Es ist mir sehr schwer
gefallen, eine Selbstanalyse zu verfassen. Zum einen, weil ich nicht
wusste, wie ich so etwas anfangen soll (trotz Formulierungshilfe von der
Homepage). Zum anderen, weil es natürlich wieder PERFEKT sein sollte. Aber
ich hatte auch Angst davor, WAS ich herausfinden würde! Denn für die
Analyse musste ich ja u. a. auch alles, was wir bisher besprochen,
verhandelt, herausgefunden haben, noch einmal durchlesen. Ebenso würden
mir alle (Haus-)Aufgaben in die Hände fallen, die ich, angegangen bin,
bzw., gerade in letzter Zeit, nicht 100% bewältigt habe.
Deshalb habe ich auch
lange Zeit versucht, meinen „Kopf in den Sand zu stecken“. Was natürlich
dazu geführt hat, dass ich mich noch schlechter fühlte!
- weil ich vor meiner
Pflicht davon lief
- weil ich Dr. Mück
enttäuschte
- weil ich wusste, WENN
ich es endlich angehe, würde es mir besser gehen.
Denn:
„Ob eine Sache
gelingt, erfährst Du nicht, wenn Du darüber nachdenkst,
sondern nur, wenn Du es ausprobierst!“
Also habe ich meinen Kopf
aus dem Sand herausgeholt und ausprobiert, wie ich mich fühle, wenn ich
mich dieser Aufgabe stelle. Vielleicht sollte ich zunächst einmal kurz
zusammenfassen, wie und warum ich zu Dr. Mück gekommen bin: Im Mai 2004
habe ich meinen Freundinnen, nachdem sie zum 2. Mal eine Woche mit mir in
Urlaub waren und dort mein Essverhalten erleben „durften“, versprechen
müssen, einen Therapeuten auf zu suchen. Nach mehreren Versuchen bin ich,
zu meinem Glück, bei Dr. Mück gelandet. Er hatte es sehr schwer mit mir,
denn das größte Hindernis war, überhaupt einzusehen, dass ich krank war.
O.k., seit meinem 13.
Lebensjahr lebe ich nach der Devise: entweder maßlos essen oder gar nichts
essen. Wenn ich denn dann gegessen habe („schwach“ und „inkonsequent“
war), musste das Ganze auch wieder aus dem Körper heraus. Also bin ich
nach den Fressanfällen, (manchmal sogar nach einer ½ Wassermelone oder
einem Brötchen,) ins Badezimmer und unter 100x Kotzen habe ich das Bad
auch nicht wieder verlassen. Hinzu kamen, zum Schluss mehr als 50
Tabletten täglich, die Abführmittel.
Aber nur weil mein
Essverhalten nicht so ganz dem Standard entsprach, war ich doch nicht
krank? Ich sah ja nun auch nicht wie eine Magersüchtige aus. Hatte auch
sonst keine körperlichen Beschwerden. Dachte ich! Denn dem war nicht so,
mittlerweile hatte mein Essverhalten schon Auswirkungen auf meinen Körper
gezeigt (Null Eisen im Körper, auch der restliche Elektro- und
Vitaminhaushalt war total durcheinander). Mein Essverhalten bzw. die
daraus logischerweise folgenden Auswirkungen sind auch im Job nicht
unbemerkbar geblieben. Ich konnte zum Schluss meine Arbeit nicht mehr
zufrieden stellend erledigen. (Flüchtigkeitsfehler,
Konzentrationsschwäche, Langsamkeit) obwohl ich von morgens bis spät
abends im Büro war. Gerade die Situation im Büro machte mir sehr zu
schaffen!!
Dr. Mück hat es
geschafft, mich zu überzeugen, dass mein Essverhalten und die Situation in
EINEM Zusammenhang zu sehen ist, dass ich TATSÄCHLICH an einer Essstörung
leide und dass ich schnellstens dagegen etwas unternehmen muss!
Was mir sehr im Gedächtnis geblieben ist, sind
seine recht krassen Worte bezüglich der Einnahme der Abführmittel: „Wenn
sie nichts essen und dann auch noch die Abführmittel nehmen, scheißen sie
ihr Gehirn raus!“
Von August 2004 bis Ende
Nov 2004 war ich zunächst in ambulanter Behandlung bei Dr. Mück. Leider
konnte ich trotz seiner fast täglichen, Unterstützung nicht komplett mit
all diesen Dingen aufhören. Insbesondere wurde ich meine Angst und Ekel
vor dem Essen einfach nicht los, so war ich letzt endlich von Ende Nov.
2004 bis Februar 2005 in einer Akutklinik für Essgestörte. Dort habe ich
vor allem meine Angst vor dem Essen verloren. Habe die Abführmittel
komplett abgesetzt und auch das Kotzen (bis auf 4 Rückfälle) komplett
reduziert. Zum Schluss ist es mir sogar gelungen, die Mahlzeiten zu
genießen! DAS war etwas, was ich bis dahin nicht kannte, denn selbst in
unserer Familie wurde das Essen immer als Kommunikationsmittel „miss“braucht.
Gefühle( wie Wut, Trauer,
Enttäuschung, Zärtlichkeit) wurden weder geäußert, geschweige denn
gezeigt,
-
wenn z.B. meine Mutter
wütend war, hat sie nichts gegessen,
-
wenn sie uns zeigen
wollte, dass wir uns „falsch“ verhalten haben, hat sie nicht mit uns
gegessen und es herrschte tagelang Schweigen,
-
wenn wir „lieb“ waren,
gab es unser Lieblingsessen und sie hat sich mit uns unterhalten, sich
für uns interessiert.
„Essen“ war für mich die
einzige Möglichkeit „Nein“ zu sagen bzw. mich wehren zu können.
Auch heute benutze ich
das Essen oft noch als Kommunikationsmittel:
-
Wenn mein Freund mir
etwas zu Essen macht, esse ich, damit ich ihm dadurch zeigen kann, dass
ich ihn sehr mag.
-
Wenn ich enttäuscht
oder verletzt bin, esse ich nicht, damit ich ihm dadurch zeigen kann,
was ich gerade empfinde und in der (falschen) Hoffnung, ihn dadurch
ebenfalls zu enttäuschen/verletzen.
Ihm „einfach“
mitzuteilen, was ich gerade empfinde, kann ich (noch) nicht!
Seit dem ich aus der
Klinik zurück bin, bin ich wieder in ambulanter Behandlung bei Dr. Mück
und wir versuchen, das, was ich in der Klinik erlernt und herausgefunden
habe, zu festigen und gleichzeitig versuchen wir, weitere Dinge zu
bearbeiten.
Damit diese Selbstanalyse
besser zu verstehen und nachzuvollziehen ist, werde ich meine Endlosliste
in Unterpunkte gliedern, so dass auf dem ersten Blick zu erkennen ist, wo
die Probleme, Auswirkungen, Ursachen, Aufgaben,
Erfolge und Ziele sind.
Ich denke, dies hilft dem
Leser, aber vor allem hilft es mir, denn so besteht weniger die „Gefahr“
dass ich mich wieder verzettele.
Hauptprobleme:
-
Konzentrationsschwierigkeiten
-
Vergesslichkeit
-
Kein Selbstwertgefühl
-
Unausgeglichenheit
-
Unsicherheit
-
Kein Körpergefühl
-
Fühle mich dick
-
Denke, nur wenn ich
schlank bin/nichts gegessen habe, kann ich leistungsfähig sein, und
nur dann beachtet man mich, mag man mich,
nur dann
kann ich gut gelaunt sein, nur dann
bin ich zufrieden, nur dann
kann ich mich akzeptieren
-
Ängste, Panik
-
Depression
-
Apartheid
-
Selbstzweifel
-
Misstrauen
-
Gefühle nicht wirklich
zu spüren
-
Schuldgefühle/
schlechtes Gewissen =IMMER (z.B. wenn unsere Katze morgens vor mir
wegläuft, denke ich automatisch „Oh je Du hast sie sicher in der Nacht
getreten.“)
Auswirkungen:
-
Verachte und hasse
mich
-
Nichts-Essen (bis zu 4
Wochen nur flüssig ernährt=> Kaffee, Cola, Red Bull, Eiscafe)
-
Fressanfälle (meist
abends, wenn ich versucht habe, „vernünftig“ zu sein und eine
Kleinigkeit essen wollte => alles was in der Wohnung war oder vorher
eingekauft wurde, schnell gegessen)
-
Abführmittel (jeden
Tag, teilweise sogar mehrfach am Tag, mehr 50 Tabletten am Tag)
-
Kotzen (mind. 100x pro
„Sitzung“)
-
Sozialer Rückzug
-
Selbstvorwürfe, bis hin
zum Beschimpfen („Du bist ekelhaft, dass DU soviel Essen musst,“ Du bist
schwach, dass Du wieder Deiner Gier nach Essen nachgegangen bist“ „Du
bist strohdoof, wenn Du Dich noch nicht einmal länger als 1½ Stunden auf
eine Sache konzentrieren kannst“ “Du bist zu NICHTS fähig; wenn Du weder
Dein Leben, Finanzen noch Deinen Beruf, auf die Reihe bekommst“
-
Scham (dass andere
mitbekommen, wie unfähig ich bin, wie dumm ich bin, dass ich
Versprechen nicht einhalten kann, dass ich nicht konzentriert arbeiten
kann, dass ich IMMER Flüchtigkeitsfehler mache)
-
Drang nach
Selbstverletzung
-
Alles- oder
Nichts-Denken
-
Konditionierungsmechanismus=> je nach Tagesverfassung, Tageserlebnis,
Tagesstimmung reagiere ich mit dem Essverhalten (Nicht-Essen,
Fressanfall, Kotzen)
-
Keine wirkliche Nähe
zugelassen
Ursachen
-
Essen als
Kommunikations- und Druckmittel
-
Nicht gelernt, Gefühle
zu spüren
-
Verboten, Gefühle (Wut,
Trauer, Stolz) zu spüren, geschweige denn, sie zu äußern
-
Verlust meines Dads
-
Misstrauen gegenüber
jedem
-
Verlustängste
-
Gefühl abgeschoben
zu werden
-
Angst, lästig und
aufdringlich zu sein
-
Angst vor Abhängigkeit
bei Menschen
-
Immer ein Teil
von mir, MUSS betäubt werden!
-
Angst, Vertrauen zu
fassen
-
Vertrauensmissbrauch
-
Flucht vor Problemen
-
Missbrauch in der
Familie
-
Scham (Moralapostel,
der viele strenge Regeln aufgestellt hat)
Aufgaben/Erfolg
-
Anerkannt und
akzeptiert, dass ich krank bin und Hilfe benötige
-
Über die Krankheit
informiert
-
Durch
Selbsthilfegruppen, Kontakte zu anderen Betroffenen, Klinikaufenthalt,
erfahren, dass ich nicht alleine mit diesem Problem bin => dies gibt
einem Mut, hilft einem, und freut einen, wenn man merkt, dass man auch
helfen kann
-
Geöffnet und über meine
Problem gesprochen (1. Dr. Mück, 2. Vorgesetzte, 3. Freunde, 4. Familie,
5. direkte Arbeitskollegen)
-
Feedback geben => so
weiß mein Gegenüber, wie ich etwas aufgenommen habe
-
Zwischenstand
durchgeben => so weiß man, warum etwas noch nicht fertig ist, wie weit
man schon gekommen ist, ob alles bisher richtig durchdacht ist (bei
Gesprächen = richtig aufgefasst) (Bei Aufgaben = richtige Lösung)
-
Gelernt, dass ich
„verhandeln“ darf=> nicht immer alles akzeptieren, was der andere sagt,
wenn ich nicht damit einverstanden bin
-
Gelernt, manchmal eine
Täuschung zu nehmen
-
Gelernt, manchmal offen
über mich und meine derzeitigen Gefühle, Stimmungen zu reden. Ohne
Angst!
-
Höre manchmal auf
meinen Körper (Hunger, Sättigung)
-
Spüre „negative“
Gefühle (Wut, Aggression, Traurigkeit,)
-
Zeige Gefühle (Tränen,
Wut, manchmal sogar ein wenig Freude, wenn ich Geborgenheit möchte und
diese bekomme)
-
Habe angefangen, Essen
manchmal zu genießen
-
Lerne meine Meinung zu
sagen
-
Führe eine offene,
vertrauensvolle Beziehung. Das ERSTE Mal in meinem Leben!
-
Mut, mich alleine ins
Cafe zu setzen
-
Erfahren, dass ich
konzentrierter bin, bzw. die Konzentration steigt, wenn ich esse
-
Gelernt, Kleinigkeiten
zu genießen( Sonne, Essen, Ausflüge)
-
Gelacht!!!
-
Zwischenzeitlich Sport
als etwas Angenehmes empfunden und nicht als Mittel zum Zweck des
Abnehmens angesehen. Es hat sogar Spaß gemacht!
-
Mich getraut, in die
Sauna zu gehen
-
Habe gelernt, meine
„innere Stimme“ zu hören und manchmal auch AUF sie zu hören
-
Automatische Gedanken
werden mir bewusst
-
Spiegelnervenzellen
kennen gelernt
Ziele/ Vorhaben
-
lernen, dass, meine
Gedanken sich nicht den ganzen Tag mit dem Essen und seinen Auswirkungen
beschäftigen müssen
-
lernen, meinen
Körper zu akzeptieren
-
lernen, meinen Körper
zu mögen
-
lernen, mich mit ALLEN
Schwächen (und Stärken) zu mögen
-
Lernen Stärken bei mir
zu finden
-
Lernen, mich als
Ganzes zu akzeptieren
-
Konzentrationsfähigkeit steigern!!!!!
-
100% überzeugt sein,
dass regelmäßiges Essen NICHT schädlich ist!
-
Nicht mehr
zulassen, dass andere über mein Leben
bestimmen dürfen, Macht über mich und mein Leben (über mein
Selbstbewusstsein, meine Stimmung) haben
-
Lernen gegen meine
alten automatischen Gedanken anzukämpfen und neue automatische Gedanken
zu erlernen
-
Lernen dass man über
Dinge, die unklar sind, verhandeln kann.=> und dies dann automatisieren
-
Lernen Feedbacks und
Rückmeldungen automatisch zu geben
-
Erlernen Prioritäten
zu erkennen und zu setzen!!!
-
Ausgleich zur
Regulierung zu finden (anstatt Fressanfall, Kotzen, Selbstverletzung)
-
Lernen, „negative“
Gefühle/Gedanken auszuhalten und nicht mehr davor zu flüchten
-
Meinen starken Willen,
Energie, Motivation und Zeit für etwas Sinnvolles zu investieren, als
für meine Essens-Gegenmaßnahmen
-
Ziele formulieren zu
lernen
-
Jeden Tag mind. ein
positives Erlebnis aufschreiben
-
Beim Sport in den
Spiegel schauen und zu Hause direkt aufschreiben, WAS ich gedacht habe
Es fiel mir sehr schwer,
im Alltag das Gelernte zu akzeptieren und umzusetzen. Aber noch viel
schwerer, und z. Z. für mich unmöglich, ist es, das Neuerlernte
beizubehalten. Insbesondere dann, wenn „Schwierigkeiten“ auftreten. Noch
schaffe ich es nicht, alleine durch das Leben zu gehen, aber mir fällt
wenigstens schon einmal mein „krankes Verhalten“ auf!
Endziel
„Wenn Du lernst, Dir zu gefallen, ist es
Dir gleichgültig, was andere über Dich denken. Wichtig ist, WAS DU
über Dich denkst!!“ |