Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Welche Besonderheiten gelten für das "Gutachterwesen" in der Privaten Krankenversicherung (PKV)?


Der leitende Verbandsarzt des Verbands der privaten Krankenversicherung e.V. (Köln) war so freundlich, am 25.02.2009 fünf von mir zu dem o.g. Themenkomplex gestellte Fragen in schriftlicher Form zu beantworten. An dieser Stelle möchte ich mich für die Bereitschaft und Ausführlichkeit herzlich bedanken. Meine Fragen sind rot markiert.

  1. Wie erfolgt konkret die Qualitätssicherung bei den Privaten Krankenkassen, wenn es um die Beantragung psychotherapeutischer Leistungen geht? Gelten hier z.B. die Psychotherapie-Richtlinien oder nicht? Wie geht man damit um, wenn sich Gutachten der Beihilfe und der PKV eklatant widersprechen?

    Antwort Prof. Fritze:

    Einheitliche, alle Unternehmen der privaten Krankenversicherung bindende Regelungen für das Verfahren der Bewilligung und Qualitätssicherung von Psychotherapie gibt es nicht und kann es aus Gründen des Kartellrechts nicht geben, soweit es um die klassische, substitutive Vollversicherung geht. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass für im neuen Basistarif Versicherte gemäß der gesetzlichen Vorgaben dieselben Bedingungen wie in der GKV gelten. Im folgenden werde ich aber ausschließlich aus Perspektive der klassischen, substitutiven Vollversicherung Stellung nehmen, da hier Ihr Interesse zu liegen scheint. Die unternehmsindividuellen Versicherungsbedingungen variieren also nicht unerheblich in Leistungsversprechen und Verfahrensregeln, auch zwischen unterschiedlichen Tarifen desselben Unternehmens. Manche Bedingungen nehmen Bezug auf die Psychotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, das ist aber keinesfalls die Regel. Jedenfalls gehören die Psychotherapie-Richtlinien einem gänzlich anderen Rechtsbereich (SGB V) an, so dass sie für Privatversicherte nur dann und nur insoweit bedeutsam sein können, wie im individuellen Versicherungsvertrag konkretisiert. Soweit der Versicherungsvertrag nicht Bezug auf die Psychotherapie-Richtlinien nimmt, können Sie dennoch mittelbar wirksam werden, indem sich daraus Hinweise ableiten lassen, welche Verfahren medizinisch notwendige Heilbehandlung (als Grundlage des Versicherungsversprechens der privaten Krankenversicherung) gemäß des aktuellen Standes der Wissenschaft ist. In der Regel bedarf es auch in der privaten Krankenversicherung eines Antrages beim Versicherer. Förmliche Gutachterverfahren (wie in der GKV) sind nicht regelhaft vorgeschrieben und erscheinen auch nicht geboten. Ihnen ist bestens bekannt, dass über 95% der Anträge im Gutachterverfahren der GKV vom Gutachter bestätigt werden und dass dabei entscheidend nicht etwa die konkreten Bedingungen auf Seiten des Patienten sind, sondern die wenigen Ablehnungen sich i.w. aus formalen Mängeln der Anträge ergeben. Die Anträge und Gutachten stehen also – anders als Sie auf Ihrer Homepage suggerieren - nur in allenfalls losem Zusammenhang mit der Qualität der dann durchgeführten Psychotherapie. Deshalb wird ja derzeit diskutiert, das Gutachterverfahren durch intelligentere Verfahren (die am besten auf Prozeß- und Ergebnisqualität fokussieren würden) abzulösen. Wenn Gutachten, die die Beihilfestelle eingeholt hat, im Widerspruch zur Beurteilung des Versicherers stehen, so bleibt dies dem Versicherer grundsätzlich unbekannt; bekannt wird dem Versicherer nur die divergente Leistungsentscheidung. Das von der Beihilfestelle eingeholte Gutachten kann dem Versicherer nur bekannt werden, wenn und soweit es der Versicherte zur Verfügung stellt. Dann wird der Versicherer seine Leistungsentscheidung selbstverständlich überprüfen.
     
  2. Wer wählt hier die „Gutachter“ aus? Welche Kriterien gelten dafür? Wie wird die Arbeit der „Gutachter“ qualitativ kontrolliert?

    Antwort Prof. Fritze:
     

    Soweit Gutachter im Bewilligungsverfahren eine Rolle spielen, liegt deren Auswahl im billigen Ermessen des Versicherungsunternehmens, was rechtlich gar nicht anders geht, da die Gutachter nicht rechtlich verankert sind und allein beratende Funktion haben. Welche Kriterien im einzelnen Unternehmen zugrunde gelegt werden und wie die Qualität der Gutachten kontrolliert wird, kann nur Sache des einzelnen Unternehmens im Wettbewerb sein. Das bedeutet in der Praxis zum Beispiel, dass Beratungsergebnisse, die ggf. der Überprüfung durch den PKV-Ombudsmann (Dr. H. Müller, siehe www.pkv-ombudsmann.de) oder ein Gericht nicht standhalten, einer sehr kritischen internen Überprüfung unterzogen werden.
     
  3. Welche Möglichkeiten stehen den Versicherten offen, wenn ein „Gutachter“ die Übernahme der Behandlungskosten ablehnt? Hat er ein Recht, Namen und Qualifikation des Gutachters zu erfahren?

    Antwort Prof. Fritze: 

    Da es kein rechtlich verankertes Gutachterverfahren geben kann, vielmehr der private Krankenversicherer sich nur medizinisch beraten lässt, ohne dies zu müssen, und Leistungsentscheidung eine autonome Entscheidung des Versicherers und nicht des Beraters („Gutachters“) ist, da also keinerlei Rechtsbeziehung zwischen dem Versicherten und dem Berater („Gutachters“) besteht, kann kein Anspruch auf Herausgabe der persönlichen Daten des Beraters oder seines Gutachtens bestehen. Abgesehen davon hat der Versicherer den sich aus § 202 VVG ergebenden Pflichten bezüglich Auskunft und Einsichtnahme zu genügen. Die Leistungsentscheidung des Versicherers erfolgt nicht beliebig, sondern er hat sie dem Versicherten plausibel zu begründen, schon allein um Missverständnissen und daraus folgenden Auseinandersetzungen, die einen erheblichen Verwaltungsaufwand und damit Kosten bedeuten, vorzubeugen.
     
  4. Wie ist die Vertraulichkeit der Anträge und Gutachten gewährleistet?

    Antwort Prof. Fritze:

    Mit dem Versicherungsvertrag willigt der Versicherte ein, dem Versicherer alle medizinischen Informationen offen zu legen, die dieser für die Überprüfung seiner Leistungspflicht benötigt (§ 31 VVG). Werden solche Informationen vorenthalten, steht die Leistungspflicht also aus formalen Gründen in Frage. Folglich hat der den Antrag begründende Arzt oder psychologische Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut darauf zu achten, im Antrag keine Informationen preiszugeben, über die der Versicherte keine Hoheit hat (z.B. Geheimnisse Dritter). Über die allgemeine Entbindung von der Schweigepflicht durch den Versicherungsvertrag pflegt der Versicherer für jedes einzelne Ereignis eine entsprechende Erklärung des Versicherten einzuholen. Grundsätzlich besteht die Informationspflicht nur auf Seiten des Versicherten; indem er die Informationen, die der Arzt dokumentiert hat, dem Versicherer zuleitet, unterstreicht er implizit sein Einverständnis. Werden Anträge vom Arzt bzw. psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten unmittelbar dem Versicherer zugeleitet, so ist er gehalten, einen Hinweis wie „nur für den ärztlichen Dienst“ vorzusehen, um Einsichtnahme Dritter zu verhindern.
     
  5. Wie tauschen sich die diversen Versicherungen über Ihr „Gutachterwesen“ aus? Gibt es ein Bemühen um gemeinsame Standards? Gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Gutachterwesen der gesetzlichen Krankenkassen bzw. der Beihilfe?

    Antwort Prof. Fritze:


    Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung befinden sich im Wettbewerb untereinander und tauschen sich deshalb nicht über ihr „Gutachterwesen“ aus. Die von Ihnen geforderten „gemeinsamen Standards“ ergeben sich zwingend aus dem jeweils aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse (entsprechend des Leistungsversprechens im Versicherungsvertrag), die zu definieren nicht Sache der privaten Krankenversicherer sein kann,  sondern Sache der Wissenschaft ist, auf deren Beachtung die Versicherer aber achten. Es gibt keine „Zusammenarbeit mit dem Gutachterwesen der gesetzlichen Krankenkassen bzw. der Beihilfe“. Das schließt nicht aus, dass einzelne Experten sowohl Gutachter im Verfahren der GKV und Beihilfe sind und auch Unternehmen der privaten Krankenversicherung beraten. Dabei bleiben die verschiedenen Rechtsbereiche aber strikt getrennt.

    Abschließende Bemerkung:

    Ihre Kritik an einem der Mitgliedsunternehmen des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. kann ich nicht kommentieren, erlaube mir aber den Hinweis, dass Ihre Qualifizierung als „Willkür“ und „menschenverachtend“ nicht sachgerecht sein kann, auch wenn dies dem sich für seine Patienten engagierenden Arzt auf den ersten Blick so erscheinen mag: Das Versicherungsunternehmen entscheidet auf der Basis der ihm vorliegenden Informationen und begründet diese Entscheidung. Diese Entscheidung kann jederzeit vom Versicherten einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden. Schon allein daraus wird klar, dass es sich nicht um Willkür handeln kann. Um dem Versicherten den ja doch in vielerlei Hinsicht beachtlichen Aufwand einer gerichtlichen Klärung zu ersparen, wurde vor Jahren das Institut des PKV-Ombudsmanns installiert, der einen erheblichen Teil der Konflikte kostenfrei zu schlichten vermag.