Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Teil 9: Verlust der Achtung und fehlendes Beziehungsvorbild


Ich möchte nicht verschweigen, dass es auch schöne Momente, vielleicht sogar Zeiten gab. Wenn wir sonntags auf einem Ausflug waren, oder innerhalb des Urlaubs Fahrten in kleine Städtchen unternahmen, oder bei Verwandtenbesuchen in das alte Haus. Es konnten durchaus auch Glücksgefühle oder Anflüge von Geborgensein aufkommen. Wir Kinder freuten uns, wenn unsere Eltern in guter Stimmung waren und wünschten uns, dass es immer so bleiben könnte. Wenn sich das 'Elterngewitter' entladen hatte, war meistens für ein paar Tage Ruhe und wir lernten, diese Zeit ansatzweise zu genießen, lebten aber andererseits immer in der Angst(!), dass es wieder losgehen könnte. Am Anfang hatten wir noch die Hoffnung, dass die erbitterten Streits meiner Eltern sich für immer legen würden. Aber im Laufe der Zeit, nach immer härter werdenden Auseinandersetzungen, gaben wir die Hoffnung auf und wussten, nach einer gewissen Ruhezeit würde es mit Sicherheit wieder losgehen, es war nur die Frage, wann?

Bei den Konflikten meiner Eltern ging es im Wesentlichen immer um das Gleiche. Meine Mutter warf meinem Vater vor, dass er zu wenig zu Hause sei, sie fühlte sich mit der Versorgung der Kinder alleine gelassen. Außerdem fand sie schon einmal Kinokarten etc. in seinen Taschen, sie vermutete er ginge fremd.

Mein Vater wehrte sich, sie würde spinnen, er müsse halt viel arbeiten, um die Familie zu ernähren und im Übrigen gönne er sich dann auch mal einen Schwimmbad oder Kinobesuch mit Freunden! Aber meine Mutter konnte nicht weg wegen uns!

Man muss sich das so vorstellen, wenn mein Vater abends zur Türe hereinkam, wurde er sofort schreiend mit Vorwürfen überhäuft.

Zunächst antwortete er noch ruhig, versuchte alles zu entkräften, aber die Vorwürfe und das Gezetere meiner Mutter wurde immer schlimmer, bis auch er schrie und ihr hysterisches Verhalten vorwarf. Alles in unserer Gegenwart. Es war uns immer sehr peinlich, so etwas mitzuerleben, und wir hatten Angst (!), was jetzt wieder alles passieren würde. Der erste Streit dieser Art, an den ich mich als kleines Kind erinnere, endete damit, dass mein Vater am Essenstisch mit der Faust in den Teller schlug. Das Spiegelei mit dem Spinat hing an der Wand, der Teller flog durch die Luft. Wir erschraken uns sehr.

Die Auseinandersetzungen wurden mit der Zeit heftiger. Ich erzählte ja bereits, dass mein Vater einmal meine Mutter mit dem Kopf zuerst durch einen langen Flur warf.

Oder mein Vater hatte meine Mutter so gestoßen, dass sie auf einem Klappstuhl zusammenbrach. Der Finger war dazwischen. Sie behauptete, er wäre ab (was gar nicht stimmte) und ging mit dem Küchenmesser auf meinen Vater los. Der wehrte sie dann prügelnd ab.

Ich lebte in der Vorstellung, irgendwann einmal den Unfallwagen holen zu müssen, wusste aber nicht, wie ich das anstellen sollte, da ich weder zur Nachbarin durfte, noch zur Vermieterin und auch nicht ans Telefon.

Morgens war es oft so, dass meine Mutter blaue Flecken, oder ein blaues Auge hatte. Auf meine Nachfragen hin, erzählte sie mir, dass sie im Bad ausgerutscht wäre und auf den Beckenrand der Badewanne geschlagen ist, das kam mir schon damals komisch vor, konnte es mir aber nicht anders zusammenreimen. Heute weiß ich natürlich, dass es anders war.

Wenn wir bei Auseinandersetzungen dabei waren, sollten wir immer irgend etwas bezeugen: Du bist Zeuge, du hast das gehört, wer hat jetzt recht u.s.w. Wir hüteten uns allerdings, irgendjemandem Recht zu geben. Wir fanden sie auch beide schlimm. Hatte meine Mutter vielleicht sachlich recht, das merkten wir schon als kleine Kinder, so fanden wir die Vorgehensweise meiner Mutter unmöglich. So konnte man keinen Menschen behandeln und von meinem Vater ganz zu schweigen, so darf sich kein Mann benehmen. Wir hatten allerdings ein gewisses Verständnis dafür, dass er Ruhe herstellen wollte.

Es war ja immer das gleiche Schema. Langsam über Tage anschwellende Auseinandersetzungen, Vorwürfe, Schreierei, Eskalation, Gewalt, aber danach war interessanterweise Ruhe. Wohltuende Ruhe für alle.

Meine Vater verließ danach immer das Haus, er schämte sich wohl. Meine Mutter räumte danach noch manchmal stundenlang heulend auf und wollte nicht, dass ich ihr dabei helfe. Ich glaube, sie suhlte sich in ihrem Leid.

Wir hatten ein schlechtes Gewissen, aber nach und nach verachteten wir unsere Eltern für ihr Verhalten.

Aus irgendwelchen Gründen fällt es mir schwer, mir einzugestehen, dass ich wahrscheinlich früher viele unverarbeitete Angstgefühle hatte, oder nicht? Ich hielt mich immer für unerschrocken und dachte auch alles gut hinter mich gebracht zu haben.