Im Verlauf
einer Psychotherapie ist es immer wieder sinnvoll, kritisch Bilanz zu
ziehen und sich - im Falle einer tiefenpsychologisch fundierten
Psychotherapie - unter anderem folgende Fragen zu stellen:
1. Warum hatte ich mich ursprünglich entschlossen, eine Psychotherapie
zu beginnen? Was wollte ich für mich erreichen?
Ursprünglich hatte ich mich für eine PT entschieden, da sich mein Leben
auf Grund bestimmter Verhaltensmuster in eine einseitige Richtung
entwickelt hat. Ich wollte erreichen aus diesen Mustern auszubrechen, zu
lernen, was die Gründe und Ursachen für diese Muster sind und gleichzeitig
ein Verständnis für bestimmte Instrumente und ihre Einsatzmöglichkeiten
zu entwickeln, um diese Muster erfolgreich zu verändern, fähig zu sein
diese Muster nach Belieben zu verlassen.
2. Was habe ich durch die bisherige Therapie für mich erzielt? Was
erlebe ich jetzt anders und was mache ich bereits anders? Welche
neuen Verhaltensmöglichkeiten und Sichtweisen stehen mir jetzt zur
Verfügung?
Durch die PT habe ich erst ein wirkliche Erkenntnis meiner Muster
gewonnen, habe verstanden, dass ihre Ursache in meiner Vergangenheit zu
suchen sind, dass meine Eltern, meine Schwester, mein ganzer Lebenslauf
bis zum Beginn der PT diese Muster konditioniert haben, ein regelrechtes
Training diese Muster verstärkt hat. Ich habe verstanden, dass es mir
hilft ständig und immer wieder mein bisheriges Verhalten ins Positive
gewandelt ins Bewusstsein zu holen, ich möchte also mit den positiv
formulierten Therapiezielen im Blick voranschreiten. Ich habe durch die
bisherige PT eine Fülle von Instrumenten vermittelt bekommen, die mich
stark machen, überlegen gegen meine bisherigen Muster und ich diese klug,
regelmäßig und konstant einsetze, mit dem Ziel diese bald in mein Wesen
und mein Verhalten aufgenommen zu haben.
Ich
habe ein Bewusstsein für die Möglichkeiten der Instrumente entwickelt,
wodurch ich es schaffe, eine Selbstanalyse in schwierigen Situationen zu
betreiben („Was passiert jetzt gerade? Warum tue ich das? Was ist der
richtige Weg?“). Ich kann dieses Verständnis schon erfolgreich in der
Kommunikation mit anderen einsetzen, kann auch die Möglichkeiten der
Instrumente meinen mir vertrauten Personen vermitteln (Metagespräch;
Bedeutung von Worten, Gesten und Handlungen; Feedback erfragen;
Perspektivwechsel -> bedenke den Hintergrund der anderen Person; jeder hat
verschiedene Persönlichkeiten in sich; ‚Sprich aus dem Herzen, fass Dich
kurz!’; Klimaverbesserung; Triggern; Entspannungsübungen;
Anti-Scham-Training; Lizenz zum Verrückt sein) und weiß, dass mich der
Einsatz der Instrumente positiv verändern kann.
Ich
setze eine Mischung der Instrumente bereits ein, bin sicherlich etwas
ruhiger und entspannter geworden, weniger launisch. Ich spüre zwar noch,
dass sich schwierige Situationen noch nicht vermeiden lassen, aber ich
schaffe es ein Bewusstsein für die Hintergründe und die Entwicklung hin zu
diesen Situationen zu entwickeln.
Ich
habe mehr und mehr verstanden, dass erst wenn ich mich den Situationen
aussetze und wieder die bisherigen Muster erkenne, der Druck diese
Instrumente dann auch erfolgreich einzusetzen mich weiterbringen. Das
bloße Wissen ist nur ein erster Schritt, wichtiger ist die erfolgreiche
Umsetzung in der Praxis, im tagtäglichen Leben.
3. Inwieweit hat sich mein Befinden geändert?
Ich
fühle mich in vielen Situationen selbstbewusster, bin ruhiger, weniger
bemüht um Harmonie und suche mehr die Auseinandersetzung mit Themen, die
mir wichtig sind. Inzwischen genieße ich manchmal, die Meinung anderer zu
verwerfen, um meine Ziele in den Vordergrund zu rücken. Ich bin motiviert,
die Instrumente einzusetzen, nicht immer, aber langsam entwickelt sich
eine Kontinuität. Ich handle in einigen Situationen überlegter, weniger
schnell und wäge mehr die Vor- und Nachteile meines Handels ab. Ich bin
selbstkritischer und erkenne, dass ich mich in der Vergangenheit oft
selbst belogen habe, da ich mich nicht mit Problemen auseinandersetzen
wollte, sondern lieber Erklärungen für mich selbst gefunden habe, diesen
aus dem Weg zu gehen.
4. Wie erkläre ich mir mittlerweile, warum und wie ich zu dem Menschen
geworden bin, der ich heute bin?
Mein Vater war selbstbewusst, handelte risikoreich. Meine Mutter hat ihn
bewundert, musste aber auch immer wieder eingreifen, um das Risiko seines
Handels zu minimieren. Nachdem der wirtschaftliche Erfolg ausblieb, war
sie irgendwann wegen seines Verhaltens und seiner Einstellung enttäuscht,
sie hat aber nie viel darüber gesprochen, hat sich enttäuscht und manchmal
aber auch wütend zurückgezogen und heftig mit ihm gestritten. Ich bin in
dieser Atmosphäre des Streits, des Widerspruchs aufgewachsen, ich habe
versucht Harmonie wieder herzustellen, habe so gelernt, dass nicht alles
immer angesprochen und ausdiskutiert werden soll. Ich habe wenig von dem
Selbstbewusstsein meines Vaters mitbekommen, eher von der zurückhaltenden
Art meiner Mutter.
Ich
habe meine Schwester immer bewundert, meine Mutter hat sie sehr streng
behandelt. Meine Schwester wollte nicht, dass ich so ein enges Verhältnis
zu meiner Mutter habe, war eifersüchtig.
In
Polen fühlte ich mich immer unterlegen, als der ungeliebte ‚Deutsche’, ich
habe nie geschafft mich zu behaupten, wollte mich anpassen und
dazugehören.
5. Welche Ereignisse und Personen haben im Rückblick eine besondere Rolle
in meinem Leben gespielt ( Kindergarten, Schule, Beruf, Unfälle,
Krankheiten, Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkels)? Warum waren diese
für mich so bedeutsam?
Prägende Situationen: Viele Situationen mit meiner polnischen
Verwandtschaft waren sehr prägend; der ständige Hinweis auf meine deutsche
Herkunft, der aber nie sachlich und kritisch, sondern eher zwischen den
Zeilen zu erkennen war. Das hat dazu geführt, dass ich immer mit einer
gewissen Anspannung nach Polen gefahren bin, zumindest wenn
Familientreffen geplant waren.
Die
Freude, die ich empfunden habe, wenn meine Schwester über meine
Geschichten gelacht hat, die aber gar nicht wahr waren, sondern die ich
nur erfunden habe, um sie zu beeindrucken. Da das funktioniert hat, habe
ich das auch gegenüber anderen praktiziert. Ich denke, dass ich mich so
auch dazu ‚konditioniert’ habe mein Vermeidungsverhalten sogar mir selbst
gegenüber zu begründen.
Bis
zur zehnten Klasse war ich in der Schule zusammen mit anderen Freunden der
Wortführer, aber in der Oberstufe kamen wir mit den älteren Schüler
zusammen, die uns diese Rolle genommen haben und es gab eine besondere
Situation, dass einer dieser älteren Schüler mich als „Scheiß Polen“
bezeichnet hat und ich vom Rest der Schüler keine Unterstützung bekommen
habe. Das hat mir ein großes Stück Selbstbewusstsein genommen.
Natürlich war die Zeit während ich offiziell mit Sandra zusammen war, mich
aber auch gleichzeitig mit Beate getroffen habe, eine ungewöhnliche, aber
auch für mich typische Zeit. Anstatt mich mit meinen Beziehungsproblemen
auseinanderzusetzen, bin ich diesen ausgewichen. Erst als es gar nicht
mehr anders ging, habe ich gehandelt, aber auch da nur auf Grund des
Drucks von Sandra und Beate.
6. Weshalb erscheint es mir sinnvoll, die Therapie fortzusetzen bzw. sie
zu beenden? Was verspreche ich mir davon? Was genau möchte ich für
mich selbst noch erreichen? Was möchte ich künftig können?
Es
ist absolut sinnvoll die PT fortzusetzen, da ich Kontrolle und Druck
benötige. Kontrolle über meinen Fortschritt und Druck nicht wieder
auszuweichen und Begründungen für irgendein Vermeidungsverhalten zu
finden. Ich verspreche mir von der PT, dass ich Schritt für Schritt die
Spannweite meines Verhaltens über die bisherigen Muster hinaus vergrößere,
die Instrumente automatisch einsetze und mit der entsprechenden
Dokumentation auch eine Motivationshilfe für die Zukunft zur Hand habe.
Ich will wie in den Therapiezielen formuliert viele Entscheidungen
‚musterfrei’ treffen, peinliche Situationen lockerer ertragen und weniger
nachhaltig erleben. Denn ich denke, peinliche Situationen wird es
natürlich immer geben, aber ich will weiter lernen diese besser einordnen
zu können und weniger Bedeutung beizumessen, bzw. zu erkennen, dass diese
gar nicht peinlich sind.
7. Welche Stunden, Erlebnisse, Erkenntnisse und Sichtweisen in der
Therapie waren besonders bedeutsam? Worauf bin ich besonders stolz? Wovon
wünsche ich mir in der Therapie noch mehr?
Besonders bedeutsam fand ich die praktische Erkenntnis des
Perspektivwechsels, der durch die Wahl des anderen Sessels mir plötzlich
die Sicht auf das Bild mit dem Kölner Dom ermöglicht hat.
Triggern ist ein einfaches, aber sehr wichtiges Instrument für mich
geworden.
Die
Sitzung mit meiner Freundin war wichtig, denn in dieser Sitzung wurde mir
auch mein Selbstbelügen wieder vor Augen geführt. Die Lizenz zum Verrückt
sein ist ganz wichtig für mich, denn sie ermöglichte mir den schnellen
Einstieg zur Veränderung, kleine Erfolge motivieren und ich kann es immer
als Begründung für ‚anderes’ Verhalten nehmen.
Stolz bin ich, einige dieser Instrumente regelmäßig eingesetzt und zum
Teil verinnerlicht zu haben. Ich habe ein ständiges Bewusstsein für den
Einsatz der Instrumente.
Ich
bin sehr zufrieden mit der PT, daher habe ich keinen konkreten
Verbesserungswunsch.
8. Was hat mir an der Therapie bzw. dem Therapeuten missfallen? Was
könnte man noch ändern? Worauf habe ich meinen Therapeuten noch nicht
angesprochen?
Wie
schon gesagt, ich bin sehr zufrieden, wenn ich zu diesem Zeitpunkt
eigentlich schon weiter hätte sein können, so liegt es an mir und nicht an
der PT, ich muss mehr tun, mich mehr trauen und nicht ausweichen.
9.
Was konnte ich in der Therapie darüber lernen, wie ich mich in Beziehungen
verhalte? Inwieweit bin ich mit meinem Therapeuten ähnlich umgegangen, wie
ich mit anderen Menschen umgehe?
Ich
habe verstanden, dass ich das Verhalten meiner Mutter zum Teil übernommen
habe.
Mit
selbstbewussten Menschen führe ich nicht gerne Diskussionen, passe mich
eher dann der Meinung des Anderen an.
Umso heftiger reagierte ich bei anderen, denn ich habe dann nicht fair
gehandelt, sondern habe die Konfrontation gesucht. Ich habe also nicht
nach der Bedeutung der Worte gesucht, sondern sofort die negativste
Interpretation gewählt.
Aber auch in für mich schwierigen Situationen habe ich meistens eine
negative Bedeutung der Worte und der Handlungen anderen Personen
angenommen, kein Feedback erfragt und so Druck gespürt, der gar nicht
vorhanden war.
In
der Beziehung mit meiner Freundin habe ich oft meine Kritikpunkte
verschwiegen, mich abgewendet und auf ihre Reaktion gewartet, sie also
gezwungen mich auf mögliche Probleme anzusprechen. Aber auch auf
Nachfragen hin erst keine Reaktion gezeigt, erst nach mehrfachem
Nachfragen erst die Probleme vorwurfsvoll formuliert angesprochen.
Ich
habe zu Beginn der Gespräche mit dem Therapeuten sicherlich meinem Drang
nach Harmonie nachgegeben, denn ich habe meinen Fortschritt in der
Nachbetrachtung positiver dargestellt als er möglicherweise wirklich war.
Dabei ‚überzeuge’ ich nicht nur andere, sondern auch mich selbst. Dies ist
dann im Verlauf der Sitzungen klarer geworden und nun passiert das nicht
mehr. |