Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Teil 12: Distanz zu anderen


Als ich ca. 11 Jahre war zogen wir noch einmal in einen anderen Stadtteil etwas außerhalb von .... . Mein Vater brauchte dadurch nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, sondern die Firma lag direkt neben unserer Wohnung. Wir Kinder konnten es uns aussuchen, ob wir die Schule wechseln, oder weiter in die alte gehen wollten. Natürlich wollten wir lieber in der alten bleiben und fuhren jeden Tag mit dem Fahrrad in die 10 km entfernte Schule. Mein Mutter erhoffte sich von dem Umzug, dass mein Vater mehr zu Hause sein würde.

Aber es kam nicht so. Mein Vater war weiterhin viel weg, dafür waren meine Mutter und wir viel isolierter.

Meine Mutter war weiterhin sehr unglücklich, weinte weiterhin sehr viel und aus heutiger Sicht glaube ich, sie war depressiv.

Es wurde immer schlimmer. Im Schlafzimmer meiner Eltern, (welches ich nicht betreten durfte, aber trotzdem manchmal einen Blick erhaschen konnte) türmte sich auf dem Fußboden und teilweise auch auf dem Bett meines Vaters schmutzige Wäsche.

In der Küche türmte sich ebenso schmutziges Geschirr. Die Ablageflächen und der halbe Tisch waren voll damit, so dass wir kaum Platz hatten, daran zu essen. Ich hätte meiner Mutter gerne beim Abwasch geholfen, oder hätte es auch gerne alleine gemacht.

Aber ich durfte nicht, da ich angeblich alles kaputtmachte. Es gab also wieder kein Entrinnen aus dieser Situation. Sie musste ausgehalten werden. In meiner Erinnerung jahrelang.

Wir durften im Alltag auch weiterhin nicht ins Wohnzimmer, weil die Möbel geschont werden sollten. (Nur am Wochenende mit meinen Eltern zusammen, gewaschen und umgezogen, abends falls mein Vater da war. Wir fühlten und terrorisiert) Hier war immer alles ordentlich, es könnten ja mal Leute kommen!

Wir konnten und durften am großen Küchentisch in der Küche keine Hausaufgaben mehr machen wie früher, sondern mussten in unserem Zimmer arbeiten. In dem Zimmer stand zum Arbeiten aber nur ein kleiner niedriger, wackliger Campingtisch. Zum Arbeiten für meinen Bruder und mich sehr ungeeignet und es gab immer Streit, den mein Bruder natürlich gewann, weil er größer war. Ich glaube im Nachhinein das ist der Grund, warum ich aufhörte, Hausaufgaben zu machen und ich jeden morgen mit Ängsten in die Schule ging, nachts nicht richtig schlief, musste ich die Hausaufgaben doch noch irgendwie in den Pausen erledigen. Ich weiß eigentlich nicht, wie ich die Schule dann doch geschafft habe, die Lehrer müssen ziemlich milde gewesen sein und glücklicherweise stimmten ansonsten die Schulnoten.

Das Zimmer war nicht sehr groß. Es passten gerade 2 Betten rein, mit ca. 1m Platz dazwischen, dann stand in der einen Ecke der Campingtisch und in der anderen ein großer Kleiderschrank für uns beide. (Ich muss vielleicht noch erwähnen, dass wir nicht arm waren. Mein Vater verdiente mittlerweile als technischer Betriebsleiter einer 500-Seelen-Firma für die damalige Zeit sehr gut!) An diesen Kleiderschrank durften wir - wenn - nur unter Aufsicht dran, wir durften uns nichts alleine herausnehmen oder einordnen.

Das Allerschlimmste an dieser Zeit war, dass wir meistens keine sauberen Sachen für die Schule hatten. Wir kamen ja langsam in die Pubertät und der Körper verändert sich. Wir mussten oft wochenlang(!) den gleichen Pullover anziehen. Auch mit häufigem Waschen war es nicht zu vermeiden: irgendwann stank der Pullover oder das Hemd und wir mussten stinkend (oder wir glaubten nur zu stinken?) in die Schule. Wie haben die anderen oder die Lehrer es nur mit uns ausgehalten? Jedenfalls viel nie ein böses Wort.

Ich versuchte, mich in der Schule möglichst wenig zu bewegen und hielt mich möglichst fern von anderen Kindern und kam auch den Lehrern wenn möglich nicht zu nahe, aber unseren eigenen Ausdünstungen konnten wir nicht entweichen.

Es war eine Qual. Täglich bat ich meine Mutter um frische Sachen, diese vertröstete mich jedoch meistens auf den nächsten Tag und groß war die Enttäuschung, wenn am nächsten Morgen nichts Sauberes dalag. Ich bat meine Mutter auch, mir selbst etwas für mich waschen zu dürfen, aber auch das wurde mir mit dem Hinweis, ich würde dann alles versauen und dreckig machen(!) verwehrt. Ob in dem Schrank vielleicht etwas Sauberes zum Anziehen gelegen hat, weiß ich nicht, denn ich traute mich ja nicht, dort hineinzuschauen.

Ich frage mich heute, warum ich mich an die Verbote gehalten habe, da ich sehr gelitten habe. Aber ich hatte auch Angst, meine Mutter würde noch mehr Schluchzen und tat deswegen, was sie wollte.