1.
Worum geht es bei sog. Feedbacks?
Zu den Hauptangeboten meiner
Praxis gehört das Kennenlernen und Einüben einer „Feedback-Kultur“. Denn
Feedbacks spielen aus meiner Sicht aus vielen Gründen eine extrem (!) wichtige
Rolle für jeden Menschen. Es beginnt bereits damit, dass wir bekanntlich
großenteils „zu denjenigen werden, die andere in uns sehen“ (was sie
uns ja in aller Regel durch Feedbacks mitteilen). Auch hängt das für uns alle
so wichtige Selbstwertgefühl entscheidend davon ab, ob und welche
wertschätzenden Rückmeldungen wir von anderen erhalten. „Beziehungen“, ohne
die wir unsere menschlichen Möglichkeiten gar nicht realisieren könnten, sind
zwingend darauf angelegt, dass man sich ständig aufeinander bezieht, also
immer wieder „Feedbacks“ gibt. Und nicht zuletzt können wir erst dann etwas
als „Realität“ erleben, wenn wir durch das Feedback eines anderen Menschen
erfahren, dass er offenbar etwas Vergleichbares wahrgenommen hat bzw. unsere
Beschreibung nachvollziehen kann. Erst dann können wir (etwas) sicherer sein,
dass es das betreffende Phänomen auch unabhängig von unserer Vorstellung gibt
(Es könnte sich also tatsächlich um etwas „Reales“ handeln, das möglicherweise
sogar unabhängig von unserer eigenen Existenz besteht). Feedbacks beginnen
spätestens mit der Geburt. Die Art, wie wir als Babys betrachtet oder mit
unseren Äußerungen „beantwortet“ werden, entscheidet maßgeblich darüber, was
wir lebenslang spontan (!) von „Beziehungen“ erwarten werden. Die Art und
Weise, wie wir uns in diesen frühen Rückmeldungs- und Beantwortungsprozessen
erfahren haben, wird dann dauerhaft unsere Verhaltensmöglichkeiten in
Beziehungen prägen.
2. Tipps zum Umgang mit
Feedbacks
-
Betrachten Sie die Einladung
zu den „Sitzungsfeedbacks“ wie auch das Angebot der „Therapeutischen
Rückmeldungen“ nicht als lästige Pflicht, sondern als eine Chance, eine
zentrale menschliche Kompetenz einzuüben und zu verbessern.
-
Achten Sie bei jedem Feedback
unbedingt darauf, dass diese wertschätzend (!) formuliert sind. Viele
Menschen setzen unberechtigterweise Feedbacks mit „Kritik“ gleich. Wie vor
allem der englische Begriff andeutet, geht es jedoch vor allem um
„Zurückfüttern“ (also auf keinen Fall um ein „Runtermachen“). Wenn Sie sich
wertschätzend äußern, brauchen Sie auch nicht zu befürchten, dass der andere
„gekränkt“ reagieren und Sie anschließend angreifen könnte. Letzteres wird
er nur tun, wenn er spürt, dass Sie (!) ihn angreifen wollen.
-
Geben Sie dem anderen vor
allem Feedback zu seinem Verhalten. Sagen Sie also, was Sie beobachten und
was das Beobachtete bei Ihnen auslöst. Beispiel: „Du sprichst manchmal 15
Minuten am Stück, was dazu führt, dass ich dir schon nach 5 Minuten nicht
mehr zuhören kann.“. Verhalten lässt sich leichter ändern als etwa der
Charakter eines Menschen. Formulierungen wie „Du bist....“ gehören also
nicht in ein Feedback! Manchmal scheuen sich Menschen, den anderen auf
„Peinliches“ anzusprechen (etwa wenn bei einem Mann der Hosenschlitz offen
ist oder bei einer Frau im Gesicht die Schminke herunterläuft). Für solche
unangenehmen Feedbacks sind die Empfänger letztlich doch meistens sehr
dankbar, insbesondere wenn sich die Rückmeldungen auf Sachverhalte beziehen,
die sich rasch ändern lassen.
-
Geben Sie im Zweifel lieber
mehr als weniger Feedbacks. Die Fülle (echter!) Rückmeldungen lässt darauf
schließen, wie lebendig und bedeutsam Sie die jeweilige Beziehung erleben.
Je weniger Sie mitteilen, umso mehr Raum für Spekulation (und damit
Missverständnisse) lassen Sie zu (vgl. dazu die Beispiele am Schluss dieses
Arbeitsblatts).
-
Nutzen Sie die Möglichkeit,
lieber zu jedem Ihnen feedbackwürdig erscheinenden Phänomen ein
Einzelfeedback zu geben, als eine Fülle von Ereignissen durch ein in sich
verwobenes Gesamtfeedback zu würdigen. Dies erleichtert es dem
Feedbackempfänger, Ihre Aussagen seinem eigenen Verhalten zuzuordnen und
daraus zu lernen. Wie lebendig und hilfreich ein solches Vorgehen sein kann,
vermittelt Ihnen die eine Technik, die Sie im Arbeitsblatt „Fasse dich kurz
und sprich von Herzen“ nachlesen können.
-
Fragen Sie sich, was Ihre
Aussagen beim Empfänger auslösen werden bzw. was dieser mit Ihren
Informationen überhaupt anfangen kann. Mitunter erhalte ich knappe Hinweise
wie „Durch unser Gespräch ist mir jetzt einiges klar geworden“. Wenn
es bei seinem solchen Satz bleibt, wird er bei mir nach einem
vorhergegangenen 90-minütigen lebendigen Austausch eher Unklarheit
hinterlassen. Denn eine solche Rückmeldung hilft mir kaum, Nutzen oder
Schaden einzelner Handlungen und Mitteilungen zu erkennen und mein Verhalten
bei der nächsten Begegnung gegebenenfalls zu verbessern. Wenn es sich
anbietet, hole ich mir daher möglichst schon während der Sitzung kleinere
„Zwischenfeedbacks“. Bitten auch Sie Ihre Gesprächspartner, wenn diese zu
lange am Stück sprechen, Ihnen Gelegenheit zu „Zwischenrückmeldungen“ geben.
-
Betrachten Sie Feedbacks
nicht als „abzuarbeitende Aufgabe“, sondern als ein wertvolles Instrument,
Beziehungen aktiv (im von Ihnen erhofften Sinn) zu gestalten. Je besser Ihr
Gegenüber Sie kennenlernt, umso leichter wird es ihm fallen, sein Verhalten
optimaler auf Sie abzustimmen.
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Warten Sie mit dem Feedback
nicht auf den „letzten Drücker“. Selbst wenn Sie ein schriftliches Feedback
schon fertig haben, sollten Sie es nicht erst kurz vor dem nächsten Treffen
versenden. Sie nehmen sich damit selbst die Chance, dass der
Feedback-Empfänger sich schon im Vorfeld der nächsten Begegnung Gedanken
macht. Auch wird er mit Ihrem Feedback mehr anfangen können, wenn er sich
besser an das letzte Treffen erinnern kann, weil es noch nicht so lange her
ist. Schließlich sind „prompte“ Feedbacks auch ein Ausdruck von
„Feinfühligkeit“ (siehe dazu ein eigenes Arbeitsblatt).
-
Machen Sie Quantität und
Qualität Ihrer eigenen Rückmeldungen nicht von dem „Rückmeldungsverhalten“
anderer abhängig (etwa indem Sie wenig sagen, wenn andere wenig antworten).
Sie „spiegeln“ zwar dann dem anderen dessen Verhalten. Ob er sich in der
„Spiegelung“ aber auch selbst erkennt und entsprechende Rückschlüsse zieht,
ist mehr als fraglich. Verraten Sie ihm lieber, wie es Ihnen mit den
spärlichen Aussagen geht, welche Phantasien Sie dazu haben und was Sie sich
von dem anderen konkret wünschen. Nur so erfährt der andere, was er bei
Ihnen auslöst („anrichtet“), und er erhält einen Hinweis darauf, wie er sich
optimaler verhalten kann (sofern ihm an der Aufrechterhaltung der Beziehung
gelegen ist). Je mehr Sie von sich verraten, umso größer wird die
Wahrscheinlichkeit, auch mehr Antworten zu erhalten.
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Teilen Sie dem anderen mit
(wie unter Punkt 4 schon angedeutet), wie Sie dessen Verhalten erlebt haben,
indem Sie zuerst möglichst neutral und objektiv das von Ihnen wahrgenommene
Verhalten beschreiben und dann aufzeigen, wie sich dieses Verhalten auf Ihre
Gefühle und Bedürfnisse ausgewirkt hat (siehe dazu auch das Arbeitspapier
über „Gewaltfreie Kommunikation“).
-
Nutzen Sie Feedbacks, um sich
selbst besser kennen zu lernen. Damit Sie dem anderen überhaupt mitteilen
können, was er bei Ihnen ausgelöst hat, müssen Sie sich zuvor selbst
ausreichend genau wahrgenommen haben. Dies fällt vielen Menschen
(insbesondere „unsicher Gebundenen“) oft schwer. „Kunstgerechte“ Feedbacks
sind also auch ein hervorragendes Training zur Verbesserung der
Selbstwahrnehmung (insbesondere der eigenen Gedanken, Gefühle und
Bedürfnisse).
-
Für besonders
Fortgeschrittene: Verraten Sie dem anderen, welche Spekulationen dessen
Verhalten bei Ihnen darüber ausgelöst hat, was in dessen Kopf (Denken)
gerade abgelaufen sein könnte. Viele Menschen quälen sich selbst mit der
Sorge „Was andere wohl denken?“. Mitunter entwickeln sie dann auch
Vermutungen, an denen sie ihr weiteres Verhalten ausrichten. Da solche
Vermutungen sehr oft daneben liegen, wird auch das daran orientierte
Verhalten ebenfalls oft „daneben liegen“. Das offene Mitteilen und damit
Überprüfen der eigenen Spekulationen über das Denken der Anderen kann
solchen Fehlentwicklungen vorbeugen und verbessert die
Realitätsorientierung.
-
Nutzen Sie Feedbacks auch
generell zur „Realitätskontrolle“. Denken Sie daran, dass über den Inhalt
einer Botschaft immer der Empfänger entscheidet. Nur das, worüber Sie als
Feedbackgeber und der Andere als Feedbacknehmer sich einigen können, kann
Bestandteil einer gemeinsam geteilten Realität werden. So banal und lästig
es auch klingen mag: Oft lohnt es sich, nur das Gehörte noch einmal zu
wiederholen und sich so zu vergewissern, was der Andere wirklich gesagt hat.
Sonst wird Ihr Gegenüber zwangsläufig davon ausgehen, dass Sie alles gehört
und verstanden haben und daher auch berücksichtigen können.
-
Machen Sie sich klar, dass
jedes Feedback IMMER auch versteckte potenzielle Bewertungen enthält. Allein
schon die Auswahl der „zurückgemeldeten“ Phänomene eröffnet hier viele
Spekulationsmöglichkeiten. So wird sich der Feedbackempfänger häufig fragen,
ob denn die im Feedback nicht erwähnten Vorkommnisse vom Feedbackgeber als
zu unwichtig für eine Rückmeldung eingestuft wurden.
-
Gestehen Sie sich zu, dass
viele Ihrer Rückmeldungen auch „Erfindungen“ sein werden. Je später Sie eine
Rückmeldung geben, umso mehr Lückenfüller oder aktuelle Ergänzungen wird
diese haben. Denn 1. ist kein Mensch in der Lage, alles komplett zu
erinnern, und 2. wird die Rückmeldung oft mehr von dem Zustand beeinflusst,
in dem man das Feedback gibt, als durch den Zustand, auf den sich die
Rückmeldung eigentlich beziehen sollte.
-
Betrachten Sie Feedbacks
(insbesondere solche im Rahmen unserer Zusammenarbeit) auch als Form des
„mentalen Trainings“. Wenn Sie mir detailliert mitteilen, was Sie innerlich
neu an Wertvollem erlebt haben, wird diese Wiederholung Ihnen helfen, sich
das Neue und hoffentlich hilfreiche nachhaltig einzuprägen. Diese
Erfahrungen stehen Ihnen dann im Bedarfsfall leichter zum „Abruf“ zur
Verfügung. Wenn Sie sich die Dinge dagegen nur pauschal einprägen, weil Sie
diese pauschal beschreiben, wird Ihnen im Notfall nur Pauschales zur
Verfügung stehen. Ob das dann ausreichen wird, erscheint fraglich.
-
Selbstverständlich können Sie
Ihr Feedback nach eigenen Gesichtspunkten gestalten und formulieren. Mein
Raster möchte Ihnen vor allem als Hilfestellung dienen, damit Sie möglichst
viele wichtige Aspekte einer zwischenmenschlichen Begegnung berücksichtigen
können. Auch wenn Sie „ganz frei“ formulieren, empfehle ich Ihnen zumindest
einen „Kurz-Check“: Mit seiner Hilfe können Sie überprüfen, ob Sie wirklich
möglichst viele der vorgeschlagenen Perspektiven ausreichend berücksichtigt
haben.
3. Was manche Sitzungsfeedbacks
bei mir auslösen.
Damit Sie eine erste
Vorstellung davon haben, wie unkalkulierbar der Effekt von Rückmeldungen sein
kann, führe ich im Folgenden ein paar Spontangedanken an, die „dürftige“ oder
späte schriftliche Sitzungsfeedbacks bei mir in der Vergangenheit von Fall zu
Fall ausgelöst haben. Diese liefern zugleich Beispiele für die Fülle an
Deutungsmöglichkeiten, die unser Verhalten bei anderen Menschen bietet:
-
Ist der
Schreiber gerade in einer schwierigen Lebenssituation, die ihm ausführlichere
Rückmeldungen verwehrt?
-
Hat er
Angst sich auf diesem Weg mitzuteilen oder befürchtet er, sich schriftlich
festlegen zu müssen?
-
Wie
wichtig nimmt der Schreiber die Therapie (noch), wenn er scheinbar nur noch
das „Nötigste“ schreibt?
-
Ist der
Schreiber einer, der glaubt, im Leben vor allem seine Pflichten ableisten zu
müssen und daher auch das Sitzungsfeedback notgedrungen „erledigt“?
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Ist der
Schreiber ein Gehorsamer, der nie auf die Idee kommen würde anzufragen, ob er
auch einmal ein Feedback auslassen kann, statt sich irgendetwas aus der Nase
zu ziehen oder sich und andere zu quälen ?
-
Ist die
Selbstwahrnehmung des Schreibers genau so dürftig wie seine Zeilen?
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Denkt der
Schreiber jemals daran, was er mit seinen informationsarmen Zeilen bei mir als
Leser auslöst?
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Hat der
Schreiber als Kind auch ewig auf Antworten seiner Bezugspersonen warten
müssen? Konnte er mit diesen dann nicht mehr so viel anfangen, weil er sich
wegen der verstrichenen Zeit nicht mehr daran erinnern kann, worauf sich die
spät eingetroffenen „Antworten“ bezogen, falls diese überhaupt noch einen
„Bezug“ aufwiesen?
-
Macht er
sich vielleicht auch in anderen Beziehungen viel zu wenige Gedanken darüber,
was sein Verhalten mit anderen Menschen macht?
Wirft er den anderen auch
schon mal etwas hin nach dem Motto „Da hast du dein Ding. Guck selbst, was du
damit machen willst?“
Literaturtipp: Wolf,
Chris / Jiranek, Heinz: Feedback. Nur was erreicht, kann auch bewegen.
BusinessVillage 2014. ISBN 978-3-86980-279-4. 237 Seiten. Euro 24,80.
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