Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Beispiel einer Selbstanalyse (9)
- Therapie-Zwischenbilanz (Patient, 10x2 Sitzungen) -

(zum zugrunde gelegten Formular)

 

Im Verlauf einer Psychotherapie ist es immer wieder sinnvoll, kritisch Bilanz zu ziehen und sich - im Falle einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie - unter anderem folgende Fragen zu stellen:

1.   Warum hatte ich mich ursprünglich entschlossen, eine Psychotherapie zu beginnen? Was wollte ich für mich erreichen?

Ursprünglich hatte ich mich für eine PT entschieden, da sich mein Leben auf Grund bestimmter Verhaltensmuster in eine einseitige Richtung entwickelt hat. Ich wollte erreichen aus diesen Mustern auszubrechen, zu lernen, was die Gründe und Ursachen für diese Muster sind und gleichzeitig ein  Verständnis für bestimmte Instrumente und ihre Einsatzmöglichkeiten zu entwickeln, um diese Muster erfolgreich zu verändern, fähig zu sein diese Muster nach Belieben zu verlassen.

2.   Was habe ich durch die bisherige Therapie für mich erzielt? Was erlebe ich jetzt anders und was mache ich bereits anders? Welche neuen Verhaltensmöglichkeiten und Sichtweisen stehen mir jetzt zur Verfügung?

Durch die PT habe ich erst ein wirkliche Erkenntnis meiner Muster gewonnen, habe verstanden, dass ihre Ursache in meiner Vergangenheit zu suchen sind, dass meine Eltern, meine Schwester, mein ganzer Lebenslauf bis zum Beginn der PT diese Muster konditioniert haben, ein regelrechtes Training diese Muster verstärkt hat. Ich habe verstanden, dass es mir hilft ständig und immer wieder mein bisheriges Verhalten ins Positive gewandelt ins Bewusstsein zu holen, ich möchte also mit den positiv formulierten Therapiezielen im Blick voranschreiten. Ich habe durch die bisherige PT eine Fülle von Instrumenten vermittelt bekommen, die mich stark machen, überlegen gegen meine bisherigen Muster und ich diese klug, regelmäßig und konstant einsetze, mit dem Ziel diese bald in mein Wesen und mein Verhalten aufgenommen zu haben.

Ich habe ein Bewusstsein für die Möglichkeiten der Instrumente entwickelt, wodurch ich es schaffe, eine Selbstanalyse in schwierigen Situationen zu betreiben („Was passiert jetzt gerade? Warum tue ich das? Was ist der richtige Weg?“). Ich kann dieses Verständnis schon erfolgreich in der Kommunikation mit anderen einsetzen, kann auch die Möglichkeiten der Instrumente meinen mir vertrauten Personen vermitteln (Metagespräch; Bedeutung von Worten, Gesten und Handlungen; Feedback erfragen; Perspektivwechsel -> bedenke den Hintergrund der anderen Person; jeder hat verschiedene Persönlichkeiten in sich; ‚Sprich aus dem Herzen, fass Dich kurz!’; Klimaverbesserung; Triggern; Entspannungsübungen; Anti-Scham-Training; Lizenz zum Verrückt sein) und weiß, dass mich der Einsatz der Instrumente positiv verändern kann.

Ich setze eine Mischung der Instrumente bereits ein, bin sicherlich etwas ruhiger und entspannter geworden, weniger launisch. Ich spüre zwar noch, dass sich schwierige Situationen noch nicht vermeiden lassen, aber ich schaffe es ein Bewusstsein für die Hintergründe und die Entwicklung hin zu diesen Situationen zu entwickeln.

Ich habe mehr und mehr verstanden, dass erst wenn ich mich den Situationen aussetze und wieder die bisherigen Muster erkenne, der Druck diese Instrumente dann auch erfolgreich einzusetzen mich weiterbringen. Das bloße Wissen ist nur ein erster Schritt, wichtiger ist die erfolgreiche Umsetzung in der Praxis, im tagtäglichen Leben.

3.   Inwieweit hat sich mein Befinden geändert?

Ich fühle mich in vielen Situationen selbstbewusster, bin ruhiger, weniger bemüht um Harmonie und suche mehr die Auseinandersetzung mit Themen, die mir wichtig sind. Inzwischen genieße ich manchmal, die Meinung anderer zu verwerfen, um meine Ziele in den Vordergrund zu rücken. Ich bin motiviert, die Instrumente einzusetzen, nicht immer, aber langsam entwickelt sich eine Kontinuität. Ich handle in einigen Situationen überlegter, weniger schnell und wäge mehr die Vor- und Nachteile meines Handels ab. Ich bin selbstkritischer und erkenne, dass ich mich in der Vergangenheit oft selbst belogen habe, da ich mich nicht mit Problemen auseinandersetzen wollte, sondern lieber Erklärungen für mich selbst gefunden habe, diesen aus dem Weg zu gehen.

4.   Wie erkläre ich mir mittlerweile, warum und wie ich zu dem Menschen geworden bin, der ich heute bin?

Mein Vater war selbstbewusst, handelte risikoreich. Meine Mutter hat ihn bewundert, musste aber auch immer wieder eingreifen, um das Risiko seines Handels zu minimieren. Nachdem der wirtschaftliche Erfolg ausblieb, war sie irgendwann wegen seines Verhaltens und seiner Einstellung enttäuscht, sie hat aber nie viel darüber gesprochen, hat sich enttäuscht und manchmal aber auch wütend zurückgezogen und heftig mit ihm gestritten. Ich bin in dieser Atmosphäre des Streits, des Widerspruchs aufgewachsen, ich habe versucht Harmonie wieder herzustellen, habe so gelernt, dass nicht alles immer angesprochen und ausdiskutiert werden soll. Ich habe wenig von dem Selbstbewusstsein meines Vaters mitbekommen, eher von der zurückhaltenden Art meiner Mutter.

Ich habe meine Schwester immer bewundert, meine Mutter hat sie sehr streng behandelt. Meine Schwester wollte nicht, dass ich so ein enges Verhältnis zu meiner Mutter habe, war eifersüchtig.

In Polen fühlte ich mich immer unterlegen, als der ungeliebte ‚Deutsche’, ich habe nie geschafft mich zu behaupten, wollte mich anpassen und dazugehören.

5.  Welche Ereignisse und Personen haben im Rückblick eine besondere Rolle in meinem Leben gespielt ( Kindergarten, Schule, Beruf, Unfälle, Krankheiten, Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkels)? Warum waren diese für mich so bedeutsam?

Prägende Situationen: Viele Situationen mit meiner polnischen Verwandtschaft waren sehr prägend; der ständige Hinweis auf meine deutsche Herkunft, der aber nie sachlich und kritisch, sondern eher zwischen den Zeilen zu erkennen war. Das hat dazu geführt, dass ich immer mit einer gewissen Anspannung nach Polen gefahren bin, zumindest wenn Familientreffen geplant waren.

Die Freude, die ich empfunden habe, wenn meine Schwester über meine Geschichten gelacht hat, die aber gar nicht wahr waren, sondern die ich nur erfunden habe, um sie zu beeindrucken. Da das funktioniert hat, habe ich das auch gegenüber anderen praktiziert. Ich denke, dass ich mich so auch dazu ‚konditioniert’ habe mein Vermeidungsverhalten sogar mir selbst gegenüber zu begründen.

Bis zur zehnten Klasse war ich in der Schule zusammen mit anderen Freunden der Wortführer, aber in der Oberstufe kamen wir mit den älteren Schüler zusammen, die uns diese Rolle genommen haben und es gab eine besondere Situation, dass einer dieser älteren Schüler mich als „Scheiß Polen“ bezeichnet hat und ich vom Rest der Schüler keine Unterstützung bekommen habe. Das hat mir ein großes Stück Selbstbewusstsein genommen.

Natürlich war die Zeit während ich offiziell mit Sandra zusammen war, mich aber auch gleichzeitig mit Beate getroffen habe, eine ungewöhnliche, aber auch für mich typische Zeit. Anstatt mich mit meinen Beziehungsproblemen auseinanderzusetzen, bin ich diesen ausgewichen. Erst als es gar nicht mehr anders ging, habe ich gehandelt, aber auch da nur auf Grund des Drucks von Sandra und Beate.

6.   Weshalb erscheint es mir sinnvoll, die Therapie fortzusetzen bzw. sie zu beenden? Was verspreche ich mir davon? Was genau möchte ich für mich selbst noch erreichen? Was möchte ich künftig können?

Es ist absolut sinnvoll die PT fortzusetzen, da ich Kontrolle und Druck benötige. Kontrolle über meinen Fortschritt und Druck nicht wieder auszuweichen und Begründungen für irgendein Vermeidungsverhalten zu finden. Ich verspreche mir von der PT, dass ich Schritt für Schritt die Spannweite meines Verhaltens über die bisherigen Muster hinaus vergrößere, die Instrumente automatisch einsetze und mit der entsprechenden Dokumentation auch eine Motivationshilfe für die Zukunft zur Hand habe. Ich will wie in den Therapiezielen formuliert viele Entscheidungen ‚musterfrei’ treffen, peinliche Situationen lockerer ertragen und weniger nachhaltig erleben. Denn ich denke, peinliche Situationen wird es natürlich immer geben, aber ich will weiter lernen diese besser einordnen zu können und weniger Bedeutung beizumessen, bzw. zu erkennen, dass diese gar nicht peinlich sind.

7.   Welche Stunden, Erlebnisse, Erkenntnisse und Sichtweisen in der Therapie waren besonders bedeutsam? Worauf bin ich besonders stolz? Wovon wünsche ich mir in der Therapie noch mehr?

Besonders bedeutsam fand ich die praktische Erkenntnis des Perspektivwechsels, der durch die Wahl des anderen Sessels mir plötzlich die Sicht auf das Bild mit dem Kölner Dom ermöglicht hat.

Triggern ist ein einfaches, aber sehr wichtiges Instrument für mich geworden.

Die Sitzung mit meiner Freundin war wichtig, denn in dieser Sitzung wurde mir auch mein Selbstbelügen wieder vor Augen geführt. Die Lizenz zum Verrückt sein ist ganz wichtig für mich, denn sie ermöglichte mir den schnellen Einstieg zur Veränderung, kleine Erfolge motivieren und ich kann es immer als Begründung für ‚anderes’ Verhalten nehmen.

Stolz bin ich, einige dieser Instrumente regelmäßig eingesetzt und zum Teil verinnerlicht zu haben. Ich habe ein ständiges Bewusstsein für den Einsatz der Instrumente.

Ich bin sehr zufrieden mit der PT, daher habe ich keinen konkreten Verbesserungswunsch.

8.   Was hat mir an der Therapie bzw. dem Therapeuten missfallen? Was könnte man noch ändern? Worauf habe ich meinen Therapeuten noch nicht angesprochen?

Wie schon gesagt, ich bin sehr zufrieden, wenn ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon weiter hätte sein können, so liegt es an mir und nicht an der PT, ich muss mehr tun, mich mehr trauen und nicht ausweichen.

9.      Was konnte ich in der Therapie darüber lernen, wie ich mich in Beziehungen verhalte? Inwieweit bin ich mit meinem Therapeuten ähnlich umgegangen, wie ich mit anderen Menschen umgehe?

Ich habe verstanden, dass ich das Verhalten meiner Mutter zum Teil übernommen habe.

Mit selbstbewussten Menschen führe ich nicht gerne Diskussionen, passe mich eher dann der Meinung des Anderen an.

Umso heftiger reagierte ich bei anderen, denn ich habe dann nicht fair gehandelt, sondern habe die Konfrontation gesucht. Ich habe also nicht nach der Bedeutung der Worte gesucht, sondern sofort die negativste Interpretation gewählt.

Aber auch in für mich schwierigen Situationen habe ich meistens eine negative Bedeutung der Worte und der Handlungen anderen Personen angenommen, kein Feedback erfragt und so Druck gespürt, der gar nicht vorhanden war.

In der Beziehung mit meiner Freundin habe ich oft meine Kritikpunkte verschwiegen, mich abgewendet und auf ihre Reaktion gewartet, sie also gezwungen mich auf mögliche Probleme anzusprechen. Aber auch auf Nachfragen hin erst keine Reaktion gezeigt, erst nach mehrfachem Nachfragen erst die Probleme vorwurfsvoll formuliert angesprochen.

Ich habe zu Beginn der Gespräche mit dem Therapeuten sicherlich meinem Drang nach Harmonie nachgegeben, denn ich habe meinen Fortschritt in der Nachbetrachtung positiver dargestellt als er möglicherweise wirklich war. Dabei ‚überzeuge’ ich nicht nur andere, sondern auch mich selbst. Dies ist dann im Verlauf der Sitzungen klarer geworden und nun passiert das nicht mehr.