Nachdem ich die Lehre abgeschlossen hatte, bewarb ich mich auf einer
Tagesschule, um das Abitur nachzumachen. Ich wohnte mittlerweile alleine,
da die Wohngemeinschaft sich aufgelöst hatte.
Der Schulbesuch wurde familienunabhängig mit dem
Höchstsatz des Bafögs gefördert. Das war nicht viel, aber man konnte recht
bescheiden davon leben.
Während der Lehre und dem Schulbesuch reifte in mir
die Entscheidung, Lehrerin zu werden. Fächer wie Psychologie, Pädagogik,
Philosophie, Soziologie etc. interessierten mich weiterhin sehr und ebenso
die Frage, wie der Mensch lernen, bzw. gefördert, gefordert und
unterstützt werden kann.
Ich begann ein Lehramtsstudium mit den Fächern
Mathematik und Sozialwissenschaften. Es war mit Sicherheit auch eine
emotionale Entscheidung, war die Schule doch der einzige Raum, in dem ich
mich als Kind wohl gefühlt hatte. Ich wollte es mindestens genauso gut
machen, wie meine ehemaligen Lehrer.
Ich hatte zu meinen Eltern sehr wenig Kontakt. Weder
mit meinem Vater noch mit meiner Mutter verstand ich mich. Bei einem
Wiedersehen gab es über kurz oder lang Auseinandersetzungen. Ich fühlte
mich nach einem Wiedersehen immer schlecht. Ich schränkte deswegen schon
lange den Kontakt zu meinen Eltern auf das absolut Notwendigste ein.
Zu Beginn des Studiums wurde die familienunabhängige
auf die familienabhängige Förderung umgestellt. D.h. das Einkommen der
Eltern wurde als Bemessungsgrundlage für die Förderungshöhe genommen.
Meine Eltern verdienten mittlerweile beide gut. Sie hatten seit dem 16.
Lebensjahr kein Geld für mich mehr bezahlt und ich wollte auch weiterhin
kein Geld von ihnen. Aber ich war in der Zwickmühle, damit die staatliche
Höhe des Zuschusses ermittelt werden konnte, brauchte ich eine
Einkommenserklärung meiner Eltern. Der alte 'Unterschriftenzirkus' begann
wieder.
Beide Elternteile verweigerten mir diese
Einkommenserklärung. Auch gutes Zureden meinerseits, dass sie nichts für
mich bezahlen sollten, es ginge mir nur um die Ermittlung des mir
zustehenden staatlichen Zuschusses, half nichts. "Du brauchst nicht zu
studieren, du hast ja eine Lehrstelle, und kannst arbeiten gehen". So
schlecht sie sich immer verstanden, darin waren sie sich einig. (Warum
soll es Dir besser gehen als uns?!)
Das Bafög-Amt riet mir zu prozessieren. Ich fand,
das war eine Zumutung, so ein Ansinnen! Gegen meine eigenen Eltern zu
prozessieren, das ging mir zu weit, das konnte ich nicht.
Ich sprach noch einmal mit meinen Eltern. Meine
Mutter reichte die Einkommenserklärung ein, aber da mein Vater sich immer
noch weigerte, konnte der Antrag nicht laufen und ich bekam auch
staatlicherseits kein Geld.
Ein Glück, dass ich vorher nicht wusste, dass die
familienunabhängige Förderung eingestellt wird. Ich hätte vielleicht nie
studiert, denn von meinen Eltern wollte ich nicht abhängig sein.
Nach einem Jahr Hin und Her und verlorener Zeit,
entschloss ich mich, neben dem Studium halbtags arbeiten zu gehen und
finanzierte so die Studienzeit. Ich hatte auch noch die Möglichkeit, ein
begrenztes Darlehen beim Bafög-Amt aufzunehmen.
Das Studium dauerte natürlich länger als die
Regelstudienzeit. Ich schloss es mit dem ersten Staatsexamen ab. Nach der
Referendarzeit und dem 2. Staatsexamen begann ich den Beruf als Lehrerin,
den ich bis heute gerne ausübe.