Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Wie verhindert man Suizide?

Konkrete Suizidpläne, dauerndes Denken an Suizid, halluzinierte zum Suizid auffordernde Stimmen und vorherige Suizidversuche sind keine verlässlichen Kriterien, um beurteilen zu können, wie stark ein Mensch zur Selbsttötung neigt. Dennoch sind diese Aspekte zumindest in den USA häufig Entscheidungsgrundlage dafür, ob ein Patient stationär aufgenommen werden sollte oder nicht. Weitaus eindeutigere Hinweise auf einen drohenden Suizid liefern massive Angst und Panikattacken, Depressionen, frischer Verlust einer wichtigen Bezugsperson, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Gefühle von Hoffnungs-, Hilf- und Wertlosigkeit, Schlafstörungen, Unfähigkeit zur Freude, eine chronisch und kontinuierlich sich verschlimmernde Erkrankung, die Unfähigkeit, beruflichen oder schulischen Verpflichtungen gerecht zu werden, bisher unbekanntes plötzlich impulsives Verhalten und die frische Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung.

    Das zuletzt genannte Risiko-Profil zeichnen R. C. W. Hall und Kollegen auf Grund einer Studie an 100 Patienten, die wegen eines lebensbedrohlichen Suizidversuchs in der Notfallambulanz eines großen städtischen Krankenhauses untersucht worden waren. Von ihnen hatten 83 Prozent innerhalb eines Monats vor dem Suizidversuch Kontakt zu einem Anbieter von Gesundheitsleistungen. In dieser Untergruppe gaben zwei Drittel an, weder auf ihren emotionalen Zustand noch auf Selbsttötungsabsichten angesprochen worden zu sein. Entsprechend viele Patienten waren daher auch mit der Betreuung unzufrieden.

    Aber hätten „klassische“ Nachfragen den späteren Suizidversuch wirklich verhindern können? Nach Ansicht von Hall und Mitarbeitern ist dies bei ihrem Patienten-Kollektiv eher unwahrscheinlich. Denn amerikanische Versicherungen („Managed Care“) schreiben vor, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit einer ihrer Versicherten unter Kostenübernahme stationär aufgenommen werden kann. Dabei stützen sie sich auf die eingangs zuerst genannten Prüfaspekte. Wie wenig hilfreich diese Kriterien sind, zeigt die vorliegende Studie. In ihr gaben fast 90 Prozent der Befragten an, in der Woche vor dem Suizidversuch nicht erregt bzw. nie in ihrem Leben handgreiflich gewesen zu sein. Rund 70 Prozent hatten vorher keine oder allenfalls flüchtige Suizidgedanken (also keine konkreten Pläne). Die amerikanischen Psychiater fordern deshalb ihre ärztlichen Kollegen auf, sich nicht auf Versicherungsrichtlinien, sondern auf die eigene medizinische Kompetenz zu verlassen und relevantere Risikoindikatoren zu beachten (s. Kasten).

Suizidindikatoren: Je mehr Kriterien erfüllt sind, um so höher ist das Risiko (Reihenfolge nach Häufigkeit des Vorkommens)

Ø      massive Angst und Panikattacken

Ø      Depressionen

Ø      frischer Verlust einer wichtigen Bezugsperson

Ø      Alkohol- oder Drogenmißbrauch

Ø      Gefühle von Hoffnungs-, Hilf- und Wertlosigkeit

Ø      Schlafstörungen

Ø      Unfähigkeit zur Freude

Ø      chronisch und kontinuierlich sich verschlimmernde Erkrankung

Ø      Unfähigkeit, beruflichen oder schulischen Verpflichtungen gerecht zu werden

Ø      bisher unbekanntes plötzlich impulsives Verhalten

Ø      frische Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung

 

Stationen „suizidsicher“ machen

Auf praktische Aspekte der Suizidprävention verweist eine in Großbritannien durchgeführte Studie von L. Appleby und Kollegen, die 10.040 Suizide analysierte. In 2.370 Fällen hatten die Betroffenen innerhalb eines Jahres vor ihrem Tod Kontakt mit einem Dienst, der sich mit seelischer Gesundheit befasst. Für diese Untergruppe psychisch Kranker mit letztlich 2.177 auswertbaren Schicksalen stellte sich heraus, dass stationär erfolgende Suizide sich häufig in der ersten Woche nach Aufnahme auf einer psychiatrischen Station (23 Prozent) und während der Planung der Krankenhausentlassung (40 Prozent) ereignen. Erhängen war die häufigste Todesursache (40 Prozent). 21 Prozent töteten sich trotz speziell angeordneter Beaufsichtungsmaßnahmen, 18 Prozent trotz häufiger Kontrollen in Abständen von 5 bis 30 Minuten. 25 Prozent nahmen sich das Leben auf einer nur schlecht zu überblickenden Station. Rund ein Viertel aller Suizide ereignete sich innerhalb von 3 Monaten nach stationärer Entlassung mit einem Gipfel in der ersten Woche und dem höchsten Wert am ersten Tag. Vor diesem Hintergrund empfehlen die Autoren,

Ø      den Kontakt zu den Kranken in besonders kritischen Zeiten zu intensivieren,

Ø      gefährdete Patienten nicht auf unübersichtlichen Stationen unterzubringen,

Ø      die Beaufsichtigungsmöglichkeiten zu verbessern (etwa durch mehr Personal) und

Ø      die Möglichkeiten des Erhängens zu verringern (zum Beispiel kein Einbau stabiler Vorhangschienen).

Altersdepression: Suizid trotz Heilung?

Wie R. C. W. Hall und Kollegen auf Grund einer Studie resümieren, suizidieren sich alte Menschen mitunter selbst dann, wenn sich ihre Depression deutlich bessert. Dies kann daran liegen, dass andere gavierende Stressoren weiterbestehen (wie zum Beispiel schwere Behinderungen, chronische Schmerzen oder massive Beziehungsproblemen). Es ist daher wichtig, bei diesem Personenkreis auch nach Heilung einer Depression weiterhin regelmäßig auf suizidale Tendenzen und Gefühle zu achten.

R. C. W. Hall u.a.: Suicide risk assessment: a review of risk factors for suicide in 100 patients who made severe suicide attempts. Psychosomatics 1999 (40) 18-27; L. Appleby u.a.: Suicide within 12 months of contact with mental health services: national clinical survey. Brit. med. J. 1999 (318) 1235-1239; M. Waern u.a.: Suicidal feelings in the last year of life in elderly people who commit suicide. Lancet 1999 (354) 917-918