Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

E-Mail: kontakt@dr-mueck.de (Keine Beratungen per Telefon oder E-Mail!) - Gerne können Sie diese Seite verlinken!

 

Web www.dr-mueck.de


 

 


Teil 18: Die andere Elternseite und vom Segen der Bücher


Ich hatte leider nie eine besonders positive emotionale Beziehung zu meiner Mutter, fühlte ich mich doch von Ihr nicht richtig angenommen und geliebt.

Aber für einige Dinge bin ich Ihr heute noch sehr dankbar. Sie war eine wunderbare Köchin, alles schmeckte großartig und sie gab sich viel Mühe, vielfältig und mit frischen Zutaten zu kochen.

Wenn wir als Kinder etwas Fremdes nicht essen wollten, war immer die Devise: Erst mal probieren, dann kann man immer noch ablehnen! Meistens schmeckte es dann. Oder fremdes Essen wurde mit bekanntem vermischt, so konnte man sich an den fremden Geschmack gewöhnen. Wir wurden nie 'gezwungen', etwas zu essen. Nur, was man sich auf den Teller geladen hatte, sollte man auch aufessen. Damit konnte ich gut leben. Da mein Magen aufgrund der Familienatmosphäre oft wie zugeschnürt war, kam dies meiner vorsichtigen Essweise sehr entgegen. Es gab oft genug Tage, an denen ich nichts oder nur wenig herunterbekam. Ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte man mich zu irgendeinem Essen gezwungen.

So ist aus mir ein genussvoller Esser geworden, der alles Fremde gern probiert und ausprobiert, bzw. beim Kochen auf gehaltvolle, schmackhafte Zutaten achtet.

Auch meinem Vater stand ich distanziert gegenüber. Er war ja auch wenig zu Hause. Aber er sorgte gut für uns und war - trotz vieler Arbeit - der Motor dafür, dass wir sonntags oft Ausflüge machten und ins Ausland verreisten, wenn es möglich war. So lernten wir schon als Kinder unterschiedliche Lebensmöglichkeiten kennen und dem Fremden gegenüber aufgeschlossen zu sein.

Auch bin ich dankbar dafür, dass meine Eltern mich letztendlich in Konfliktfällen - wenn sie dann schon nichts für mich tun konnten - immer haben 'Ziehen' lassen, d.h. ich konnte meinen 'eigenen Weg' gehen, wenn Sie sahen, wie ernst es mir war.

Aber - aus meiner Sicht - war das größte Verdienst meines Elternhauses, dass uns Bücher näher gebracht wurden.

Besonders meine Mutter liebte Bücher sehr. Wenn sie auch nicht so oft zum Lesen kam, konnte man ihr mit einem Büchergeschenk immer eine große Freude machen. Sie wurden alle im großen Wohnzimmerschrank aufbewahrt, den wir sehr bewunderten.

Beim Überreichen eines Buches, z.B. zum Geburtstag, leuchteten die Augen meiner Mutter. Wie wertvoll mussten Bücher sein!

Wir wurden immer dazu angehalten und darin unterstützt zu lesen. Wir waren Mitglied in der sog. 'Büchergilde Gutenberg', die jedes Vierteljahr einen wunderschönen Katalog herausbrachte. Mein Bruder und ich freuten uns immer sehr darauf, denn wir durften uns dann für Festtage immer Bücher als Geschenke aussuchen.

Ich konnte es kaum erwarten, bis wir dann z.B. zum Geburtstag, zu Ostern oder Weihnachten wieder einen Satz frischer Bücher in der Hand hatten. Wir lasen oft stundenlang. Wir verkrochen uns - gerade auch in Krisenzeiten - in unser Zimmer und verschlangen die Bücher förmlich. Sie gaben uns Rat, Hilfe, Orientierung, emotionale Stütze, Auseinandersetzungs- und Identifikationshilfen, wie ich heute weiß. Da unsere Eltern keine Ansprechpartner für uns sein konnten und waren, fühlten wir uns weniger von unseren Eltern als von Büchern erzogen.

Ein Glück, dass Bücher da waren! Ich glaube die Bücher haben uns gerettet!