Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Teil 24: Sind wir "falsche" Kinder?


Wir waren die falschen Kinder für unsere Eltern. Sie hatten wirklich Pech mit uns!

Mein Bruder sollte ein robuster und kräftiger Junge halt ein 'richtiger Stammhalter' werden, der auch einmal über die Strenge schlägt, mutig und draufgängerisch ist und dem man dann als 'angehendem Mann' auch so einiges nachsehen kann. Er sollte sportlich sein und vor allen Dingen ein Fußballfan.

Stattdessen war mein Bruder ein zartes, schmächtiges Kind. Er aß nach den Vorstellungen meiner Eltern nicht genug. Er war kränklich, hatte oft Infekte als er klein war und galt als 'unterernährt', deswegen rannten meine Eltern von Arzt zu Arzt mit ihm, die konnten jedoch nichts Gravierendes feststellen.

Mein Bruder war ein Träumer, wirkte in sich gekehrt, ängstlich und schüchtern. Er hatte nichts von einem wilden, aktiven Rabauken, sondern saß lieber stundenlang in irgendeiner Ecke des Zimmers und beschäftigte sich selbstvergessen und leise mit irgendetwas. Er las gerne Bücher, hasste Fußball und war eher unsportlich, d.h. wirkte sogar sehr linkisch mit dem Ball. Besonders mein Vater war sehr enttäuscht von ihm und beschimpfte ihn oft als Spinner, Träumer oder Tölpel.

Ich sollte ein richtiges, braves - ruhig auch schüchternes - Mädchen werden, das immer nur hübsch lächelt und das man verzieren kann. Jungenspiele bzw. -spielzeug und bestimmte Kleidungsstücke waren tabu, dafür sollte ich mit allerhand Schleifchen im Haar, knisternden Röckchen, Püppchen usw die Welt erobern. Weihnachtsgeschenke waren für solche frauenrollenprägenden Dinge reserviert.

Ich fand das alles höchstlangweilig, zog mir in unbeobachteten Augenblicken alle Schleifchen aus dem Haar, löste die Zöpfe auf und knabberte kratzende, verzierte Kleiderkrägen an, denn alles behinderte nur unnötig beim Bäumeklettern, Fußballspielen und Fahrrad fahren. Alles Lieblingsbeschäftigungen von mir, die ich aber heimlich machen musste, da nicht erwünscht.

Als Spielzeug wünschte ich mir Stabilbaukästen, Legos, Schuko- und Eisenbahnen, da man meiner Meinung nach interessantere Spiele damit machen konnte als mit Puppen.

Ich hatte eine Lieblingspuppe - an der ich sehr hing - und die reichte mir.

Meine Mutter wollte mir ständig neue Puppen kaufen, die interessierten mich aber nicht, ich hatte ja eine. Irgendwann war die Puppe verschwunden, meine Mutter hatte sie heimlich weggeschmissen, da sie ihr zu alt war! Ein Wesen mit der ich jeden Abend im Bett eingeschlafen bin und das mich getröstet hat, wenn ich unglücklich war! Neue Puppen wollte ich jetzt erst recht nicht mehr.

Röcke waren bei meinen Spielen überhaupt nicht beliebt. Als ich meine erste Hose bekam, durfte ich diese nur anziehen, indem ich einen Rock darüber trug. Den zog ich natürlich sofort aus, wenn ich außer Sichtweite meiner Eltern war. Es war auch weit und breit kein Mädchen mit Hose und Rock zu sehen.

Nach und nach gab meine Mutter resigniert auf, ein niedliches Modepüppchen aus mir machen zu wollen.

Mein Bruder und ich waren uns untereinander weder äußerlich noch charakterlich ähnlich. Ebenso sah keiner von uns einem unserer Eltern ähnlich. (Lediglich sollte nach Aussagen meiner Eltern angeblich mein Bruder dem Vater meiner Mutter und ich der Schwester meines Vaters charakterlich und äußerlich ähnlich gewesen sein - interessanterweise beides die absolut 'schwarzen Schafe' der Familie 'zu nichts gebracht, unseriöser Lebenswandel, Alkoholiker') Da wir schon als Kinder so wenig Ähnlichkeit feststellten und uns auch nicht sonderlich zugehörig zu unseren Eltern fühlten - vielleicht auch bedingt durch die ewigen Streitereien - fragten wir uns oft, ob es überhaupt unsere richtigen Eltern wären und wir nicht evt. im Krankenhaus vertauscht worden sind. Wir unterhielten uns oft abends im Bett darüber, wer wohl unsere richtige Eltern sind, und malten uns aus, wo und wie sie lebten und dass sie uns irgendwann abholen würden. Wir fantasierten uns in Geschichten hinein, dass unsere richtigen Eltern uns schon lange gesucht, uns endlich gefunden haben und wir dann auch endlich ohne Streit und glücklich leben konnten.

Es war die Lösung. Wir mussten entweder adoptiert oder vertauscht worden sein, da wir ja so gar nicht nach dem Wunsch der Eltern geraten waren bzw. ihnen nicht ähnlich sahen.