Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Meine erste Depression


Von Sabine Scholz (zur Homepage von Frau Scholz)

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wann ich mich zum ersten Mal depressiv gefühlt hatte, obwohl ich da das Wort noch nicht kannte. Ich war 4 Jahre alt und lebte in einer kleinbürgerlichen Familie, für die das Wort "Depression" etwas unanständiges war wie z.B. das Wort "Sex". Nicht, dass man glaubte der Sex und die Depression wären synonym, doch hingen sie auf eine undefinierbare Weise zusammen. Kein Wunder, dass in unserer Verwandtschaft später niemand erfahren durfte, dass ich depressiv geworden war. Meine Eltern hatten damals so wenig Geld, dass sie sich keine Wohnzimmereinrichtung kaufen konnten. An Weihnachten thronte also der geschmückte, glitzernde Weihnachtsbaum in einem leeren Zimmer. Das hätte durchaus trostlos auf ein vierjähriges Kind wirken können, tat es aber nicht.

Nein, meine erste Depression wurde durch etwas anderes hervorgerufen. Wenn fremde Leute zu Besuch kamen, versteckte ich mich immer unter der Bank in der Küche. An diesem Weihnachtstag besuchte uns der Chef meines Vaters. Er brachte mir ein riesiges schwarzes Plüschtier mit, vor dem ich mich fürchtete. Der Mann kam also mit diesem Monstrum auf mich zu und erwartete Dankbarkeit von meiner Seite. Ich sah mich um und wollte mich verstecken, doch es war nichts da, unter das ich hätte kriechen können. Das Zimmer war hell erleuchtet, das Wachs lief an den Kerzen herunter und ich bekam das Riesenviech in die Arme gedrückt und gleichzeitig meine erste Depression. Während meiner Schulzeit wurde ich immer depressiver. Ob das am langweiligen Schulstoff lag oder an den Klassenkameraden und Lehrern, die überhaupt nicht dazu in der Lage waren, mich aufzuheitern? Vielleicht waren sie auch depressiv und wollten es nur nicht zugeben.

Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass meine Depression daran schuld war, dass ich während meiner Schulzeit mit keinem einzigen Jungen ausging, und nicht etwa mein Aussehen. Mit 17 erfolgte dann der erste Selbstmordversuch. Ihm sollten viele weitere folgen. In Latein, meinem Lieblingsfach, hatte ich die erste Fünf meiner Schulkarriere bekommen. Es war eine Übersetzung eines Catull-Gedichts: "Ich weinte und ich sang: so wird es bleiben, und Tag wie Nacht verströme ich den Schmerz der Seele mit den Augen, mit dem Lied." Anstatt "verströme" hatte ich "verhöhne" übersetzt. Ich fühlte mich als Versagerin. Da ich keine Freunde hatte, konnte ich mich von niemandem trösten lassen, sondern ging allein mit dem verhunzten Catull-Gedicht in der Tasche zur U-Bahnhaltestelle. Ich wollte mich vor den nächsten Zug werfen. Doch dann kamen mir ein paar andere Zeilen in den Sinn: "Ich bin ein neunsilbiges Rätsel, Ich bin ein Mittel, eine Bühne, eine Kuh im Kalb. Ich habe eine Tüte grüner Äpfel gegessen, bin in den Zug gestiegen, von dem es keinen Ausstieg gibt." Ich fühlte mich gleich besser und wollte das Leben nicht so leichtfertig von mir werfen. Jedenfalls nicht, bevor ich nicht wirklich geliebt hätte.

Als ich an die Universität kam, trat meine Depression in die Hochblüte. Sobald ich den Fuß in die Philosophische Fakultät setzte, kamen mir die Tränen, die ich mit Mühe und Not zu unterdrücken versuchte. Dann kamen einige Männerbekanntschaften und die ersten sexuellen Erfahrungen, die mich jedoch nicht von meiner Depression befreiten, sondern sie eher noch verstärkten. Durch die philosophische Dialektik geschult begann ich mich ernsthaft zu fragen, ob ich überhaupt depressiv war. Vielleicht handelte es sich nur um eine Kategorienverwechslung wie man z.B. Gruppentherapie mit Gruppensex verwechseln konnte?