Starkes Gedränge oder
Katastrophen mit vielen Beteiligten können eine „Massenpanik“ auslösen,
die mit unkontrollierter Angst und massiven Fluchtbewegungen einhergeht.
Beispiele sind ein Tribüneneinsturz im Fußballstadion, Großbrände in
Diskothek oder Kaufhaus oder unkontrollierbares Gedränge vor einem
Ausgang („Flaschenhalseffekt“).
In einer solchen Situation
gibt es nur wenige Interventionsmöglichkeiten, da die Fähigkeit der
Betroffenen zu klarem Denken eingeschränkt ist. Der biologische Drang zur
Selbsterhaltung ist dann weitaus stärker als Mitleid, Rücksicht oder andere
soziale Kompetenzen. Dennoch kann man sich in einer solchen Situation sinnvoll
verhalten. Im Folgenden finden Sie einige Tipps für Betroffene und
Verantwortliche:
Tipps für Betroffene
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Versuchen Sie ruhig zu bleiben. Lassen Sie sich
so wenig wie möglich von der Panik anstecken.
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Vermitteln Sie den von Angst gepeinigten
Menschen um Sie herum das Gefühl, dass „alles wieder gut wird“. Bleiben Sie
bei diesem Versuch bei der Wahrheit. Zum Beispiel könnten Sie sagen: „Ich
bin sicher, dass die Rettungswagen schon unterwegs sind“ oder „Die
Sicherheitskräfte werden das bestimmt gleich unter Kontrolle haben“.
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Versuchen Sie, andere, die noch nicht (völlig)
von der Panik ergriffen sind, in die Verantwortung zu nehmen. Denn Personen,
die sich für andere (z.B. ihre Kinder) verantwortlich fühlen, geraten
seltener in Panik. So könnten Sie sagen: „Wenn Sie und ich ruhig bleiben,
können wir die anderen beruhigen. Wollen Sie mir helfen?“ oder „Was könnten
wir nach Ihrer Meinung tun, um die Lage zu entschärfen?“
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Manchmal hilft es, jemanden einfach in den Arm
zu nehmen und zu trösten.
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Nehmen Sie die Angst der anderen ernst, aber
bieten Sie Ihnen gleichzeitig Gedanken der Hoffnung an.
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Vermitteln Sie Sicherheit: Sprechen Sie langsam
und klar, treten Sie sicher auf.
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Rennen Sie nicht kopflos weg, wenn Sie selbst
von Panik ergriffen sind. Suchen Sie lieber jemanden, der ruhig wirkt und
sprechen diese Person an. Bitten Sie um Hilfe, um Trost, um Rat.
Tipps für Verantwortliche
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Beim Umgang mit einer kollektiven Panik brauchen
Sie ein hohes Maß an Kompetenz, Flexibilität und Improvisationsfähigkeit!
Erwerben Sie diese Eigenschaften!
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Am besten können Sie in der Entstehungsphase
einer Panik Einfluss nehmen. Geben Sie dazu ruhige und klare Anweisungen.
Wenn Menschen spüren, dass Sie Sicherheit ausstrahlen, werden sie
möglicherweise nicht so leicht in Panik verfallen. Ein hervorragendes
Beispiel dafür ist das Verhalten von Bürgermeister Gulliani in New York nach
dem Anschlag des 11. September. Obwohl er selbst keinerlei Überblick über
die katastrophale Lage haben konnte, vermittelte er den Menschen, dass er
alles im Griff habe und die richtigen Maßnahmen ergreifen würde.
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Selbst nach dem Ausbruch einer Panik können Sie
Menschen durch gezielte, klare und strukturierte Aufforderungen und
Informationen erreichen. Dies kann z.B. durch laute Durchsagen oder durch
Abläufe geschehen, die Gelassenheit demonstrieren (z.B. Fortsetzung eines
Fußballspieles).
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In einer solchen Situation sollten Sie sachlich
und nüchtern wirken und ihre Informationen sollten klar, eindeutig und
wahrheitsgemäß sein. So kann es durchaus gelingen, die Erregung der
Betroffenen zu dämpfen. Auch schockartige Interventionen (z.B. ein
durchdringender, schriller Pfeifton) oder das Stellen einer einfachen
Aufgabe (z.B.: „Achten Sie bitte auf Kinder!“) können eine panische Menge
erreichen.
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Entscheidend ist, dass Sie Kommunikation (wieder)herstellen
und so die Selbstkompetenz anderer aktivieren.
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Es ist zwar unmöglich, eine Massenpanik zu
Übungszwecken zu simulieren. Zumindest können Sie sich aber geistig mit der
Möglichkeit einer solchen Katastrophe auseinandersetzen. So bereiten Sie
sich darauf vor, gelassener, ruhiger und mit mehr Übersicht auf
unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren.
Leitender Notarzt
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Ihre wichtigste Aufgabe ist es, Panik frühzeitig
zu erkennen, sich einen Überblick zu verschaffen und diesen zu bewahren.
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Gleich zu Beginn sollten Sie Verstärkung bei der
Rettungsleitstelle anfordern: Notärzte, Rettungsdienstmitarbeiter, Polizei,
Feuerwehr, Katastrophenschutz, Notfallseelsorger usw. Auch Fahrzeuge mit
medizinischem Gerät, Medikamenten und Verbandsstoffen müssen baldmöglichst
zur Verfügung stehen.
Nach der Katastrophe ist eine
Nachbesprechung aller Beteiligten wichtig, um aus möglichen Fehlern zu lernen.
Ebenso wichtig ist „Stressmanagement“. Darunter versteht man Maßnahmen zur
Bearbeitung psychisch belastender Einsätze. Oft leiden Hilfskräfte unter
traumatischen Erfahrungen. Sie dürfen damit nicht allein gelassen werden.
Grundlage dieser Tipps:
F.G. Pajonk u.a.: Massenphänomene bei Großschadensereignissen – Panik als
seltene Erscheinungsform. Der Notarzt 2002 (18) 146-151 |