Indien/USA. Bislang wurde darüber gerätselt, warum Männer mit
Schizophrenie in fast allen einschlägigen Studien weniger Kinder zeugten
als Frauen mit der gleichen Erkrankung. Einer Untersuchung von T. Bhatia
und Mitarbeitern zufolge scheint der Unterschied weniger mit dem
Krankheitsbild als mit dem kulturellen Umfeld zusammen zu hängen. In ihrer
Studie gingen die Autoren der Frage nach, wie viele Kinder
Schizophrenie-Kranke in den USA bzw. in Indien haben. Rückschlüsse
ermöglichten 144 US-amerikanische und 224 indische Patienten. Der
Vergleich ergab, dass nur die in den USA lebenden schizophrenen Männer im
Vergleich zu schizophrenen Frauen signifikant weniger Kinder hatten und
auch häufiger allein lebten. In Indien fand sich kein entsprechender
Unterschied. Außerdem berichteten in Indien 40 Prozent der befragten
Männer und 50 Prozent der Frauen, dass sie eheliche Beziehungen haben oder
hatten, während dies in den USA nur bei 20 Prozent der Männer und 40
Prozent der Frauen der Fall war. Ähnlich deutlich unterschied sich der
Familienstatus zum Zeitpunkt der Befragung: So lebten in Indien 29 Prozent
der männlichen und 28 Prozent der weiblichen Patienten in einer Ehe,
während in den USA nur 4 bzw. 7 Prozent verheiratet waren.
Bathia und Kollegen
nehmen an, dass die indische Kultur es Schizophrenie-Kranken erleichtert,
dauerhafte eheliche Beziehungen einzugehen. Da in Indien viele Ehen schon
früh von den Eltern arrangiert werden, müssen psychisch Kranke dort
vermutlich weitaus weniger Hürden nehmen, um feste Beziehungen zum anderen
Geschlecht zu etablieren, als in westlichen Ländern. Auch ist denkbar,
dass sich indische Männer trotz Schizophrenie vergleichsweise geselliger
verhalten und daher besser in der Lage sind, eine Partnerschaft aufrecht
zu erhalten. Fazit der Studie: Die Kinderlosigkeit vieler schizophrener
Männer muss nicht unbedingt biologische Gründe haben
T.
Bhatia u. a.: Gender and procreation among patients with schizophrenia.
Schizophrenia Research 2004 (68) 387-394 |