Der leitende Verbandsarzt des Verbands der privaten Krankenversicherung
e.V. (Köln) war so freundlich, am 25.02.2009 fünf von mir zu dem o.g.
Themenkomplex gestellte Fragen in schriftlicher Form zu beantworten. An
dieser Stelle möchte ich mich für die Bereitschaft und Ausführlichkeit
herzlich bedanken. Meine Fragen sind rot markiert.
- Wie erfolgt
konkret die Qualitätssicherung bei den Privaten Krankenkassen, wenn es um
die Beantragung psychotherapeutischer Leistungen geht? Gelten hier z.B. die
Psychotherapie-Richtlinien oder nicht? Wie geht man damit um, wenn sich
Gutachten der Beihilfe und der PKV eklatant widersprechen?
Antwort Prof. Fritze:
Einheitliche, alle Unternehmen der privaten Krankenversicherung bindende
Regelungen für das Verfahren der Bewilligung und Qualitätssicherung von
Psychotherapie gibt es nicht und kann es aus Gründen des Kartellrechts nicht
geben, soweit es um die klassische, substitutive Vollversicherung geht. Nur
am Rande sei darauf hingewiesen, dass für im neuen Basistarif Versicherte
gemäß der gesetzlichen Vorgaben dieselben Bedingungen wie in der GKV gelten.
Im folgenden werde ich aber ausschließlich aus Perspektive der klassischen,
substitutiven Vollversicherung Stellung nehmen, da hier Ihr Interesse zu
liegen scheint. Die unternehmsindividuellen Versicherungsbedingungen
variieren also nicht unerheblich in Leistungsversprechen und
Verfahrensregeln, auch zwischen unterschiedlichen Tarifen desselben
Unternehmens. Manche Bedingungen nehmen Bezug auf die
Psychotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, das ist aber
keinesfalls die Regel. Jedenfalls gehören die Psychotherapie-Richtlinien
einem gänzlich anderen Rechtsbereich (SGB V) an, so dass sie für
Privatversicherte nur dann und nur insoweit bedeutsam sein können, wie im
individuellen Versicherungsvertrag konkretisiert. Soweit der
Versicherungsvertrag nicht Bezug auf die Psychotherapie-Richtlinien nimmt,
können Sie dennoch mittelbar wirksam werden, indem sich daraus Hinweise
ableiten lassen, welche Verfahren medizinisch notwendige Heilbehandlung (als
Grundlage des Versicherungsversprechens der privaten Krankenversicherung)
gemäß des aktuellen Standes der Wissenschaft ist. In der Regel bedarf es
auch in der privaten Krankenversicherung eines Antrages beim Versicherer.
Förmliche Gutachterverfahren (wie in der GKV) sind nicht regelhaft
vorgeschrieben und erscheinen auch nicht geboten. Ihnen ist bestens bekannt,
dass über 95% der Anträge im Gutachterverfahren der GKV vom Gutachter
bestätigt werden und dass dabei entscheidend nicht etwa die konkreten
Bedingungen auf Seiten des Patienten sind, sondern die wenigen Ablehnungen
sich i.w. aus formalen Mängeln der Anträge ergeben. Die Anträge und
Gutachten stehen also – anders als Sie auf Ihrer Homepage suggerieren - nur
in allenfalls losem Zusammenhang mit der Qualität der dann durchgeführten
Psychotherapie. Deshalb wird ja derzeit diskutiert, das Gutachterverfahren
durch intelligentere Verfahren (die am besten auf Prozeß- und
Ergebnisqualität fokussieren würden) abzulösen. Wenn Gutachten, die die
Beihilfestelle eingeholt hat, im Widerspruch zur Beurteilung des
Versicherers stehen, so bleibt dies dem Versicherer grundsätzlich unbekannt;
bekannt wird dem Versicherer nur die divergente Leistungsentscheidung. Das
von der Beihilfestelle eingeholte Gutachten kann dem Versicherer nur bekannt
werden, wenn und soweit es der Versicherte zur Verfügung stellt. Dann wird
der Versicherer seine Leistungsentscheidung selbstverständlich überprüfen.
- Wer wählt hier
die „Gutachter“ aus? Welche Kriterien gelten dafür? Wie wird die Arbeit der
„Gutachter“ qualitativ kontrolliert?
Antwort Prof. Fritze:
Soweit Gutachter im Bewilligungsverfahren eine
Rolle spielen, liegt deren Auswahl im billigen Ermessen des
Versicherungsunternehmens, was rechtlich gar nicht anders geht, da die
Gutachter nicht rechtlich verankert sind und allein beratende Funktion
haben. Welche Kriterien im einzelnen Unternehmen zugrunde gelegt werden und
wie die Qualität der Gutachten kontrolliert wird, kann nur Sache des
einzelnen Unternehmens im Wettbewerb sein. Das bedeutet in der Praxis zum
Beispiel, dass Beratungsergebnisse, die ggf. der Überprüfung durch den
PKV-Ombudsmann (Dr. H. Müller, siehe
www.pkv-ombudsmann.de) oder ein Gericht nicht standhalten, einer sehr
kritischen internen Überprüfung unterzogen werden.
- Welche
Möglichkeiten stehen den Versicherten offen, wenn ein „Gutachter“ die
Übernahme der Behandlungskosten ablehnt? Hat er ein Recht, Namen und
Qualifikation des Gutachters zu erfahren?
Antwort Prof. Fritze:
Da es kein rechtlich verankertes Gutachterverfahren geben kann, vielmehr der
private Krankenversicherer sich nur medizinisch beraten lässt, ohne dies zu
müssen, und Leistungsentscheidung eine autonome Entscheidung des
Versicherers und nicht des Beraters („Gutachters“) ist, da also keinerlei
Rechtsbeziehung zwischen dem Versicherten und dem Berater („Gutachters“)
besteht, kann kein Anspruch auf Herausgabe der persönlichen Daten des
Beraters oder seines Gutachtens bestehen. Abgesehen davon hat der
Versicherer den sich aus § 202 VVG ergebenden Pflichten bezüglich Auskunft
und Einsichtnahme zu genügen. Die Leistungsentscheidung des Versicherers
erfolgt nicht beliebig, sondern er hat sie dem Versicherten plausibel zu
begründen, schon allein um Missverständnissen und daraus folgenden
Auseinandersetzungen, die einen erheblichen Verwaltungsaufwand und damit
Kosten bedeuten, vorzubeugen.
- Wie ist die
Vertraulichkeit der Anträge und Gutachten gewährleistet?
Antwort Prof. Fritze:
Mit dem Versicherungsvertrag willigt der Versicherte ein, dem
Versicherer alle medizinischen Informationen offen zu legen, die dieser für
die Überprüfung seiner Leistungspflicht benötigt (§ 31 VVG). Werden solche
Informationen vorenthalten, steht die Leistungspflicht also aus formalen
Gründen in Frage. Folglich hat der den Antrag begründende Arzt oder
psychologische Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut
darauf zu achten, im Antrag keine Informationen preiszugeben, über die der
Versicherte keine Hoheit hat (z.B. Geheimnisse Dritter). Über die allgemeine
Entbindung von der Schweigepflicht durch den Versicherungsvertrag pflegt der
Versicherer für jedes einzelne Ereignis eine entsprechende Erklärung des
Versicherten einzuholen. Grundsätzlich besteht die Informationspflicht nur
auf Seiten des Versicherten; indem er die Informationen, die der Arzt
dokumentiert hat, dem Versicherer zuleitet, unterstreicht er implizit sein
Einverständnis. Werden Anträge vom Arzt bzw. psychologischen
Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten unmittelbar
dem Versicherer zugeleitet, so ist er gehalten, einen Hinweis wie „nur für
den ärztlichen Dienst“ vorzusehen, um Einsichtnahme Dritter zu verhindern.
- Wie tauschen
sich die diversen Versicherungen über Ihr „Gutachterwesen“ aus? Gibt es ein
Bemühen um gemeinsame Standards? Gibt es eine Zusammenarbeit mit dem
Gutachterwesen der gesetzlichen Krankenkassen bzw. der Beihilfe?
Antwort Prof. Fritze:
Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung befinden sich im Wettbewerb
untereinander und tauschen sich deshalb nicht über ihr „Gutachterwesen“ aus.
Die von Ihnen geforderten „gemeinsamen Standards“ ergeben sich zwingend aus
dem jeweils aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
(entsprechend des Leistungsversprechens im Versicherungsvertrag), die zu
definieren nicht Sache der privaten Krankenversicherer sein kann, sondern
Sache der Wissenschaft ist, auf deren Beachtung die Versicherer aber achten.
Es gibt keine „Zusammenarbeit mit dem Gutachterwesen der gesetzlichen
Krankenkassen bzw. der Beihilfe“. Das schließt nicht aus, dass einzelne
Experten sowohl Gutachter im Verfahren der GKV und Beihilfe sind und auch
Unternehmen der privaten Krankenversicherung beraten. Dabei bleiben die
verschiedenen Rechtsbereiche aber strikt getrennt.
Abschließende Bemerkung:
Ihre Kritik an einem der Mitgliedsunternehmen des Verbandes der privaten
Krankenversicherung e.V. kann ich nicht kommentieren, erlaube mir aber den
Hinweis, dass Ihre Qualifizierung als „Willkür“ und „menschenverachtend“
nicht sachgerecht sein kann, auch wenn dies dem sich für seine Patienten
engagierenden Arzt auf den ersten Blick so erscheinen mag: Das
Versicherungsunternehmen entscheidet auf der Basis der ihm vorliegenden
Informationen und begründet diese Entscheidung. Diese Entscheidung kann
jederzeit vom Versicherten einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden.
Schon allein daraus wird klar, dass es sich nicht um Willkür handeln kann.
Um dem Versicherten den ja doch in vielerlei Hinsicht beachtlichen Aufwand
einer gerichtlichen Klärung zu ersparen, wurde vor Jahren das Institut des
PKV-Ombudsmanns installiert, der einen erheblichen Teil der Konflikte
kostenfrei zu schlichten vermag.
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