Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

E-Mail: kontakt@dr-mueck.de (Keine Beratungen per Telefon oder E-Mail!) - Gerne können Sie diese Seite verlinken!

 

Web www.dr-mueck.de


 

 


Teil 14: "Nur ein Mädchen"


Ich war ab meinem 5. Lebensjahr nicht nur wegen der familiären Verhältnisse sehr unglücklich.

Sobald ich etwas mehr denken konnte, lief ich herum und dachte immer wieder, warum bin ICH gerade ICH, und vor allen Dingen, warum bin gerade ICH ein MÄDCHEN.

Es schien mir, als bekämen Jungen immer die interessanteren Geschenke (Märklin-Eisenbahn, Legosteine, Stabilbaukasten, Schukobahn u.s.w., u.s.f.), durften immer die interessanteren Sachen machen (auf Bäume klettern, Fußball spielen, usw.), und Jungen hatten die bequemere Kleidung an, während man sich als Mädchen mit einem Rock und Petticoat herumschlagen musste, der immer zerriss, wenn man auf Bäume klettern wollte. Als Mädchen Hosen zu tragen, war noch verboten.

Immer hieß es, du bist ein Mädchen, du darfst das nicht, du kannst das nicht oder einfach, du bist ja 'nur ein Mädchen'.

Ich weiß nicht, ob das der Grund dafür war, warum ich immer meine Kleiderkrägen anknabberte. Vor mir war kein Kragen des verhassten Kleides sicher, das ich trug. Nach einiger Zeit jedenfalls war das Kleid hinüber.

Man wurde als Mädchen auch von vielem ausgeschlossen. Da ich Fußball sehr liebte und auch recht gut spielen konnte (zum Leidwesen meines Bruders wählten seine Hauptspielkameraden immer mich, nicht ihn in die bessere Mannschaft), wollte ich in einem Fußballverein trainieren. 'Das darfst du nicht, du bist ja nur ein Mädchen!'

Ich hätte gerne außer Blockflöte noch ein Instrument gespielt, mein Bruder bekam als Junge eine Trompete gestellt, konnte aber nichts damit anfangen. Ich hätte gerne Gitarre oder Klavier gespielt, aber Mädchen bekamen kein weiteres Instrument und meine Eltern wollten kein Geld dafür ausgeben.

Ich meldete mich auch bei unserer Pfarrei, weil sie Messdiener suchten. Da erfuhr ich, 'für Mädchen nicht gestattet'!

Als ich an unserer Schule über einen Aushang erfuhr, dass in unserem Viertel Jugendliche für Mal-, Knetgummi-, Sport,- oder andere Kurse in einem sog. Jugendtreff gesucht wurden, ging ich sofort dorthin und wollte mich anmelden, in der Hoffnung, dass ich dann nicht mehr so oft alleine bin. Der Jugendheimleiter fing mich noch an der Türe ab, ließ mich gar nicht erst herein und sagte, 'dass ist nichts für Mädchen'. Sind Mädchen etwa keine Jugendlichen!?

Ich war sehr enttäuscht! Mädchen waren wohl etwas Minderwertiges und so behandelte mich auch mein Bruder. Er hänselte mich oft in der Öffentlichkeit. Er akzeptierte mich nicht und schämte sich, mit mir gesehen zu werden. 'Du bist ja nur ein Mädchen'.

Weil ich mich mit meinem Bruder nicht richtig verstand, wünschte ich mir sehnlichst ein Schwesterchen. Ich dachte, dann würde ich mich vielleicht nicht mehr so alleine fühlen.

Ich fragte meine Mutter oft, ob ich nicht ein Schwesterchen haben könnte. Irgendwann erklärte sie mir barsch, dass sie schon ein Kind ABGETRIEBEN hätte. Ich verstand dies am Anfang nicht so recht, aber mit der Zeit wurde mir klar, ich hätte ein Geschwisterchen oder vielleicht sogar ein Schwesterchen haben können, aber es ist tot!!!

Und Außerdem: Mein Bruder war ein Wunschkind, das wusste ich, aber ich???

(Meine Mutter reagierte auf Nachfragen immer ausweichend!) Noch heute denke ich oft daran, wie ich mich wohl mit meinem Geschwisterchen verstanden hätte, bzw. was für ein Mensch es wohl geworden wäre!