überprüfen, was er denn
selbst genau gemeint hat und vielleicht dem Gegenüber vermitteln will.
Die klassische Gesprächstherapie würde in diesem Zusammenhang sagen,
dass der Sprecher durch die Reflexion des Gesagten die Möglichkeit
erhält, sein eigenes Erleben zu „aktualisieren“, dieses also auf einen
Erkenntnisstand zu bringen, welcher der momentanen Situation besser
entspricht. Vor diesem Hintergrund wird zugleich verständlich, warum
lange Redepassagen für den Sprecher eher selten hilfreich sind. Denn
dadurch nimmt er dem Gegenüber die Möglichkeit, ihm
bewusstseinsfördernde und klärende Rückmeldungen zu geben. Lange
Redepassagen erschweren es dem Zuhörer zudem, sich (alle) wichtig
erscheinenden Gesichtspunkte zu merken und gleichzeitig konzentriert dem
Redefluss zu folgen. |
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Hilfreiche Formulierungen für das einfache „aktive Zuhören“ lauten zum
Beispiel: „Habe ich richtig verstanden, dass…“ „Sie meinen also, dass…“.
Zum aktiven Zuhören gehört auch die Einladung „Erzählen Sie mir noch
mehr davon.“ Aktives Zuhören kann und darf auch Impulse setzen, indem
der Zuhörer einzelne Aspekte des Gehörten besonders hervorhebt, etwa in
der Form „Höre ich richtig heraus, dass es Ihnen vor allem darum
geht….?“ „Es klingt für mich, als wäre das Wichtigste für Sie…“ Alle
Rückmeldungen sollten bewertungsfrei sein. Eine in therapeutischen
Zusammenhängen oft sehr hilfreiche Spiegelung betrifft das Aufgreifen
des emotionalen Gehalts einer Mitteilung. Beispiele: „Die geschilderte
Situation scheint Ihnen Angst zu machen, obwohl Sie gleichzeitig mit
Gefühlen der Trauer kämpfen.“ Oder: „Eine solche Erfahrung scheint Sie
innerlich zu erregen, ja verzweifeln zu lassen.“ Oder: „Wenn ich so
etwas höre, macht mich das traurig. Inwieweit entspricht das auch Ihrem
Erleben?“ Die letztgenannte Formulierung zeigt, dass Fragen durchaus zum
„aktiven Zuhören“ passen, sofern diese den Sprecher motiviert, sein
Thema genauer zu erforschen („explorieren“). |
Mögliche Beispielsfragen lauten: „Was genau
an dieser Situation macht Sie so traurig?“ „Welche eigenen
Lösungsmöglichkeiten haben Sie zu der beschriebenen Problematik schon
entwickelt?“ Um die Selbstexploration des Sprechers nicht zu bremsen und
nicht in ein Verhör zu verfallen, sollten Fragen eher zurückhaltend
gestellt werden und hinter der Häufigkeit von Spiegelungen deutlich
zurücktreten. „Geschlossene Fragen“ (auf die man normalerweise nur mit
„ja“ oder „nein“ antwortet) verleiten zum Verhör und verhindern damit
„aktives Zuhören“. In diesem Zusammenhang hilfreich sind vor allem
„offene Fragen“ („Wie stellen Sie sich das vor?“ „Welche Ideen haben |
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Sie selbst dazu?“ „Inwiefern bereitet
Ihnen das Sorgen?“). Eine bewährte Frage, die einen langen Redefluss
konstruktiv beenden kann, lautet „Was genau wollen Sie mir damit
sagen?“. Hilfreich kann in solchen Fällen auch die Frage sein: „Wenn
unser Gespräch jetzt zu Ende wäre, wären Sie dann mit dessen Verlauf
zufrieden oder würde Ihnen noch etwas fehlen?“. Grundsätzlich empfehle
ich meinen Patienten für schwierige Gespräche die Devise „Lieber fragen
als sagen.“
Wie die bisherigen Ausführungen hoffentlich klar genug zeigen, ist
aktives Zuhören alles andere als eine Einbahnstraßenkommunikation. Sie
gelingt vor allem dann, wenn sich der Zuhörer tatsächlich als ein „resonanter“
Partner zur Verfügung stellt. |
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Mit anderen Worten: Es gilt, zuerst das
Gehörte auf sich einwirken zu lassen (dafür bedarf es nicht selten einer
Pause!), um dann im zweiten Schritt eine „persönliche“ Spiegelung
anbieten zu können. Aufgrund dieses Zusammenhangs ist es möglich, dass
sich sowohl im Zuhörer wie auch im Sprecher etwas verändert, was von
beiden als gelingendes Gespräch erlebt werden kann.
Gelingendes Aktives Zuhören setzt eine
Gesprächshaltung voraus, die der Begründer der klientenzentrierten
Gesprächstherapie Carl Rogers mit den Begriffen (bedingungslose)
Wertschätzung (des Klienten), Empathie (Einfühlen in den Klienten) und
Kongruenz (Echtheit, Authentizität, Übereinstimmung zwischen eigenem
Reden, innerer Einstellung und Verhalten) beschrieben hat. Diese
Umstände fördern das Vertrauen des Sprechers zum Zuhörer und
gewährleisten dem Sprecher die notwendige Sicherheit in der Beziehung
zum Zuhörer. Sie erleichtern es dem Sprecher, sich auf Gedankengänge und
innere Erfahrungen einzulassen, die möglicherweise sogar schmerzhaft
sein und / oder das bisherige Selbstbild verändern können.
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Auf Seiten des Zuhörers ist es durchweg
hilfreich, wenn dieser auch Schweigen aushalten kann. Oft erwächst
gerade aus dem Schweigen Neues, während der dahinplätschernde Redefluss
häufig nur eingefahrene Standardfloskeln wiederholt.
Aktives Zuhören gelingt nur dann, wenn der
Zuhörer sich wirklich auf den Sprecher einlassen kann. Aktives Zuhören
fördert die Eigenaktivität und Selbstheilungskräfte des Klienten sowie
dessen Bereitschaft, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen (statt
sich auf Ratschläge anderer zu beziehen und die Fremdstrategien dann für
Erfolg oder Scheitern verantwortlich zu machen). Wachsende
Eigenaktivität und Eigenverantwortung können besonders solche
„zuhörende“ Helfer entlasten, die sich schnell für Leid und Lösungen
anderer verantwortlich fühlen. |
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