Meine Mutter war sehr unglücklich in ihrer Beziehung, das zeigte sie uns
fast täglich, aber besonders nach so heftigen Auseinandersetzungen. Sie
heulte dann oft tagelang, während mein Vater sich eine zeitlang nicht
blicken ließ. Ich versuchte sie zu trösten, ihr etwas im Haushalt
abzunehmen, aber sie ließ mich nicht. Ich durfte ihr nicht helfen, das war
sehr schlimm. Ich musste mit ihr die Situation ertragen, nichts ließ sich
verbessern. Reden ging auch nicht. Meine Mutter beklagte sich auch oft,
dass mein Vater ja weggehen konnte, während sie wegen uns zuhause bleiben
musste.
Wir gingen als Kinder dann auch oft draußen spielen
(mit schlechtem Gewissen!). Wenn wir zuhause sein mussten, schlichen wir
unglücklich in der Wohnung herum oder verkrochen uns in unser Zimmer.
Wir wollten unsere Mutter in dieser Zeit natürlich
so wenig wie möglich behelligen. Dabei brauchten wir sie doch! Wir mussten
Sie um so vieles bitten, auch wenn es ihr schlecht ging. Es war sehr
unangenehm.
Essen und Pausenbrote bekamen wir immer ohne zu
fragen. Geld war auch immer vorhanden. Schwierig war es mit
Unterrichtsmaterialien, die besorgt werden mussten. Wir mussten oft
tagelang darum betteln.
Aber besonders schlimm war es mit Unterschriften für
Elternbriefe, Klassenarbeiten oder Sonstiges. Meine Mutter vertröstete
uns immer wieder, 'jetzt nicht, habe keine Zeit, morgen unterschreibe ich'
usw. usf. Oder ich traute mich nicht, sie anzusprechen, weil sie heulte.
Ich versuchte immer günstige Momente zu erwischen, damit ich die längst
fällige Unterschrift
für die Schule erhaschen konnte. Wenn meine Mutter
eine schlechte Note unterschreiben sollte, dauerte es um so länger und sie
schluchzte, um so lauter, wenn sie es erfuhr.
Wenn ich dann einen Moment abpasste, wo
offensichtlich Zeit war samstags abends vorm Fernsehabend - mein Vater war
dann meistens auch da - erklärten sie mir doch tatsächlich des Öfteren
'das wäre nicht so einfach mit der Unterschrift, die wäre viel Geld wert,
da könne ja jeder kommen. Man könne doch nicht immer für alles eine
Unterschrift geben'. Sie ließen einen auch in guter Stimmung dann oft noch
tagelang 'zappeln. Andererseits war dann auch oft urplötzlich eine
Unterschrift da. Es war eine schreckliche Zeit. Es viel mir immer schwerer
nach den Unterschriften zu fragen, ich brauchte sie aber! Ich war in einer
reinen Mädchenschule. (Die Volksschullehrerin hatte meinen Eltern
gegenüber 'mindestens die RS!' durchgesetzt) Die Mädchen kamen aus meist
wohlbehüteten Elternhäusern und mir schien es, als wäre ich die einzige,
die immer sehr verspätet alles beibrachte. Die Lehrer waren alle sehr
verständnisvoll und haben deswegen nie mit mir geschimpft. Sie wussten
vielleicht mehr als ich dachte. Ich versteckte natürlich meine Probleme,
erzählte in der Schule nichts davon.
Ich liebte die Schule und wollte sie nicht
gefährden. Als die Qual zu groß wurde - und ich es technisch konnte
(Pergamentpapier) fing ich an, - unter großer Angst - Unterschriften der
Eltern zu fälschen. Große Angst und natürlich Gewissensbisse hatte ich der
Lehrerin, die ich sehr mochte, gegenüber, weil ich sie betrog. Und große
Angst, mein Vater würde mich totschlagen, wenn er es erführe. (Als er uns
einmal bei einer Lüge ertappte, drehte er durch und verprügelte uns sehr,
und das war ja jetzt noch viel schlimmer) Eine zeitlang schlug ich mich
noch mit dieser Problematik herum, aber meine Lehrerin muss etwas gemerkt
haben, was bei der wohl krakeligen Unterschrift bestimmt kein Wunder war.
Ich weiß nur noch, dass meine Mutter, die sonst nie zu den
Elternsprechstunden ging, in die Schule musste. Mir wurde nicht gesagt
warum, aber ich denke meine Lehrerin hat mit meiner Mutter sicherlich über
die gefälschten Unterschriften gesprochen. Denn ab dann war der Spuk mit
den Unterschriften vor bei und alles ging immer zügig. Warum nicht gleich
so?