USA. Nicht Ärger selbst
macht krank, sondern die Art, wie man damit umgeht. Depressionsgefährdet
scheinen vor allem solche Menschen zu sein, die sich fürchten, Ärger zu
zeigen. Sie ziehen es vor, ihn zu verbergen. Um zwischenmenschliche
Beziehungen nicht zu gefährden, ordnen sie die eigenen Bedürfnisse
lieber denen anderer unter.
Diese Annahmen stützt eine
Studie von C. L. Brody und Kollegen. Sie verglich 25 Männer und Frauen,
die sich in den letzten 3 Jahren von einer Major Depression erholt hatten,
mit 25 Personen, die bislang von Depressionen verschont geblieben waren.
Im Mittelpunkt des Interesses stand die Frage, ob die ehemaligen Patienten
anders mit Ärger umgingen als die Teilnehmer der Kontrollgruppe.
Der Vergleich zeigte, dass die
früher Depressiven signifikant stärker ihren Ärger unterdrückten und
sich mehr fürchteten, ihn offen zu zeigen. Tendenziell schienen sie auch
mehr bzw. häufiger Ärger zu verspüren als die Kontrollpersonen. Diese
Befunde sprechen dagegen, vermehrtes Erleben von Ärger als bloße
Begleiterscheinung einer Depression anzusehen. Nach Ansicht der Autoren lässt
sich der problematische Umgang mit Ärger mindestens in zweierlei Richtung
interpretieren: als „Narbe“ nach überstandenen Depressionen und als
Vulnerabilitätsfaktor für künftige Depressionen. Welche Rolle Ärger für
die Depressionsentstehung letztlich spielt, können erst weitere Studien
herausfinden. Sie sollten Risikopersonen (die Ärger vermehrt unterdrücken)
prospektiv beobachten.
Die Ergebnisse der vorliegenden
Studie legen bereits jetzt die Empfehlung nahe, ehemals Depressiven zu
helfen, mit Ärger im zwischenmenschlichen Bereich funktionaler umzugehen.
Sie sollten insbesondere die Annahme revidieren, man dürfe anderen nur
seine angenehmen Seiten zeigen und müsse deshalb eigene Gefühle
ignorieren. Möglicherweise beugt eine günstigere Denkweise
Depressionsrezidiven vor. Und noch eine zweite Prophylaxemöglichkeit
zeigen Brody und Kollegen auf: Auf Grund entsprechender Erfahrungen befürchten
ehemals Depressive, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, wenn
sie ihren Ärger ausdrücken. Diese Sorge kann man nehmen, indem man den
Betreffenden Techniken des „Ärger-Managements“ vermittelt. Dazu gehören
Entspannungsmethoden, Veränderungen des Denkstils und konstruktive Formen
des Ärger-Ausdrucks (wie ruhiges und sachliches Erörtern von Problemen,
die ärgerlich machen). Wer über solche Techniken verfügt, kann künftigen
Ärgeranfällen gelassener entgegensehen und erspart sich vielleicht auch
weitere Depressionen.
C. L. Brody u.a.:
Experiences of anger in people who have recovered from depression and
never-depressed people. J. Nerv. Ment. Dis. 1999 (187) 400-405
|